TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/28 2006/04/0239

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Veröffentlicht am 28.05.2008
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Index

95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;

Norm

IngG 2006 §2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M M in Wien, vertreten durch Dr. Johann Kral, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Frankgasse 6/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 18. Oktober 2006, Zl. 91.508/47371-I/3/06, betreffend Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gerichteten Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Juni 2006 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 (gemeint offensichtlich: § 2 Z. 1) Ingenieurgesetz 2006, BGBl. I Nr. 120, ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe die Reifeprüfung an der "Höheren Graphischen Lehranstalt für 'Reproduktions- und Drucktechnik'" absolviert und hinsichtlich der Berufspraxis geltend gemacht, vom 2. November bis 4. Dezember 1989 im Unternehmen B. beschäftigt gewesen zu sein. Laut einem Praxiszeugnis vom 12. Dezember 1989 sei er als Fotosetzer im Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen; weitere Praxisnachweise habe er nicht erbracht. Weiters habe der Beschwerdeführer einen Versicherungsdatenauszug der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 25. April 2002 (zu ergänzen: zum Stichtag 1. Jänner 2001) vorgelegt, in welchem rechenbare Praxiszeiten im Ausmaß von 35 Monaten ausgewiesen seien. Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Umschulungen im Rahmen des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (in der Folge: AMFG) könnten für eine Praxis nicht herangezogen werden. Aus diesen Gründen sei die Voraussetzung der dreijährigen fachbezogenen Praxis nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ingenieurgesetzes 2006 - IngG 2006, BGBl. I Nr. 120/2006, lauten wie folgt:

"Voraussetzungen für die Verleihung

§ 2. Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung 'Ingenieur' ist Personen zu verleihen, die

1. a) die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer und gewerblicher ... Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, ..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe das Erfordernis einer mindestens dreijährigen fachbezogenen Praxis nicht erfüllt, weil er eine einschlägige Praxis im Ausmaß von (nur) einem Monat und drei Tagen und insgesamt 35 anrechenbare Monate (unter Außerachtlassung von Zeiten der Arbeitslosigkeit oder von Umschulungen) zum Stichtag 1. Jänner 2001 nachgewiesen habe.

In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer selbst vor, er sei nach Ablegung seiner Reifeprüfung 35 Monate lang fachlich tätig gewesen, und tritt insoweit der Feststellung der belangten Behörde über die rechenbaren Praxiszeiten ausdrücklich nicht entgegen.

Auch mit seinem weiteren Vorbringen, seine fachliche Tätigkeit sei durch Krankenstände unterbrochen gewesen, er sei auch "krankheitshalber aus dem Berufsprozess" ausgeschieden und es zählten die Krankenstände zur Praxiszeit, weshalb er "die Feststellung begehrt, dass Krankenstände im Ausmaß von zumindest einem Monat als Praxis anzurechnen sind", übersieht der Beschwerdeführer, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid die belangte Behörde lediglich Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Umschulungen, aber nicht Krankenstände "herausgerechnet" hat.

Unter der Überschrift "Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil die Bestimmungen des IngG unrichtig ausgelegt worden sind bzw. diese verfassungswidrig und daher unanwendbar sind", bringt der Beschwerdeführer vor:

"Das Ingenieurgesetz ist ein Paradoxon, das auf die übrigen gesetzlichen Regelungen und insbesondere auch auf europäische Regelungen des Unterrichtswesens keine Rücksicht nimmt. Es ist in sich widersprüchlich.

Die Bezeichnung 'Ingenieur' ist an eine technische schulische Ausbildung gebunden. Systemwidrig können Vereinigungen die Bezeichnung 'Ingenieur' führen, die völlig unzweifelhaft keine der Voraussetzungen des Gesetzes erfüllen können, nämlich ist Vereinigungen eine schulische Ausbildung nicht möglich und können Vereinigungen auch keine Praxis erwerben. Es müssen nicht einmal die Mitglieder die persönlichen Voraussetzungen des Gesetzes erfüllen. Diese Bestimmungen sind zweifellos gesetzeswidrig und widersprechen den europäischen Regelungen hinsichtlich des einheitlichen Zuganges zu Bildungseinrichtungen.

Systemwidrig, verfassungswidrig - da gleichheitswidrig - und selbstverständlich den europäischen Regelungen über die Gleichheit der Bildung widersprechend - festgeschrieben im Arbeitsprogramm SOKRATES u.a - sind die Bestimmungen über die Führung der Titel Diplom-Ingenieur der Bildungswege HTL und HLFL. Diese akademischen Grade werden nur nach Absolvierung der schulischen Ausbildung von den Hochschulen und Fachhochschulen verliehen und ist dies jedenfalls ein Hinweis darauf, dass es dabei lediglich auf die entsprechende schulische Bildung ankommt. Warum der gleiche Titel nach dem IngG zusätzlich einer Praxiszeit bedarf ist unerfindlich, da die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Ausbildung erworben werden und zusätzliche Bildung, Erfahrung und Kenntnisse in der Praxis, wo die vorher erworbenen Fähigkeiten ja nur angewendet werden, nicht erworben werden. Sicherlich ändern sich auch technische Abläufe im Laufe der Zeit, doch ist zweifellos verfassungs- und gleichheitswidrig, dass die Praxis beim Diplom-Ingenieur der Hochschulen nicht gefordert wird und beim Diplom-Ingenieur nach dem IngG zu erbringen ist.

Das gleiche gilt für das Praxiserfordernis des 'Ingenieur'.

Aufgrund der Ausführungen ergibt sich, dass das Erfordernis der Praxis, das ja nur für natürliche Personen gefordert wird, während es für die genannten juristischen Personen nicht erforderlich ist, aufgrund der Verfassungswidrigkeit ungültig und unanwendbar ist. Die Behörde hätte daher dem Beschwerdeführer die Führung des Titels 'Ingenieur' einerseits deswegen weil er wie beschrieben die Erfordernisse erfüllt und andrerseits deswegen, weil das Praxiserfordernis ungültig ist, gestatten müssen."

Auch mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen und sieht sich der Verwaltungsgerichtshof sachverhaltsbezogen auch nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens oder einen Vorlageantrag an den Europäischen Gerichtshof zu stellen.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Mai 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006040239.X00

Im RIS seit

02.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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