TE Vfgh Beschluss 2003/7/3 G111/03

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Veröffentlicht am 03.07.2003
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AlVG §23 Abs1 Z1
ASVG §235, §236
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen betreffend die Berufsunfähigkeitspension wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Antragstellung; Anregung der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes in einem Gerichtsverfahren möglich

Spruch

Der Antrag des G R, ..., auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrags gem. Art140 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung der §§235, 236 ASVG, §120 GSVG und §111 BSVG, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit selbstverfaßter Eingabe erhebt der Einschreiter "Verfassungsbeschwerde" gegen "die ASVG Gesetze 235, 236, sowie 120 GSVG und 111 BSVG" und beantragt die Verfahrenshilfe. Begründend führt er dazu aus, daß bei der Festlegung der Anzahl der Versicherungsmonate für die Erlangung einer Berufsunfähigkeitspension eine "eklatante Ungleichbehandlung zu beobachten" sei, da Personen unter 27 Jahren lediglich 6 Versicherungsmonate benötigten, Personen unter 50 Jahren 60 Monate, er hingegen 120 Versicherungsmonate nachweisen müsse. Dies sei in seinem Fall - er sei Langzeitarbeitsloser und krank - aber unmöglich.

Aus einer vorgelegten Bestätigung des AMS Wien ergibt sich, daß der Einschreiter Notstandshilfe als Pensionsvorschuß bezieht.

Der Verfassungsgerichtshof wertet die Eingabe des Einschreiters als Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages gem. Art140 B-VG gegen die genannten Bestimmungen des ASVG, GSVG und BSVG.

2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erweist sich jedoch aufgrund der Aussichtslosigkeit der Verfahrensführung als unbegründet:

3. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der Betroffenen unmittelbar eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in seiner Rechtsprechung mehrfach, zB in VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979, bekräftigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

Ein - nach dem vorhin Ausgeführten die Zulässigkeit eines Antrags gem. Art140 Abs1 letzter Satz B-VG ausschließender - zumutbarer Weg ist nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ua. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, das dem die Betroffenen Gelegenheit eröffnet, beim Gericht anzuregen, es möge einen Gesetzesprüfungsantrag gem. Art140 Abs1 B-VG stellen (s. zB VfSlg. 13.871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur). Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wären die betreffenden Gerichte (nämlich der Oberste Gerichtshof oder ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht) zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet, sofern sie - ebenso wie der Antragsteller - gegen die Anwendung des Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken haben sollten (s. zB VfSlg. 11.480/1987). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig war, in dem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Anrufung des Verfassungsgerichtshofes anzuregen (s. VfSlg. 8890/1980, 12.810/1991).

Der Bezug von Notstandshilfe als Pensionsvorschuß durch den Einschreiter setzt gem. §23 Abs1 Z1 AlVG voraus, daß dieser eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters beantragt hat. Gegen die Versagung dieser Leistung durch die erste Instanz kann der Einschreiter den Klagsweg beschreiten und beim zuständigen Gericht II. Instanz die Anfechtung der von ihm als verfassungswidrig erachteten Normen anregen. Dieser Rechtsweg steht der Zulässigkeit eines Individualantrags gem. Art140 B-VG entgegen.

4. Die vom Antragsteller in Aussicht genommene Rechtsverfolgung durch Einbringung eines Individualantrags erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal sogar zu gewärtigen wäre, daß der Verfassungsgerichtshof einen derartigen Antrag mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückweist (§19 Abs3 Z2 lita VfGG).

Da der Antrag den Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) somit nicht entspricht, war er abzuweisen.

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Arbeitsfähigkeit geminderte, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G111.2003

Dokumentnummer

JFT_09969297_03G00111_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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