TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/20 2005/01/0005

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Veröffentlicht am 20.06.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §60;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des S K in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. Dezember 2004, Zl. FA7C - 11-297/2004-40, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 24. Februar 2004 gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung dieser Verleihung auf seine Ehegattin sowie die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder gemäß "§ 10 Abs. 1 Z 6, § 10 Abs. 1 Z 8, § 11 iVm §§ 16, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Hauptwohnsitz seit 30. September 1991 (gemeint: ununterbrochen) in Österreich, seine Deutschkenntnisse seien als gut beurteilt worden, er betreibe seit 1. Jänner 2004 einen Imbiss-Stand in G. Der Beschwerdeführer sei in Österreich weder gerichtlich verurteilt noch verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Staatsbürgerschaftsbehörde lägen keinerlei Taten vor, die die "geforderte materielle Persönlichkeitsüberprüfung ermöglichten". Es liege jedoch die "eindeutige Stellungnahme der Sicherheitsdirektion, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung" vor, wonach der Beschwerdeführer als Aktivist einer radikalen, dem allgemeinen Wohl und öffentlichem Interesse zuwiderlaufenden, ausländischen Gruppierung bekannt sei und sein bisheriges Verhalten keine Gewähr dafür biete, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und künftig kein Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen werde. Die belangte Behörde erachte sich in der Frage der Beurteilung, ob der Beschwerdeführer Gewähr dafür biete, dass er in Zukunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, an die Ansicht des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung "gebunden"; dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach die Sicherheitsbehörden in dieser Frage "wertvolle Amtshilfe zu leisten haben". Auf Grund der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion (vom 25. November 2004) könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer "nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde". Bei einer derart massiven negativen Stellungnahme der Sicherheitsdirektion sei es "keinesfalls möglich" die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 6 und Z 8 StbG als erwiesen anzunehmen.

Die belangte Behörde habe trotz Unkenntnis von "konkreten" Straftaten keinen Zweifel, dass die "Beurteilung des Einbürgerungswerbers durch die Sicherheitsbehörde im Rahmen des gesetzlichen Auftrages 'Gefahrenforschung' auf Tatsachen beruht, die aus den in der Stellungnahme vom 25.11.2004 dargelegten Gründen der Staatsbürgerschaftsbehörde und auch dem Einbürgerungswerber nicht bekannt gegeben werden können".

Auch eine positive Ermessensentscheidung im Sinne des § 11 StbG könne die belangte Behörde auf Grund der Stellungnahmen der Sicherheitsdirektion nicht treffen, weil die darin zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Beschwerdeführers als integrationsmindernd und nicht dem allgemeinen Wohl und öffentlichen Interesse entsprechend zu werten sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde nach Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 8 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

Die Behörde hat sich gemäß § 11 StbG unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 leg.cit. eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.

Bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Verhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetze zum Ausdruck (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2005/01/0013, und die darin angegebene Judikatur).

Die belangte Behörde hat ein Verhalten des Beschwerdeführers, aus dem die herangezogenen Verleihungshindernisse ableitbar wären, nicht festgestellt. Sie stellte vielmehr fest, der Beschwerdeführer sei weder gerichtlich verurteilt noch verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten. Sie sei auch in Unkenntnis von konkreten Straftaten, die der Beschwerdeführer begangen habe, weshalb ihr die "vom Verwaltungsgerichtshof bisher geforderte materielle Persönlichkeitsprüfung" nicht möglich sei. Mit anderen Worten sah die belangte Behörde sich aufgrund der ihr bekannten Umstände außer Stande, die für die Beurteilung des Vorliegens der Verleihungshindernisse nach den §§ 10 Abs. 1 Z 6 oder 8 StbG erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen.

Die Abweisung des Verleihungsgesuches begründete die belangte Behörde ungeachtet dessen damit, dass sie sich als Staatsbürgerschaftsbehörde an die kritischen Stellungnahmen der Sicherheitsbehörden gebunden erachte. Damit hat die belangte Behörde allerdings die Rechtslage verkannt.

Eine von den Sicherheitsbehörden geleistete "Amtshilfe" bzw. im Verleihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme entfaltet für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. Die belangte Behörde durfte sich somit nicht darauf beschränken, im angefochtenen Bescheid (nicht näher begründete und auch nicht konkretisierte) Bedenken der Sicherheitsbehörde referierend wiederzugeben und Verleihungshindernisse ohne (inhaltliche) Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen "als erwiesen" annehmen.

Da die belangte Behörde die erforderlichen Tatsachenfeststellungen aufgrund ihres Rechtsirrtums, an die - hinsichtlich ihrer Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer nicht näher präzisierten - Stellungnahmen der Sicherheitsbehörden gebunden zu sein, nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass allfällige Tatsachenfeststellungen so zu konkretisieren sind, dass in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan wird, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende) Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde (vgl. hiezu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 AVG etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2007, Zl. 2004/20/0181).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 2. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005010005.X00

Im RIS seit

05.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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