TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/25 2004/04/0035

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Veröffentlicht am 25.06.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §59 Abs1;
GewO 1994 §356b Abs2 idF 1997/I/063;
GewO 1994 §356b Abs6 Z7 idF 1997/I/063;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §77 Abs1 idF 1997/I/115;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 9. Juli 1999, Zl. 320.419/2-III/A/9/98, betreffend gewerberechtliche Genehmigung (mitbeteiligte Partei: A GmbH in W, vertreten durch braunegghoffmann & Partner Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Steiermark erteilte mit Bescheid vom 13. Februar 1998 der Mitbeteiligten die gewerberechtliche Genehmigung für den Einbau einer Abwasseranlage sowie für den Betrieb der geänderten Anlagenteile bei der mit näher bezeichnetem Bescheid genehmigten Tankstelle mit Auflagen. Als Rechtsgrundlage werden die §§ 81 und 77 GewO 1994 in Verbindung mit § 93 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, nicht aber Bestimmungen des WRG 1959, genannt. Die Auflage B1. lautete wie folgt: "Der jetzt bestehende Freiwaschplatz ist zu überdachen, und zwar so, dass auf der West- und Südseite jeweils ein Dachüberhang von 0,50 m entsteht." In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde aus, in der Augenscheinsverhandlung am 11. Februar 1998 habe der Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme abgegeben, wonach der jetzt bestehende Freiwaschplatz zu überdachen sei, und zwar so, dass auf der West- und Südseite jeweils ein Dachüberhang von 0,50 m entstehe. Diese Maßnahme diene dazu, Niederschlagswässer wirksam vom Kanal des Beschwerdeführers fernzuhalten.

In ihrer Berufung brachte die Mitbeteiligte gegen diesen Auflagenpunkt vor, dass alle auf der Anlage anfallenden Wässer in den "M-Sammelkanal" eingeleitet würden. Das Projekt sei unter Berücksichtigung von zusätzlichen Auflagen als konsensfähig erachtet worden. Daraus folge, dass die anfallende Abwassermenge vom Kanalbetreiber aufgenommen werden könne und dieser auch bereit sei, diese Wässer zu übernehmen. Durch die Vorschreibung der Auflage B1. werde die Gesamtwassermenge, die in den Kanal eingeleitet werde, nicht verändert, auch nicht reduziert. Die für die Abwasserableitung des Freiwaschplatzes vorgesehene näher bezeichnete Abwasseranlage sei in der Lage, die Waschwässer mit ÖNorm-gemäßem Schmutzfaktor sowie auch anfallende Oberflächenwässer unter Beachtung der entsprechenden Grenzwerte zu reinigen. Außerdem finde aus praktischen Gründen bei Regen ein Betrieb des Freiwaschplatzes nicht statt, sodass diese beiden "Wasserarten" nicht gleichzeitig abgeleitet werden müssten. Überdies sei für die Auflage B1. keine rechtliche Begründung zu sehen.

Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 1999 der Berufung der Mitbeteiligten Folge und behob den Auflagenpunkt B1. ersatzlos. In der Begründung führte sie aus, nach dem von ihr im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eingeholten technischen Gutachten, das schlüssig und ausführlich begründet sei, würden auch ohne Überdachung die Regenwässer des Waschplatzes über die Abscheideanlage abgeleitet werden, was bedeute, dass es sich dabei ebenso um eine Einleitung in den Kanal handle wie bei einer Überdachung. An der Gesamtwassermenge ändere sich nach Aussage des gewerbetechnischen Sachverständigen nichts. Eine Abschätzung der Kohlenwasserstofffrachten durch den Sachverständigen habe ergeben, dass bei der verfahrensgegenständlichen Anlage die im § 3 der Indirekteinleiterverordnung BGBl. II Nr. 222/1998 genannten Schwellenwerte nicht überschritten werden dürften, sodass eine wasserrechtliche Genehmigungspflicht der Anlage nicht gegeben sei, sondern nur eine Mitteilungspflicht gemäß § 5 leg. cit. Aus der Berufung gehe hervor, dass die anfallenden Abwassermengen vom Kanalbetreiber aufgenommen würden und dieser auch bereit sei, die Wässer zu übernehmen. Der Mitteilungspflicht sei somit ordnungsgemäß nachgekommen worden.

Gegen diesen Bescheid, der dem Beschwerdeführer über entsprechenden Antrag erst am 19. Jänner 2004 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorlegte und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattete, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, er verfüge über eine wasserrechtliche Bewilligung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 19. November 1973 für die Erweiterung der Kanalanlagen in einem näher bezeichneten Abschnitt durch Herstellung eines Hauptsammlers von S bis M. Als eine der einzuhaltenden Bedingungen sei darin angeführt, dass Oberflächen- und Dachwässer nicht in die Anlage geführt werden dürften. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22. Mai 1974 sei eine weitere wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung der Verbandsanlage durch Errichtung des Hauptsammelkanals im Abschnitt "S-S" bei Erfüllung und Einhaltung verschiedener Bedingungen erteilt worden. Als Bedingung sei u.a. vorgeschrieben worden, dass in die Kanalisationsanlage keine Oberflächengewässer und keine Niederschlags- und Dachwässer eingeleitet werden dürften und dass die Ableitung anderer als der im Befund genannten Abwässer durch das Kanalnetz verboten werde, soferne diese geeignet seien, die Funktion der Reinigungsanlage zu beeinträchtigen oder zu stören. In dem in den Spruch des Bewilligungsbescheides einbezogenen Befund sei festgehalten, dass die Kanalisationsanlage der Gemeinde S im Trennsystem ausgelegt sei. Durch den geplanten "Msammler" (Hauptsammelkanal) würden somit nur die anfallenden Schmutzwässer abgeleitet. Der Beschwerdeführer habe die Anlage entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung ausgeführt. Die Funktionsfähigkeit der Anlage sei u.a. davon abhängig, dass kein übermäßiger Anteil an Reinwässern in die Kläranlage gelange, wobei dies auf Grund des dargestellten Trennsystems auch nicht der Fall sein sollte.

Im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren der Mitbeteiligten vorgebracht, dass der Freiwaschplatz in näher angeführter Art und Weise zu überdachen sei, und damit unzweifelhaft klargestellt, dass die gezielte Einleitung von Niederschlagswässern in seine Schmutzwasserkanalisation zu verhindern sei. Die Mitbeteiligte habe gegen die in diesem Sinne erteilte Auflage berufen und diese sei mit dem angefochtenen Bescheid behoben worden. Der Beschwerdeführer habe auf Grund zyklischer Überprüfungen feststellen müssen, dass ein erheblicher Anteil an Reinwasser im Kanalstrom mitgeführt werde, was auch bereits von der Wasserrechtsbehörde gerügt worden sei. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, entsprechende Maßnahmen zur Behebung dieses Missstandes vorzunehmen. Der Beschwerdeführer habe bei einer Überprüfung auch festgestellt, dass tatsächlich die Mitbeteiligte Oberflächenwässer in die Verbandskanalisation des Mürzverbandes ableite. Im angefochtenen Bescheid werde das Gutachten eines offenkundig im Berufungsverfahren eingeholten gewerbetechnischen Sachverständigen zitiert, wonach sich an der Gesamtwassermenge durch die Überdachung nichts ändere, weil die Einleitung der Dachwässer ebenfalls in den Kanal erfolge. Dieser Auffassung habe sich die belangte Behörde angeschlossen und die Überdachung als entbehrlich angesehen. In der Begründung führe die belangte Behörde aus, nach dem Berufungsvorbringen würden die anfallenden Abwassermengen vom Kanalbetreiber aufgenommen und dieser sei auch bereit, die Wässer zu übernehmen. Es stelle einen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde sich auf ein Berufungsvorbringen stütze, ohne die diesbezügliche Richtigkeit zu hinterfragen, insbesondere wenn hiedurch Rechte dritter Personen, denen Parteistellung zukomme und die als unmittelbar Betroffene jedenfalls zu hören wären, berührt würden. Dies umso mehr, als die Behauptung im Widerspruch zum Vorbringen des Beschwerdeführers stehe. Auch hätte dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen zur Kenntnis gebracht werden müssen, um dazu Stellung beziehen zu können. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ergebe sich zweifelsfrei daraus, dass bei entsprechender Nachfrage die belangte Behörde darauf hingewiesen worden wäre, dass der Beschwerdeführer nicht bereit sei, Reinwässer entgegen der erteilten Bewilligung in seine Verbandskanalisation zu übernehmen. Der Beschwerdeführer hätte auch darauf hingewiesen, dass die Aussage des Sachverständigen nur dann Richtigkeit hätte, wenn die gegenständliche Kanalisation im Mischsystem geführt werde. Die Entscheidung der belangten Behörde verhindere eine Trennung der Wasserfracht und führe so zu einer Vermehrung (und nicht zu einem Gleichbleiben) der Wassermenge, die in die Verbandskanalisation des Beschwerdeführers abgeleitet werde. Abgesehen davon, dass dies wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen zuwiderlaufe, werde dadurch auch in den dem Beschwerdeführer erteilten Konsens eingegriffen.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 16. Juli 1999 (Zustellung an die Mitbeteiligte - vgl. zur Erlassung eines Bescheides im Mehrparteienverfahren u. a. den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2007, Zl. 2007/10/0198) sind die Bestimmungen der GewO 1994 in der in diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.

§ 74 Abs. 2 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 (Stammfassung), lautet (auszugsweise):

"§ 74. ...

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

...

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

..."

§ 77 Abs. 1 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 115/1997 lautete (auszugsweise):

"§ 77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. ... "

§ 356b Abs. 1 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 lautete (auszugsweise):

"§ 356b. (1) Bei dem § 356 Abs. 1 unterliegenden Betriebsanlagen, zu deren Errichtung, Betrieb oder Änderung auch nach anderen Verwaltungsvorschriften des Bundes eine Genehmigung (Bewilligung) zum Schutz vor Auswirkungen der Anlage erforderlich ist, entfallen, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt wird, gesonderte Genehmigungen (Bewilligungen) nach diesen anderen Verwaltungsvorschriften, es sind aber deren materiellrechtliche Genehmigungs-(Bewilligungs-)Regelungen bei Erteilung der Genehmigung anzuwenden. ... Die Betriebsanlagengenehmigung bzw. Betriebsanlagenänderungsgenehmigung gilt auch als entsprechende Genehmigung (Bewilligung) nach den anderen Verwaltungsvorschriften des Bundes.

(2) Über Berufungen gegen im Verfahren nach Abs. 1 ergangene Bescheide des Landeshauptmanns entscheidet der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

...

6) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Bewilligungsverfahren nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 59/1997. Der Behörde (§§ 333, 334, 335) obliegt die Durchführung von wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren erster Instanz hinsichtlich folgender mit Errichtung und Betrieb der Betriebsanlage verbundener Maßnahmen:

...

7. Abwassereinleitungen in wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlagen.

Berufungsbehörde gegen Bescheide des Landeshauptmannes sowie sachlich in Betracht kommende Oberbehörde hinsichtlich der wasserrechtlichen Bewilligung in Angelegenheiten der Z ... 7 ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft."

Gemäß § 356b Abs. 6 GewO 1994 in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 oblag der Behörde (§§ 333, 334, 335 GewO 1994) die Durchführung von wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren erster Instanz hinsichtlich der mit Errichtung und Betrieb der Betriebsanlage verbundenen Abwassereinleitungen in wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlagen.

Der Landeshauptmann von Steiermark stützte den erstinstanzlichen Bescheid vom 13. Februar 1998 - und damit auch den in Rede stehenden Auflagenpunkt, der auf Grund einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vorgeschrieben wurde - aber ausschließlich auf die eingangs zitierten Bestimmungen der GewO 1994, nicht aber auf Bestimmungen des WRG 1959. Ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren im Sinne des maßgeblichen § 356b Abs. 6 leg. cit. liegt diesem Bescheid somit nicht zu Grunde. Zur Entscheidung über die Berufung gegen diesen Bescheid war daher nicht der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (vgl. § 356b Abs. 6 letzter Satz GewO 1994) zuständig, sondern die belangte Behörde. Es ist der belangten Behörde als Berufungsbehörde im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren daher im Ergebnis nicht entgegen zu treten, wenn sie diese Auflage wieder behoben hat, weil für deren Vorschreibung in dem durchgeführten (gewerblichen Betriebsanlagen)Verfahren nach der GewO 1994 keine Grundlage vorhanden war (vgl. § 74 Abs. 2 Z. 5 iVm § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1994).

Der Beschwerdeführer, der ausschließlich wasserrechtliche Fragen aufwirft, wurde demnach durch den angefochtenen Bescheid nicht in den von ihm geltend gemachten Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Juni 2008

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2004040035.X00

Im RIS seit

08.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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