TE Vwgh Beschluss 2008/6/25 2005/15/0154

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Veröffentlicht am 25.06.2008
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Index

E1E;
E3R E05204020;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
59/04 EU - EWR;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

11997E234 EG Art234;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art4 Abs1 lith;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art73;
EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lita;
EStG 1988 §33 Abs4 Z3 litc;
FamLAG 1967 §10 Abs1;
FamLAG 1967 §10 Abs2;
FamLAG 1967 §2 Abs1;
FamLAG 1967 §2 Abs2;
FamLAG 1967 §2 Abs8;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
FamLAG 1967 §2a Abs1;
FamLAG 1967 §2a Abs2;
FamLAG 1967 §4 Abs1;
FamLAG 1967 §4 Abs2;
FamLAG 1967 §5;
FamLAG 1967 §53 Abs1;
VwGG §38b;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2008/0002 26. November 2009 * EuGH-Zahl: C-363/08 * Ausgesetzte Beschwerde gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:2008/13/0190 B 24. März 2009 2008/13/0067 B 24. März 2009 2008/15/0223 B 28. Oktober 2009 2009/15/0109 B 28. Oktober 2009 2009/15/0004 B 28. Oktober 2009 2008/15/0222 B 28. Oktober 2008 2008/15/0145 B 28. Oktober 2008 2008/13/0095 B 24. März 2009 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62008CJ0363 26. November 2009 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2009/15/0204 E 2. Februar 2010 * Fortgesetztes Verfahren im VwGH nach EuGH-Entscheidung: 2008/15/0222 B 28. Oktober 2008 2008/13/0190 B 24. März 2009 2009/15/0004 B 28. Oktober 2009 2008/13/0095 B 24. März 2009 2008/15/0223 B 28. Oktober 2009 2009/15/0109 B 28. Oktober 2009 2008/15/0145 B 28. Oktober 2008 2008/13/0067 B 24. März 2009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in der Beschwerdesache der RS in G, vertreten durch Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwalt in Mödling, dieser vertreten durch Schatz & Partner Rechtsanwälte OEG in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 30. Juni 2005, GZ. RV/0728-W/05, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 31. Oktober 2003, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EUGH) werden gemäß § 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ergibt sich aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (kurz: Verordnung), dass die nicht berufstätige geschiedene Ehefrau eines in Österreich wohnhaften und nichtselbständig tätigen Mannes ihren Anspruch auf Familienbeihilfe (für ein Kind) gegenüber Österreich beibehält, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat einen Wohnsitz begründet und dorthin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen verlegt, und wenn sie dort weiterhin nicht berufstätig ist ?

2. Kommt für die Beantwortung der Frage 1. dem Umstand Bedeutung zu, dass Österreich, wo der geschiedene Ehemann verbleibt und er ausschließlich wohnhaft und berufstätig ist, diesem Mann unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch auf Familienbeihilfe (für das Kind) einräumt, wenn der Anspruch der geschiedenen Ehefrau nicht mehr besteht ?

3. Ergibt sich aus der Verordnung ein Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Familienbeihilfe (für das Kind) gegenüber Österreich, wo der geschiedene Mann und Kindesvater wohnhaft und berufstätig ist, wenn gegenüber den in der Frage 1. angegebenen Verhältnissen dadurch eine Änderung eintritt, dass die Ehefrau im neuen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit aufnimmt ?

Begründung

1. Sachverhalt:

Mit dem Bescheid des Finanzamtes vom 22. Oktober 2003 wurde von der Beschwerdeführerin, die für ihre Tochter Nina, geboren am 23. Juni 1991, vom 1. Jänner 1998 bis 31. Oktober 2003 gewährte Familienbeihilfe im Betrag von EUR 7.824,79 und der in diesem Zeitraum gewährte Kinderabsetzbetrag im Betrag von EUR 3.060,16, insgesamt EUR 10.884,95, gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 i.V.m. § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a, c EStG 1988 zurückgefordert, weil sie sich seit 1997 mit ihrer Tochter Nina ständig in Griechenland aufhalte.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge; sie stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin sei österreichische Staatsbürgerin und Mutter zweier Töchter (Nina, geboren am 23. Juni 1991 und Melina, geboren am 1. März 2003). Die Beschwerdeführerin wohne seit Sommer 1997 ständig in Griechenland. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befinde sich seit diesem Zeitpunkt in Griechenland, wo sie mit ihren Kindern einen Wohnsitz unterhalte. Die Tochter Nina besuche seit Herbst 1997 in Griechenland die Schule und halte sich seitdem ständig in Griechenland auf. In den Ferien (Sommer und Weihnachten) habe sich Nina überwiegend in Österreich bei Verwandten der Beschwerdeführerin aufgehalten und habe dabei auch ihren unterhaltspflichtigen Vater, der österreichischer Staatsbürger sei, hier lebe und arbeite, besucht. Die Beschwerdeführerin unterhalte zwar in Österreich einen weiteren Wohnsitz, der von ihr aber kaum benutzt werde.

Bis 2001 sei die Beschwerdeführerin in Griechenland weder in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden noch sei sie arbeitslos gemeldet gewesen. Sie habe ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen von Verwandten und aus Ersparnissen bestritten. Seit 2001 sei sie als Reiseleiterin eines griechischen Unternehmens von Mai bis Anfang Oktober jeden Jahres beschäftigt.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG, nämlich Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin im Inland und ständiger Aufenthalt des Kindes im Inland, seien daher nicht gegeben.

2. Beschwerdeverfahren:

Die Beschwerdeführerin trägt vor, nach der von der belangten Behörde angewendeten innerstaatlichen Norm habe sie zwar keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Da aber ihr geschiedener Ehemann und Vater ihrer Tochter in Österreich lebe und arbeite und lediglich sie und die Tochter nach Griechenland übersiedelt seien, sei die Verordnung anzuwenden. Wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich beibehalten hätte, hätte sie unstreitig Anspruch auf die nun zurückgeforderten Leistungen gehabt. Als Familienangehörige eines Arbeitnehmers stünden ihr gemäß Art. 73 Verordnung diese Leistungen auch in Griechenland so zu, als wenn sie in Österreich, also in dem die Leistung erbringenden Staat, geblieben wäre.

Dazu komme, dass sie seit 2001 nicht nur in Griechenland wohne, sondern dort auch eine berufliche Tätigkeit ausübe.

3. Die für den vom Streit betroffenen Zeitraum maßgebenden Bestimmungen des nationalen Rechtes lauten:

Die im Ausgangsverfahren maßgebenden Vorschriften sind die des Bundesgesetzes vom 24. Oktober 1967, betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen - Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz: FLAG).

"§ 1. Zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie werden die nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Leistungen gewährt.

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für - näher bezeichnete - Kinder.

§ 2. (2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Absatz 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 2. (8) Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 2a. (1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zu Gunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; ...

§ 4. (1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre."

§ 5 Abs. 4, ab 1. Jänner 2001 als Absatz 3 bezeichnet, lautet:

"§ 5. (4) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten."

§ 5 Abs. 5, der ab 1. Jänner 2001 die Absatzbezeichnung 4 trägt, lautet:

"§ 5. (5) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt; ...

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Anbeginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist."

§ 53 Abs. 1, in Kraft seit 30. Dezember 2000 lautet:

"§ 53. (1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."

§ 33 Abs. 4 Z 3 lit. a und c EStG 1988 lauten:

"3.a) Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ab dem Jahr 2000 ein Kinderabsetzbetrag von monatlich EUR 50,90 für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes anzuwenden.

c) Abweichend von lit. a steht im Jahr 1999 einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 475 S für das erste Kind, 650

S für das zweite Kind und 825 S für jedes weitere Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes anzuwenden."

4. Erläuterungen zur Vorlage:

Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem FLAG vermittelt ein Kind mit ständigem Aufenthalt in Österreich und ab 30. Dezember 2000 auch mit ständigem Aufenthalt in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes. Der Anspruch auf Familienbeihilfe steht der Person zu, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1, 2 und 8 FLAG erfüllt; unter hier nicht interessierenden Voraussetzungen haben auch Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe für sich selbst. Eine Person, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, und zu deren Haushalt das Kind gehört, hat Anspruch auf Familienbeihilfe. Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt. Die Familienbeihilfe stellt eine Familienleistung (nach Art 4 Abs. 1 lit. h der Verordnung) dar, die Österreich den Anspruchsberechtigten - von der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme des § 3 Abs. 1 FLAG abgesehen - unabhängig von einem Versicherungs- oder Beschäftigungsverhältnis gewährt.

Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe an die Beschwerdeführerin waren zu Beginn der Familienbeihilfenzahlungen an die Beschwerdeführerin gegeben. Im Jahr 1997 hat die Beschwerdeführerin sodann in Griechenland einen Wohnsitz begründet und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen dorthin verlegt. Für darauf folgende Zeiträume steht nach innerstaatlichem Recht (§ 2 Abs. 8 FLAG) ihrem Anspruch auf Familienbeihilfe der Umstand entgegen, dass sie in Österreich nicht mehr den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat. Steht der Beschwerdeführerin der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht zu, so besteht ein gleichartiger Anspruch für den in Österreich verbliebenen geschiedenen Ehemann und Kindesvater. Ihm käme allerdings dann kein Anspruch zu, wenn er nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trüge.

Die Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG stellt ausschließlich auf objektive Momente ab. Entscheidend ist somit lediglich, ob im betroffenen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe gegeben waren.

Die Beschwerdeführerin, in deren Haushalt die Tochter Nina lebt, hatte im gesamten Rückzahlungszeitraum den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht im Bundesgebiet. Von der Beschwerdeführerin wird daher nicht in Streit gezogen, dass sie nach innerstaatlichem Recht in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt hat.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsauffassung, dass ihr Anspruch auch nach der Verlegung des Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen in einen anderen Mitgliedstaat aufrecht bleibt. Beim Verwaltungsgerichtshof sind Bedenken entstanden, ob sich ein solcher Anspruch der Beschwerdeführerin als Familienangehörige aus der Verordnung ergibt.

Zur ersten Frage:

Die Beschwerdeführerin hat bis zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in Griechenland im Jahr 2001 keine staatlichen Leistungen von Österreich außer den zurückgeforderten Familienleistungen erhalten. Sie stand in Österreich in keiner Beschäftigung und war hier auch nicht arbeitslos gemeldet. In Griechenland wohnt sie zwar, ist aber dort bis 2001 keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Durch die Verlegung des Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen nach Griechenland hat sie ihren bis dahin unstrittigen Anspruch auf die zurückgeforderten Leistungen verloren.

Zu den Fragen 2 und 3:

Nach Art. 73 der Verordnung hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, vorbehaltlich hier nicht interessierender Bestimmungen im Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.

Nach innerstaatlichem Recht verliert die Beschwerdeführerin durch Verlegung des Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen in einen anderen Mitgliedstaat ihren innerstaatlichen Anspruch auf die Familienleistungen. In einem solchen Fall besteht ein Anspruch des in Österreich verbleibenden Elternteiles auf diese Familienleistungen, wenn er die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Trägt der in Österreich verbleibende Elternteil die Unterhaltskosten nicht überwiegend, steht ihm kein Anspruch zu.

Fraglich ist auch, ob der Verordnung bereits dadurch Genüge getan ist, dass Österreich dem in Österreich verbleibenden Elternteil - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - die Beihilfe gewährt.

Fraglich ist weiters, ob die Beschwerdeführerin gegenüber Österreich aus der Verordnung einen Beihilfenanspruch allenfalls auch dann noch ableiten kann, wenn sie in Griechenland eine Beschäftigung aufgenommen hat.

Insgesamt erscheint die Auslegung der Verordnung nicht derart offenkundig zu sein, dass für Zweifel im Sinne der Rechtsprechung CILFIT (Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rs-283/81, Slg. 1982, S. 03415 ff) kein Raum bliebe. Die Fragen werden daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt.

Wien, am 25. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005150154.X00

Im RIS seit

27.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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