TE Vwgh Erkenntnis 2008/7/17 2008/21/0343

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Veröffentlicht am 17.07.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/5/24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. März 2008, Zl. 2F 138-2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der seinen Angaben zufolge Ende Jänner 2003 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, stellte einen Tag nach seiner Einreise einen erfolglos gebliebenen Asylantrag. Die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Mai 2007 eingebrachten Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. September 2007, Zl. 2007/01/0946, ab.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 29. Jänner 2008 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 28. März 2008 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Asylverfahrensganges aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 6. September 2007 unberechtigt im Bundesgebiet auf. Nach Verweisung auf den Inhalt der (dem Bescheid angeschlossenen) Berufung, Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften und Wiedergabe von in der Rechtsprechung entwickelten Rechtssätzen meinte die belangte Behörde, wenngleich sie Verständnis für den Wunsch des Beschwerdeführers auf einen Verbleib in Österreich habe, müsse dennoch auf die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten verwiesen werden; dem komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aber ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwer beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Im Verhältnis zu diesem öffentlichen Interesse an der Erlassung der Ausweisung seien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich - auch unter Bedachtnahme auf seine private und familiäre Situation - angesichts seines noch keineswegs langen Aufenthaltes in der Dauer von fünf Jahren, wovon ein Zeitraum von etwa sechs Monaten als unrechtmäßig "zu Buche schlage", nicht so stark ausgeprägt.

Da der Beschwerdeführer nicht selbst als Zeitungsausträger registriert sei, sondern dabei nur einem Freund helfe, könne zunächst nicht von einer ordnungsgemäßen Beschäftigung ausgegangen werden. Dennoch gestehe die belangte Behörde in diesem Zusammenhang einen "gewissen relevanten" Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers zu. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass es aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mit einer ghanaischen Staatsbürgerin ein gemeinsames Kind habe, welches allerdings bei der Mutter in Wien wohne, auch zu einem "gewissen relevanten" Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers komme. Dieser sei jedoch dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter keine Lebensgemeinschaft führe. Schließlich sei die während der rechtmäßigen Aufenthaltsdauer erlangte Integration in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen sei. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer auch in Ghana einen neunjährigen Sohn, der dort in einem Waisenheim lebe, verfüge also auch in seinem Heimatland über familiäre Bindungen. Die Ausweisung könne demnach als zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend notwendig angesehen und das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers geübt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorlägen. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In dieser Hinsicht wiederholt die Beschwerde das Berufungsvorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich. Er halte sich hier seit fünf Jahren auf, sei bereits langjährig "wohnversorgt" und habe mit einer in Österreich niedergelassenen Schwarzafrikanerin ein gemeinsames Kind im Alter von zwei Jahren; zu beiden habe er regelmäßigen und intensiven Kontakt. Der Mittelpunkt seines Lebens sei nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in privater Hinsicht nunmehr ausschließlich in Österreich. In Ghana verfüge er über keine entsprechenden sozialen Kontakte, woran auch der in einem Waisenhaus aufwachsende Sohn, zu dem er keinen Kontakt habe, nichts ändern könne. Mit der Ausweisung werde somit "eklatant" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde diese Umstände in ausreichender und im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise bei der Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 1 FPG und der Ermessensübung berücksichtigt:

Der belangten Behörde ist nämlich zunächst darin beizupflichten, dass der Beschwerdeführer über keine ordnungsgemäße, bei der Frage der Integration am Arbeitsmarkt ins Gewicht fallende Beschäftigung verfügte. Nach dem Vorbringen in der Beschwerde, das sich mit dem Inhalt des vorgelegten Vermögensbekenntnisses deckt, ist der Beschwerdeführer außerdem derzeit arbeitslos und hat kein Einkommen. Im Übrigen wurde die Behauptung, der Beschwerdeführer sei "wohnversorgt", in keiner Weise konkretisiert. Den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren lässt sich zwar entnehmen, dass er gemeinsam mit einem Landsmann eine 32 m2 große Mietwohnung in Graz benütze. Das führt aber nicht zu einer maßgeblichen Verstärkung des privaten Interesses an einem Verbleib in Österreich. Es bleibt somit lediglich die familiäre Beziehung zu seinem zweijährigen Kind. Zu Recht hat aber die belangte Behörde dazu relativierend ins Treffen geführt, dass das Kind getrennt von dem in Graz wohnhaften Beschwerdeführer bei der Mutter, die ebenfalls eine Staatangehörige von Ghana ist, in Wien lebt. Auch wenn trotz der räumlichen Entfernung - wie der Beschwerdeführer in der Berufung und in der Beschwerde behauptet - ein "intensiver Kontakt" bestehen sollte, wird durch die Ausweisung des Beschwerdeführers nur in das Besuchsrecht eingegriffen. In dieser Hinsicht hat die belangte Behörde aber auch auf (eingeschränkte) Besuchsmöglichkeiten der Mutter mit dem Kind beim Beschwerdeführer in Ghana verwiesen, ohne dass deren Zumutbarkeit in der Beschwerde bestritten wird. Vor diesem Hintergrund erweist sich der durch die Ausweisung bewirkte Eingriff im vorliegenden Fall nicht als unverhältnismäßig und diesbezüglich in der Beschwerde behaupteten Ermittlungsmängeln - die (in der Berufung allerdings gar nicht beantragte) unterlassene Einvernahme der Mutter des Kindes zur Intensität des Kontaktes mit dem Beschwerdeführer - fehlt die Relevanz. Im Übrigen hat die belangte Behörde diesbezüglich auch zutreffend auf die Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 29. November 2007 verwiesen, denen sich keine Behauptungen eines persönlichen Kontaktes des Beschwerdeführers zu seinem Kind in Wien entnehmen lassen. Er gab lediglich an, er schicke manchesmal - wann immer er es sich leisten könne - Geld für das Kind.

Zu Recht hat die belangte Behörde aber auch darauf verwiesen, dass der (im Bescheiderlassungszeitpunkt) etwa fünfjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich durch eine illegale Einreise erlangt wurde und - soweit er rechtmäßig war - auf einem unbegründeten Asylantrag beruhte. Weiters ist maßgebend, dass es für den Beschwerdeführer nach § 21 Abs. 1 NAG für die Erlangung eines Aufenthaltstitels erforderlich wäre, einen Erstantrag vom Ausland aus zu stellen und dessen Erledigung dort abzuwarten. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie in dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0311).

Demgegenüber reichen - wie erwähnt - die vom Beschwerdeführer geltend gemachten integrationsbegründenden Umstände auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung Abstand hätte genommen und hätte akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (illegale Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen. Dabei ist nämlich auch noch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht sicher damit rechnen durfte, dass er dauernd in Österreich würde verbleiben können. Deshalb wird das Gewicht (v.a.) seiner familiären Interessen dadurch gemindert, dass diese Bindungen in Österreich in einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus hätte bewusst sein müssen (vgl. etwa die diesbezüglichen Ausführungen in dem Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0485, mit weiteren Nachweisen). Unter diesem Aspekt ist nämlich darauf hinzuweisen, dass im Asylverfahren des Beschwerdeführers der erstinstanzliche negative Bescheid vom 13. Mai 2003 bereits nach nicht einmal vier Monaten ergangen war.

Demzufolge erweist sich die gegen den Beschwerdeführer erlassene Ausweisung nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich - im Rahmen des ausdrücklichen ziffernmäßigen Begehren - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Juli 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210343.X00

Im RIS seit

29.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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