TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/28 2008/22/0270

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Veröffentlicht am 28.08.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §24;
AVG §45;
B-VG Art18;
NAG 2005 §41 Abs2;
NAG 2005 §41 Abs3;
NAG 2005 §41;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des R A in T, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 31. Oktober 2006, Zl. 146.515/2- III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 31. Oktober 2006 wurde der vom Beschwerdeführer, einem tunesischen Staatsangehörigen, am 8. Juli 2005 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass am 13. Dezember 2005 hinsichtlich der Qualifizierung des Beschwerdeführers als selbständiger Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG ein negatives Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien ergangen sei. Darin sei festgestellt worden, dass aufgrund der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Unternehmen kein nachhaltiger Transfer von Investitionskapital erfolge, auch würden keine neuen Arbeitsplätze in großer Anzahl geschaffen oder gesichert. Die durch den Beschwerdeführer beabsichtigte Tätigkeit sei auch nicht von gesamtwirtschaftlichem Nutzen.

Die Erstbehörde habe den Beschwerdeführer aufgefordert, zu diesem negativen Gutachten Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme vom 4. Jänner 2006 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass mit dem von ihm beabsichtigten Betrieb eines Gastgewerbes ein Kapitalfluss im Inland gegeben wäre. Die Zulieferung müsste von inländischen Firmen erfolgen, und Steuern müssten im Inland abgeführt werden. Da ein Gastronomiebetrieb niemals von einem Geschäftsführer allein geführt werden könnte, stünden Art und Umfang der betriebsnotwendigen Arbeitskräfte schon "im Antrag" fest.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien habe in einem zweiten negativen Gutachten vom 6. Februar 2006 festgestellt, dass mit dieser Stellungnahme kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG aufgezeigt werde. Die Zulieferung inländischer Firmen für den Betrieb des Lokals, das Abführen von Steuern etc. bedingten keinen Kapitalfluss vom Ausland in das Bundesgebiet und begründeten keinen positiven wirtschaftlichen Effekt im Sinn des § 24 AuslBG. Ein Beweisanbot für die tatsächliche Rekrutierung von Arbeitskräften sei nicht erbracht worden.

In der gegen den abweisenden Bescheid der Erstbehörde erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass betriebliche Unterlagen für die Dokumentation der projektierten Arbeitskräfterekrutierung von zumindest zwei Kellnern, einem Aushilfskellner, einer Putzfrau und einer Küchenhilfe bzw. eines Kochs erst ex post bei Eröffnung und Anstellung der entsprechenden Kräfte vorgelegt werden könnten.

Der belangten Behörde als der Berufungsbehörde seien keine entsprechenden betrieblichen Unterlagen vorgelegt worden, welche die tatsächliche Schaffung von Arbeitsplätzen und den Transfer von Investitionskapital nachwiesen. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht möglich gewesen, der belangten Behörde Unterlagen bzw. sonstige Beweise für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen seiner Erwerbstätigkeit vorzulegen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Antrag vom 8. Juli 2005 aufgrund des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG als Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zu werten sei. Dieser Aufenthaltstitel könne gemäß § 41 Abs. 1 NAG Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn - im Fall einer selbständigen Schlüsselkraft - ein positives Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice im Hinblick auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbundenen Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, vorliege (§ 24 AuslBG).

Die belangte Behörde komme - ebenso wie die Erstbehörde - zu dem Ergebnis, dass aufgrund der zwei negativen Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 24 AuslBG nicht vorlägen bzw. künftig nicht vorliegen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die hier relevanten Bestimmungen des § 41 NAG lauten - unter der Überschrift "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" - auszugsweise wie folgt:

"§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" erteilt werden, wenn

1.

sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;

2.

ein Quotenplatz vorhanden ist und

3.

eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt.

(2) Entscheidungen über die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" sind überdies von der zuständigen Behörde gemäß §§ 12 oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels (§§ 21 bis 24) zurückzuweisen ist;

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist oder

3. mangels eines Quotenplatzes zurückzuweisen ist.

(3) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ (§ 24 AuslBG), ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen."

§ 24 AuslBG lautet unter der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte" wie folgt:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0348, mwN).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass dem Beschwerdeführer nach Vorliegen des Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. Dezember 2005 gemäß § 45 Abs. 3 AVG durch Einräumung einer Stellungnahme Parteiengehör gewährt wurde. Vielmehr wendet sich die Beschwerde hauptsächlich gegen die durch die belangte Behörde vorgenommene Beweiswürdigung.

Den beiden Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien ist - zusammengefasst - zu entnehmen, dass mit der vom Beschwerdeführer geplanten Geschäftstätigkeit kein Geldfluss ins Bundesgebiet verbunden sei, weil die Zulieferungen inländischer Firmen für den Betrieb des Lokales, die Abführung von Steuern sowie Konsumationszahlungen durch die Mitarbeiter im Bundesgebiet keinen derartigen Kapitalfluss vom Ausland ins Bundesgebiet bedingten. Die mögliche Schaffung von Arbeitsplätzen sei durch entsprechende betriebliche Unterlagen nachzuweisen, aus denen die tatsächliche Rekrutierung von Arbeitskräften glaubhaft hervorgehe. Ein diesbezügliches Beweisanbot habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Die bloße Behauptung über die allfällige zukünftige Einstellung von Personen genüge hiefür nicht. Aus diesen Gründen komme dem durch den Beschwerdeführer beabsichtigten Betrieb eines Gastgewerbes kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG zu.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ergibt sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2004/21/0327, mwN).

Wenn nun aber die belangte Behörde vor diesem rechtlichen Hintergrund ihrer Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung die beiden angeführten Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien zu Grunde legte, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Überprüfungsbefugnis, die darauf beschränkt ist, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht zu beanstanden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, mwN).

Soweit die Beschwerde im Weiteren erkennbar als Verfahrensmangel rügt, dass die Sechswochenfrist des § 41 Abs. 2 NAG nicht eingehalten worden sei, so legt sie allerdings die Relevanz dessen nicht dar, sodass diese Beschwerdeausführungen nicht zielführend sind. Dass bei Überschreitung dieser Frist kein abweisender Bescheid ergehen dürfte, ist dem Gesetz - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht zu entnehmen.

Da die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK andeutet, ist schlicht darauf zu verweisen, dass die Versagung eines Aufenthaltstitels kein "civil right" im Sinn dieser Konventionsbestimmung berührt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 2. Juli 1994, Zl. B 1911/93, VfSlg. 13.836; das Urteil des EGMR vom 5. Oktober 2000, B 39652/98, Maaouia gegen Frankreich; sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2002/21/0138).

Da sich die Beschwerde daher als unberechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. August 2008

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220270.X00

Im RIS seit

25.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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