TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/5 2008/02/0029

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §102 Abs5 litb;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs4;
StVO 1960 §7 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H L in W, vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Oktober 2007, Zl. Senat-SB-06-0037, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 780,80 und der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 390,40, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig befunden, 1. Zu einer näher angeführten Zeit mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten PKW im Gemeindegebiet von W. nicht soweit rechts gefahren zu sein, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei, indem er in einer Rechtskurve mit dem genannten Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite gefahren und dabei auch auf das in Fahrtrichtung gesehen linke Bankett gekommen sei, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, sein Fahrzeug im gegenständlichen Bereich auf dem in Fahrtrichtung gesehen rechten Fahrstreifen zu lenken;

2. Die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert zu haben, obwohl er das Fahrzeug gelenkt habe und vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe; 3. Den Zulassungsschein einem Organ der Straßenaufsicht auf sein Verlangen zur Überprüfung nicht ausgehändigt zu haben.

Der Beschwerdeführer habe dadurch die Bestimmungen der §§ 7 Abs. 1 StVO, § 5 Abs. 2 und 4 StVO sowie § 102 Abs. 5 lit. b KFG übertreten, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von EUR 43,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden), EUR 1.162,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 360 Stunden), und EUR 21,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) verhängt wurden.

In der Begründung gab die belangte Behörde unter anderem den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder, in der dieser zusammengefasst vorgebracht habe, dass er sich immer an das Rechtsfahrgebot gehalten, die Durchführung eines Alkotests nie verweigert und den Zulassungsschein immer im Wagen mitgeführt habe.

Die belangte Behörde führte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, in der der Beschwerdeführer sowie die drei am Geschehen beteiligten Beamten einvernommen wurden. Sie stellte im angefochtenen Bescheid folgenden Sachverhalt fest:

"(Der Beschwerdeführer) fuhr am 24.02.2006 als Fahrzeuglenker ... im Gemeindegebiet von W. Nächst ... lenkte (der Beschwerdeführer) sein Fahrzeug in einer starken Rechtskurve auf den linken Fahrstreifen und kam mit seinem Fahrzeug auf das in Fahrtrichtung gesehen linke Bankett, obwohl es ihm zumutbar war, sein Fahrzeug im gegenständlichen Bereich auf dem in Fahrtrichtung gesehen rechten Fahrstreifen zu lenken. Auch daran anschließend wurde das gegenständliche Fahrzeug in leichten Schlangenlinien gelenkt. ...

Diese Fahrweise wurde vom Zeugen GI M. dienstlich wahrgenommen, der hinter dem (Beschwerdeführer) seinen Dienstkraftwagen lenkte. Im Rahmen der durch GI M. darauf anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle in W. verlangte GI M. vom (Beschwerdeführer) den Führerschein sowie den Zulassungsschein. Der (Beschwerdeführer) übergab den Führerschein, der Zulassungsschein wurde nicht ausgehändigt.

Aufgrund der vorangegangenen Fahrweise und der im Rahmen der Lenker- und Fahrzeugkontrolle festgestellten deutlichen Bindehautrötung, forderte GI M. den (Beschwerdeführer) an Ort und Stelle auf, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Der Alkomat wurde von GI M. im Dienstfahrzeug mitgeführt.

Der (Beschwerdeführer) verweigerte trotz dreimaliger Aufforderung und Aufklärung über die Rechtsfolgen einer Verweigerung den Alkotest, indem er der Aufforderung nicht nachkam und diese ignorierte.

Nach Beendigung der Amtshandlung vor Ort erschien der nunmehrige (Beschwerdeführer) in Begleitung seines Vaters auf der Polizeiinspektion Wieselburg, um sich einem Alkotest zu unterziehen. Diesem Ersuchen wurde nicht nachgekommen.

Eine am 24.2.2006, um 21.10 Uhr, am Landesklinikum M. bei (dem Beschwerdeführer) durchgeführte Blutuntersuchung ergab zum Messzeitpunkt einen Alkoholgehalt des Blutes von 0,0 Promille."

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Feststellung über das Lenken in den linken Fahrstreifen ergebe sich aus der schlüssigen, widerspruchsfreien und glaubwürdigen Aussage des Zeugen GI M. Dieser Zeuge sei unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers gefahren und habe daher eine besonders gute Beobachtungssituation gehabt. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Begründung für das Lenken des Fahrzeuges nach links zur Straßenmitte, nämlich das Ausweichen vor einem Feldhasen am rechten Fahrbahnrand, sei somit nicht glaubwürdig. Die Feststellung über die Verweigerung des Alkotests ergebe sich aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen GI M. sowie dem Inhalt der Anzeige vom 26. Februar 2006. Die Feststellung über das Vorhandensein eines Alkomaten in dem vom Zeugen GI M. gelenkten Dienstfahrzeug ergebe sich aus dessen klarer Aussage sowie dem Inhalt der Anzeige vom 26. Februar 2006. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsschein einem Organ der Straßenaufsicht trotz Verlangens nicht ausgehändigt habe, ergebe sich ebenfalls aus der glaubwürdigen Aussage des Zeugen GI M. sowie aus dem Inhalt der Anzeige vom 26. Februar 2006. Das Ergebnis der Blutuntersuchung ergebe sich aus dem Befund des Landesklinikums M. vom 28. Februar 2007.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von vorwerfbaren Übertretungen der im Spruch genannten Strafbestimmungen durch den Beschwerdeführer aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Beschwerde richtet sich der Beschwerdeführer in erster Linie gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde und gibt zum Beleg von deren Unschlüssigkeit mehrere seiner Ansicht nach widersprüchliche Angaben der vernommenen Beamten wieder. Die belangte Behörde habe sich mit diesen Widersprüchen ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit der Aussage des Beschwerdeführers.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwatungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0288, mwN).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Beschwerdefall als unschlüssig. Allein die Hinweise auf die "schlüssige", "glaubwürdige" bzw. "widerspruchsfreie" Aussage des Zeugen GI M. können die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht tragen, zumal sich die belangte Behörde mit der Aussage des Beschwerdeführers nicht näher auseinander gesetzt hat. Es fehlt unter anderem an einer Befassung mit der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2007, in der der Beschwerdeführer einen zur Darstellung der übrigen Zeugen konträren Ablauf des Geschehens angegeben hat. Einzig im Zusammenhang mit der Erklärung des Beschwerdeführers, er habe sein Fahrzeug wegen eines am Fahrbahnrand befindlichen Feldhasen nach links gezogen, findet seine Aussage im angefochtenen Bescheid Erwähnung. Indem die belangte Behörde die Unglaubwürdigkeit dieser Aussage mit der "guten Beobachtungssituation" des nachfahrenden Beamten begründete, ist die Beweiswürdigung jedoch auch in diesem Punkt unschlüssig, weil der nachfahrende Beamte in der mündlichen Verhandlung gar nicht nach dem Vorhandensein von Hasen gefragt wurde bzw. keine Angaben in diese Richtung gemacht hat.

Da die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das über den in der genannten Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand hinausgehende Begehren war abzuweisen.

Wien, am 5. September 2008

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Allgemeinfreie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008020029.X00

Im RIS seit

26.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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