TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/9 2007/06/0056

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des FW in E, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Dezember 2006, Zl. FA13B- 12.10-E-79/2006-4, betreffend Antrag auf Gewährung einer Akteneinsicht i.Z.m. Beseitigungsanträgen (mitbeteiligte Partei:

1. Marktgemeinde E, vertreten durch die Bürgermeisterin; 2. FP, H), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2008, Zl. 2006/06/0263, verwiesen werden. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens war ein Antrag des Beschwerdeführers vom 24. August 2005 (bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangt am 25. August 2005), in dem er in Bezug auf näher dargestellte Baumaßnahmen im Grenzbereich eines seinem Grundstück unmittelbar benachbarten Grundstückes zur Abwendung einer Gefährdung bzw. unzumutbaren Belästigung des Beschwerdeführers gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG u.a. die Beseitigung der baulichen Maßnahmen beantragt hatte.

Die Bürgermeisterin der mitbeteiligten Marktgemeinde hatte diesen Antrag "auf Verfügung der Baueinstellung und Erlassung eines Beseitigungsauftrages" betreffend das Bauvorhaben der Errichtung einer Seniorenwohnparkanlage bestehend aus 14 eingeschoßigen Einfamilienwohnhäusern mit angebauter Garage sowie dem planlich dargestellten Geländeveränderungen, Hauskanalanlagen und Stützmauern mit Bescheid vom 2. November 2005 abgewiesen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde hatte die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3. Mai 2006 als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde hatte die gegen den im Beseitigungsverfahren ergangenen Berufungsbescheid erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 5. September 2006 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers mit dem angeführten Erkenntnis vom 8. Mai 2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Ansicht, dass sich der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag vom 24. August 2005 gegen eine an der Grundstücksgrenze vorgenommene, mehr als 6 m hohe Niveauanhebung gewendet und auch einen vermuteten Zusammenhang mit dem Murenabgang bzw. der Hangrutschung auf seinem Grundstück angesprochen habe. Er habe daher mit seinem Vorbringen das Nachbarrecht gemäß § 65 Abs. 1 dritter Satz Stmk. BauG ausreichend geltend gemacht. Da dem Beschwerdeführer in den Bauakt keine Akteneinsicht gewährt worden sei, habe von ihm auch kein eingehenderes Vorbringen zur allfälligen Konsenslosigkeit der vorgenommenen Geländeveränderung verlangt werden können. Wenn sich die belangte Behörde ohne nähere Begründung darauf berufe, dass sich auf Grund des Ortsaugenscheines die Konsensgemäßheit der bisherigen Bauführung ergeben hätte, könne dies nicht als ausreichende Begründung dafür angesehen werden, dass die vom Beschwerdeführer gerügte Geländeanhebung um 6 m als konsensgemäß zu beurteilen wäre. Aus der im Akt einliegenden Baubewilligung samt Plänen sei eine Bewilligung einer wie im Antrag vom 24. August 2005 beschriebenen Geländeanhebung an der Grundgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.

Der Vertreter des Beschwerdeführers beantragte im baupolizeilichen Verfahren bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 9. Mai 2006 die Akteneinsicht in den betreffenden Baubewilligungsakt. Die erstinstanzliche Behörde hatte in ihrer Entscheidung u.a. darauf abgestellt, dass die bezogenen baulichen Maßnahmen auf dem Nachbargrundstück der erteilten Baubewilligung entsprächen.

Mit Erledigung der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 26. Mai 2006 war dieser Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht abgewiesen worden. Das Bauverfahren betreffend die Seniorenwohnparkanlage des Zweitmitbeteiligten sei rechtskräftig abgeschlossen, der Beschwerdeführer habe in diesem Verfahren mangels Erhebung von Einwendungen keine Parteistellung gehabt, weshalb ihm auch kein Recht auf Akteneinsicht in diesen Bauakt zustehe.

In der dagegen erhobenen Berufung hatte der Beschwerdeführer insbesondere geltend gemacht, dass der Bauakt Seniorenwohnparkanlage des Zweitmitbeteiligten eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für den erstinstanzlichen Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. November 2005 und den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Mai 2006 (beide betreffend den angeführten Beseitigungsauftrag des Beschwerdeführers) gebildet habe und dem Beschwerdeführer durch die Verweigerung der Akteneinsicht die Möglichkeit genommen worden sei, diese Bescheide, die mehrmals auf den Bauakt Bezug nähmen, umfassend zu prüfen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde hatte diese Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe in dem bezogenen Baubewilligungsverfahren seine Parteistellung als Nachbar mangels Erhebung von Einwendungen verloren.

Über die vom Beschwerdeführer gegen den genannten Berufungsbescheid vom 18. Oktober 2006 betreffend einen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht erhobene Vorstellung entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid. Auch diese Vorstellung wies sie als unbegründet ab. Sie führte im Wesentlichen aus, die Berufungsbehörde habe zutreffend festgestellt, dass im Falle des Verlustes der Parteistellung im Sinne des § 27 Abs. 1 Stmk. BauG, wie dies für den Beschwerdeführer zutreffe, der im Baubewilligungsverfahren hinsichtlich der Seniorenwohnparkanlage seine Parteistellung verloren habe, somit auch das Recht auf Akteneinsicht, das mit der Parteistellung untrennbar verbunden sei. Dass der Beschwerdeführer die Parteistellung verloren habe, werde auch von ihm selbst nicht in Abrede gestellt. Die Berufungsbehörde habe daher dem Beschwerdeführer zu Recht die Akteneinsicht in den rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsakt verweigert. Diesbezüglich könnten auch die Ausführungen des Beschwerdeführers nichts ändern, wenn er meine, dass er eine Akteneinsicht zur Beurteilung der Vorschriftsmäßigkeit der errichteten baulichen Anlage benötige. Hiezu habe nämlich die Berufungsbehörde "völlig eindeutig" dargelegt, dass das tatsächlich errichtete Projekt der Baubewilligung entspreche. Diesbezüglich sei auch bereits ein Bescheid hinsichtlich des Antrages auf Erlassung eines Baueinstellungs- bzw. Beseitigungsauftrages erlassen worden, der von der Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 5. September 2006 bestätigt worden sei und gegen den eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig sei. Der Beschwerdeführer könne nicht über den Umweg des Antrages auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren, in dem er seine Parteistellung verloren habe, das Recht auf Akteneinsicht erhalten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz AVG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung muss auf Verlangen allen an einem Verfahren beteiligten Parteien die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung sind Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht kein Rechtsmittel zulässig.

Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, dass sich die Baubehörden in ihren Entscheidungen in dem auf seinen Antrag eingeleiteten baupolizeilichen Verfahren auf den Inhalt des Bauaktes der Seniorenwohnparkanlage des Zweitmitbeteiligten stützten und dem Beschwerdeführer gleichzeitig durch die Verweigerung der Akteneinsicht in diesen Bauakt die Möglichkeit nähmen, die Entscheidungen der Baubehörden umfassend zu überprüfen. Es könne nicht sein, dass sich die Baubehörden in ihren Entscheidungen auf Unterlagen stützen könnten, die sie in weiterer Folge dem Beschwerdeführer vorenthalten könnten. Da der Inhalt des Bauaktes eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die vom Beschwerdeführer am 24. August 2005 gestellten Anträge und für die darauf folgenden Entscheidungen der Baubehörden erster und zweiter Instanz darstelle, sei dem Beschwerdeführer das Recht auf Parteiengehör durch Akteneinsichtnahme zu gewährleisten.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Der vorliegende Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in den in Frage stehenden Baubewilligungsakt ist im Zuge des anhängigen, auf Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten baupolizeilichen Verfahrens u.a. auf Beseitigung bestimmter baulicher Maßnahmen auf dem Nachbargrundstück gestellt worden. Der Beschwerdeführer hatte in diesem baupolizeilichem Verfahren gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG als Nachbar Parteistellung. Der Antrag auf Akteneinsicht hat sich auf den Baubewilligungsakt jenes Projektes bezogen, gegen das sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Beseitigung baulicher Maßnahmen gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG richtete. Die erstinstanzliche Behörde stützte sich bei ihrer Erledigung u.a. maßgeblich darauf, dass die bezogenen baulichen Maßnahmen der Baubewilligung entsprächen. Die im Baubewilligungsverfahren erteilte Baubewilligung stellte somit eine Entscheidungsgrundlage in dem anhängigen baupolizeilichen Verfahren dar. Das Recht auf Akteneinsicht soll den Parteien eines Verfahrens ermöglichen, genaue Kenntnis vom Gang des Verfahrens und von den Entscheidungsgrundlagen in diesem Verfahren zu erlangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, VwSlg. Nr. 12.553/A). Die Verweigerung der Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verfahrens stellt gleichgültig, ob die Einsicht in die Akten des anhängigen oder eines anderen Verfahrens begehrt wird, im Hinblick auf § 17 Abs. 4 AVG immer eine Verfahrensanordnung dar, die der Partei des anhängigen Verfahrens Anlass geben kann, dieses als mangelhaft zu bekämpfen, die aber nicht gesondert angefochten werden kann (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 394, die in E. 46 angeführte hg. Judikatur). Die Verweigerung der Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verfahrens stellt auch dann eine bloße Verfahrensanordnung dar, wenn sie in die äußere Form eines Bescheides gekleidet ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 394, die in E. 47 angeführte hg. Judikatur). Die Entscheidung der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Mai 2006 stellte somit jedenfalls eine bloße Verfahrensanordnung dar, die Berufungsbehörde hätte daher das dagegen erhobene Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen gehabt. Die belangte Behörde hätte die von der Berufungsbehörde in der Sache ergangene Entscheidung, die der Rechtskraft fähig ist, wegen der dadurch jedenfalls berührten Rechte des Beschwerdeführers aufheben müssen. In dem Falle, dass die Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verfahrens verweigert wird, steht der Partei die Möglichkeit offen, die Verweigerung der Akteneinsicht als wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend zu machen. Angemerkt wird, dass der Verwaltungsgerichtshof die Verweigerung der Akteneinsicht als nicht gerechtfertigt ansähe, da die der Baubewilligung entsprechende Ausführung des Vorhabens eine wesentliche Grundlage für die Entscheidungen im baupolizeilichen Verfahren war.

Indem die belangte Behörde die dargestellte Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. September 2008

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenVerfahrensbestimmungenIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007060056.X00

Im RIS seit

14.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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