TE Vwgh Beschluss 2008/9/18 2008/21/0213

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Index

E1E;
E3L E02100000;
E3L E05100000;
E3L E19100000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §54;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:2007/21/0271 B 22. November 2007 Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2007/21/0271 B 22. November 2007 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62007CO0551 19. Dezember 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2007, Zl. 149.869/2-III/4/07, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte, den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in der hg. Beschwerdesache Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009) angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.

Begründung

Der Mitte März 2005 nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Libanon, ist seit 27. Oktober 2005 mit einer in Österreich unselbständig erwerbstätigen deutschen Staatsbürgerin verheiratet. Unter Berufung auf diese Ehe beantragte der Beschwerdeführer als Ehemann einer freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgerin mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2006 die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte (§ 54 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG). Im Hinblick auf einen noch nicht rechtskräftig erledigten Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ist er seit 15. März 2007 im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. November 2007 wurde der erwähnte Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG zurückgewiesen. Das begründete die belangte Behörde primär damit, dass das NAG nach der genannten Bestimmung auf den Beschwerdeführer als Asylwerber mit vorläufiger asylrechtlicher Aufenthaltsberechtigung nicht anwendbar sei. In einer Eventualbegründung vertrat die belangte Behörde noch die Auffassung, der Beschwerdeführer erfülle auch nicht die Voraussetzungen nach der RL 2004/38/EG, weil seine Ehefrau die Freizügigkeit erst in Anspruch genommen habe, als sich der Beschwerdeführer bereits in Österreich aufgehalten habe, sodass dem Erfordernis des "Begleitens oder Nachziehens" nicht entsprochen worden sei.

Mit hg. Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009), wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?

b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?

c) Wenn sich aus der Beantwortung der Fragen 1. a) und b) aus der RL kein Aufenthaltsrecht eines 'bloß' als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigten Familienangehörigen, der unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ergibt: Lässt sich dessen ungeachtet in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Familienangehörige seit knapp vier Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort ein Jahr mit einem Unionsbürger - mit dem er seit rd. dreieinhalb Jahren zusammenlebt und mit dem er ein 20 Monate altes gemeinsames Kind hat - verheiratet ist, aus den Art. 18 bzw. 39 EG im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens ein Recht zum Aufenthalt ableiten?

2. Stehen die Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der RL einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der RL, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte ('Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers') erhalten können, weil sie nach asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats (vorläufig) zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind?"

Diese Fragen bilden (zum Teil) auch im gegenständlichen Fall Vorfragen, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von diesem Gerichtshof zu entscheiden sind.

Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass - im Sinne des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers - mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den eine ähnliche Konstellation betreffenden hg. Beschluss vom 31. März 2008, Zl. 2007/21/0537).

Wien, am 18. September 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210213.X00

Im RIS seit

05.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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