TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/3 2008/10/0015

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Veröffentlicht am 03.10.2008
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §60;
SHG Wr 1973 §13 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Magistrats der Stadt Wien, 1030 Wien, Thomas Klestil Platz 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, 1190 Wien, Muthgasse 64, vom 18. Dezember 2007, Zl. UVS-SOZ/V/7/8209/2005-5, betreffend Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (mitbeteiligte Partei: W J in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0170, verwiesen. Der für das Beschwerdeverfahren relevante Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 gewährte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, Dezernat VII, Zentrum für den

3. und 11. Bezirk (im Folgenden: Magistrat der Stadt Wien), dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Februar 2005 bis inklusive 1. April 2005 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von EUR 1.250,60. Dabei wurde der Richtsatz für drei Minderjährige für 60 Tage und die laut Richtsatzverordnung vorgesehene Höchstmiete für Februar und März 2005 gewährt. Für den Mitbeteiligten selbst wurde kein Richtsatz zuerkannt, da er der Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung am 7. Dezember 2004 trotz Hinweis auf die Folgen seines Verhaltens nicht entsprochen habe.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 hatte der Magistrat der Stadt Wien dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis inklusive 1. Dezember 2004 zur Sicherung des Lebensunterhaltes eine Geldaushilfe in Höhe von EUR 1.521,10 gewährt. Dabei wurde der dem Mitbeteiligten gewährte Richtsatz für einen Erwachsenen um 50 % gekürzt, der Richtsatz für drei Kinder und die laut Richtsatzverordnung vorgesehene Höchstmiete für November 2004 zuerkannt. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 13 Abs. 5 WSHG sei der Richtsatz bis zu 50 % zu unterschreiten, wenn der Hilfesuchende trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit (§ 9 Abs. 1) nicht gewillt sei, seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen.

Mit Spruchpunkt 1.) des Berufungsbescheides vom 11. August 2005 gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 11. Februar 2005 insofern Folge, als ihm für den Zeitraum vom 2. Februar 2005 bis inklusive 1. April 2005 eine Geldaushilfe von EUR 2.190,90 (anstelle von EUR 1.250,60) gewährt und weiters ausgesprochen wurde, dass der Mitbeteiligte auch im genannten Zeitraum Anspruch auf Krankenhilfe (§ 16 WSHG) gehabt habe. Für den Monat März 2005 wurde dem Mitbeteiligten "bedingt und nur für den Fall, dass der entsprechende Teilbetrag für die Energierechnung (Gasetagenheizung) nicht bereits mit einem anderen Bescheid rechtskräftig zuerkannt wurde", eine Heizbeihilfe in Höhe von EUR 136,80 gewährt.

Mit Spruchpunkt 2.) dieses Berufungsbescheides wurde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 28. Oktober 2004 insoweit Folge gegeben, als ihm für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis inklusive 1. Dezember 2004 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von EUR 1.912,63 (anstelle von EUR 1.521,10) gewährt und weiters ausgesprochen wurde, dass er auch im genannten Zeitraum Anspruch auf Krankenhilfe (§ 16 WSHG) gehabt habe. Für den Monat November 2004 wurde wiederum "bedingt und nur für den Fall, dass der entsprechende Teilbetrag für die Energierechnung (Gasetagenheizung) nicht bereits mit einem anderen Bescheid rechtskräftig zuerkannt wurde", eine Heizbeihilfe in Höhe von EUR 136,80 gewährt.

Die dagegen erhobene, zur Zl. 2005/10/0170 protokollierte Beschwerde des Magistrats der Stadt Wien richtete sich lediglich gegen die bedingte Zuerkennung der Heizbeihilfe für die Monate März 2005 und November 2004 sowie gegen den Zuspruch von 100 % des Richtsatzes für einen Erwachsenen anstatt von 50 % dieses Richtsatzes für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004.

Mit Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0170, hob der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid vom 11. August 2005 im angefochtenen Umfang auf - und zwar, soweit damit Heizbeihilfe in Höhe von jeweils EUR 136,80 für die Monate März 2005 und November 2004 zuerkannt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen (Zuerkennung von 100 % des Richtsatzes für den Zeitraum von 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungsbehörde dürfe sachlich nicht über "mehr" entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz gewesen sei. Da die Sozialhilfebehörde erster Instanz mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 11. Februar 2005 und 28. Oktober 2004 nicht über Anträge auf Gewährung von Heizbeihilfe entschieden habe, sei die belangte Behörde nicht zuständig gewesen, Heizbeihilfe zuzuerkennen. Hinsichtlich des Zuspruches von 100 % des Richtsatzes für einen Erwachsenen anstatt 50 % dieses Richtsatzes für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004 wurde (zusammengefasst) ausgeführt, der im erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Oktober 2004 der mitbeteiligten Partei gewährte Richtsatz für einen Erwachsenen sei gemäß § 13 Abs. 5 zweiter Satz WSHG um 50 % gekürzt worden, weil der Mitbeteiligte trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit nicht gewillt gewesen sei, seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen. Die Beurteilung der Frage, ob ein Hilfesuchender gewillt sei, seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen, habe zeitraumbezogen zu erfolgen. Sei der vom Antrag erfasste Zeitraum im Zeitpunkt der Entscheidung schon verstrichen, so habe eine abschließende, vollständige Feststellung und Beurteilung der maßgebenden Umstände zu erfolgen, was die belangte Behörde unterlassen habe. Der angefochtene Bescheid sei daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) VwGG aufzuheben gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom 18. Dezember 2007 entschied die belangte Behörde über die Berufungen des Mitbeteiligten gegen die Bescheide der beschwerdeführenden Partei vom 11. Februar 2005 und 28. Oktober 2004 neuerlich wie folgt:

Mit Spruchpunkt 1.) gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 11. Februar 2005 insofern Folge, als sie dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Februar 2005 bis inklusive 1. April 2005 eine Geldaushilfe in Höhe von EUR 2.190,90 (anstelle von EUR 1.250,60) gewährte und weiters aussprach, der Mitbeteiligte habe auch im gegenständlichen Entscheidungszeitraum Anspruch auf Krankenhilfe gehabt.

Mit Spruchpunkt 2.) gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 28. Oktober 2004 insofern Folge, als sie dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis inklusive 1. Dezember 2004 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von EUR 1.912,63 gewährte und weiters aussprach, der Mitbeteiligte habe auch im gegenständlichen Entscheidungszeitraum Anspruch auf Krankenhilfe gehabt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2007 zunächst aus, die belangte Behörde sei in zweiter Instanz nicht zuständig gewesen, Heizbeihilfe zuzuerkennen, da die erstinstanzliche Behörde nicht über Anträge auf Gewährung von Heizbeihilfe abgesprochen habe. Daher sei mangels Zuständigkeit bei neuerlicher Absprache über die Berufungen keine Heizbeihilfe für die Monate November 2004 und März 2005 zuzuerkennen gewesen.

Hinsichtlich des Richtsatzes des Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004 vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, es habe eine abschließende, vollständige Feststellung und Beurteilung der maßgebenden Umstände zu erfolgen, wenn der vom Antrag erfasste Zeitraum im Zeitpunkt der Entscheidung schon verstrichen sei. Bei Konzeption des angefochtenen Ersatzbescheides im Dezember 2007 sei der vom Antrag des Mitbeteiligten erfasste Zeitraum bereits seit mehr als drei Jahren verstrichen gewesen. Im Oktober 2006 habe der Mitbeteiligte erstmals wieder seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitsmarktservice geltend gemacht und in diesem Sinne auch versucht, seine Arbeitskraft einzusetzen. "Nach einer neuerlichen Unterbrechung" habe der Mitbeteiligte erst im Sommer 2007 die entsprechenden Schritte fortgesetzt. Dies stelle jedoch eine wesentliche Änderung der Umstände dar, die bei der neuerlichen Entscheidung über den zu gewährenden Richtsatz für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004 in die Entscheidung mit einzubeziehen sei. Aus diesem Grund und im Hinblick auf den Erfolg späterer Maßnahmen sowie in Ansehung der Familiensituation des Mitbeteiligten sei dem Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004 unter Zugrundelegung von 100 % des Richtsatzes für einen Erwachsenen beziehungsweise für einen Erwachsenen und drei Kinder eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von EUR 1.912,63 zu gewähren.

Lediglich gegen den Zuspruch von 100 % des Richtsatzes für einen Erwachsenen anstatt von 50 % dieses Richtsatzes für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004 richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde abzuweisen.

Der Mitbeteiligte erstattete keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind die Verwaltungsbehörden somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden (vgl. Mayer,Kurzkommentar zum B-VG4, § 63 VwGG II. und III., z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2002/10/0211).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0170, hinsichtlich des Richtsatzes des Mitbeteiligten für den Zeitraum vom 2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004, explizit folgende Rechtsanschauung zum Ausdruck gebracht:

"Zutreffend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Oktober 2004 der der mitbeteiligten Partei gewährte Richtsatz für einen Erwachsenen gemäß § 13 Abs. 5 zweiter Satz WSHG um 50 % gekürzt wurde, weil die mitbeteiligte Partei trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit nicht gewillt sei, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen. Die Beurteilung der Frage, ob ein Hilfesuchender gewillt ist, seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen, hat zeitraumbezogen zu erfolgen (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 95/08/0271, mwN). Ist der vom Antrag erfasste Zeitraum im Zeitpunkt der Entscheidung schon verstrichen, so hat eine abschließende, vollständige Feststellung und Beurteilung der maßgebenden Umstände zu erfolgen (vgl. dazu ebenfalls das Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 95/08/0271, und das Erkenntnis vom 26. Februar 1986, Zl. 85/11/0283). Gemäß § 60 AVG sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage in der Bescheidbegründung klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. hiezu und zum erforderlichen Inhalt der zu treffenden Feststellungen jeweils im Zusammenhang mit der Beurteilung der Arbeitswilligkeit Hilfesuchender im Sozialhilferecht - abgesehen von den schon zitierten Erkenntnissen - etwa die Erkenntnisse vom 17. September 1986, Zl. 86/11/0036, vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/11/0260, und vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0032). Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) VwGG aufzuheben."

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der nach dem aufhebenden Erkenntnis maßgeblichen Frage der Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers im Zeitraum, über den sie zu entscheiden hatte (2. Oktober 2004 bis 1. Dezember 2004), überhaupt nicht auseinander gesetzt und die entscheidungswesentlichen Tatsachen (neuerlich) nicht festgestellt, sondern sich vielmehr lediglich auf nach dem fraglichen Zeitraum eingetretene - und somit nicht entscheidungswesentliche - Umstände bezogen.

Da somit die belangte Behörde unter Außerachtlassen der aus § 63 Abs. 1 VwGG abzuleitenden Bindungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0170, die darin geäußerte Rechtsanschauung des Gerichtshofes nicht beachtet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Das Begehren der beschwerdeführenden Partei auf Aufwandersatz war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008100015.X00

Im RIS seit

04.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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