TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/9 2008/11/0116

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs1 Z2;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Mai 2008, Zl. UVS-FSG/12/2037/2008- 1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Mai 2008 entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Zeit von 20 Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 28. Feber 2008) und sprach für denselben Zeitraum ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG aus. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. September 2007 zu Grunde. Mit diesem wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"(Der Beschwerdeführer) ..... hat ....

A./

gewerbsmäßig Suchtgift in großen Mengen (§ 28 Abs 6 SMG) zu erzeugen versucht, indem er ca. Anfang Mai 2007 228 Cannabispflanzen anbaute und bis zum 01. 06. 2007 pflegte, um sie bis zur Erntereife aufzuziehen und Marihuana im Bereich von jedenfalls mehr als einem Kilo zu gewinnen;

B./

um den 01. 06. 2007 Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich zumindest 4 teils angeschnittene Platten mit insgesamt 767,9 g Haschisch und insgesamt 229,8 g Marihuana mit dem Vorsatz, dass es später in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen;

C./

Suchtgift

I./

erworben und besessen, und zwar von einem nicht mehr

feststellbaren Zeitpunkt an bis ca. 01. 06. 2007 gelegentlich

Kokain und Marihuana für den Eigenkonsum,

II./

anderen überlassen, indem er

1./ in der Zeit von ca. Winter 2006 bis Ende Mai 2007 insgesamt rund 200 g Haschisch und Marihuana T. im Austausch gegen Kokain überließ;

2./ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt an bis ca. Mai 2007 Sch. wiederholt geringe Mengen Haschisch kostenlos überließ:

Er hat hiedurch

zu A./: das versuchte Verbrechen nach § 15 StGB, § 28 Abs. 2, 1. Fall, und Absatz 3, 1. Fall, SMG;

zu B./: das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG;

zu C./: das Vergehen nach § 27 Abs 1, 1., 2. und 6. Fall, SMG

begangen und wird hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 3 SMG zu einer

Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten

sowie gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung weiters aus, im Hinblick auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung gemäß § 28 Abs. 2 SMG sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 FSG verwirklicht habe. Auf Grund der Wertung dieser Tatsache komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer verkehrsunzuverlässig sei. Er habe nämlich eine das Mindestmaß einer "großen Menge" im Sinne des § 28 Abs. 6 SMG deutlich übersteigende Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, was besonders verwerflich sei. Es sei davon auszugehen, dass das Inverkehrsetzen von Suchtmitteln typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen wesentlich erleichtert würde. Die seit der letzten Straftat verstrichene Zeit sei noch zu kurz, um aus dem seitherigen Verhalten des Beschwerdeführers Schlüsse in der Richtung zu ziehen, dass mit der Begehung weiterer schwerer Suchtgiftdelikte nicht mehr zu rechnen sei. Unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe aus dem Strafurteil müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer noch für einen Zeitraum von 20 Monaten ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend,

... .

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ...

..."

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde zum Inhalt des strafgerichtlichen Urteils nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof legt der folgenden Beurteilung die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde zu Grunde.

Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG kann die Ansicht der belangten Behörde, im Falle des Beschwerdeführers sei eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 FSG verwirklicht, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde wendet sich gegen die festgesetzte Dauer der Entziehung und verweist darauf, dass sich der Beschwerdeführer einer Therapie unterzogen habe und die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Psychologen zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers hätte einholen müssen. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die belangte Behörde die Wertung der bestimmten Tatsache zu Unrecht zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommen habe.

Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass es zur Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers im gegebenen Zusammenhang nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 30. September 2002, Zl. 2002/11/0158). Im Übrigen jedoch ist die Beschwerde im Ergebnis zielführend.

Die belangte Behörde hat zutreffend im Rahmen der Wertung der bestimmten Tatsache die besondere Verwerflichkeit der gegenständlichen Suchtgiftdelikte und vor allem die große Menge des Suchtmittels, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, hervorgehoben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verbrechen nach § 28 SMG wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen als besonders verwerflich im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG einzustufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0291, mwN). Daher kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde unter Berücksichtigung des längeren Tatzeitraumes sowie des im Strafurteil im Rahmen der Strafzumessungsgründe erwähnten einschlägigen Vordeliktes ("einschlägige Vorstrafe") zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und daran anschließend noch für mindestens drei Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen.

Hingegen erweist sich die aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei für den Zeitraum von 20 Monaten ab Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, somit - wenn man auf das hier relevante versuchte Verbrechen gemäß § 28 Abs. 2 SMG abstellt, in Ansehung dessen sich nach dem Strafurteil der Tatzeitraum bis Anfang Juni 2007 erstreckt hat - für den Zeitraum von rund 29 Monaten ab Tatende als verkehrsunzuverlässig anzusehen, als rechtswidrig.

Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 FSG genügt es nicht, dass die Begehung weiterer Straftaten bloß nicht ausgeschlossen werden kann, sondern es muss die Annahme begründet sein, dass der Betreffende sich während des Entziehungszeitraumes "sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Feber 2003, Zl. 2001/11/0335, mit weiterem Hinweis).

Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers hat sich auf Marihuana bezogen und ist nicht in einer derart gravierenden Weise als verwerflich anzusehen, wie wenn es sich um so genannte harte Drogen gehandelt hätte.

Vor diesem Hintergrund ist - unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt wurde - nicht erkennbar, dass im Beschwerdefall im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 FSG noch mit einer Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers in der von der belangten Behörde angenommenen Dauer gerechnet werden muss.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. Oktober 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008110116.X00

Im RIS seit

04.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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