TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/8 B1188/01

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Veröffentlicht am 08.10.2003
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Burgenland ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 2.143,68 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom 22. Jänner 2001 bei der Stadtgemeinde Mattersburg die Zuerkennung der Parteistellung und die Zustellung des baubehördlichen Bewilligungsbescheides im Bauverfahren betreffend die Errichtung eines in der Nähe ihres Grundstückes befindlichen Gastgewerbebetriebes. Die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. Februar 2001 unter Verweis auf §21 Abs1 Burgenländisches Baugesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1998, (idF: Bgld. BauG) ab. Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Mattersburg mit Bescheid vom 5. April 2001 mit derselben Begründung als unbegründet abgewiesen. Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg als Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß §79 Abs3 Burgenländische Gemeindeordnung wies die von der Beschwerdeführerin dagegen wiederum erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 5. Juli 2001 ebenfalls als unbegründet ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Beschwerdeführerin die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §21 Abs1 Bgld. BauG behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat §21 Abs1 bis 5 des Burgenländischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 10/1998, mit Erkenntnis vom 27. September 2003, G222/01, als verfassungswidrig aufgehoben.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

2. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G222/01 begann am 27. September 2003. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 21. August 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides u.a. die oben unter Pkt. I.4. bezeichnete, mit dem dort genannten Erkenntnis als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

5. Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt (vgl. z.B. VfSlg. 10.404/1985, 10.515/1985). Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 327 € und eine Eingabegebühr von 181,68 € enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1188.2001

Dokumentnummer

JFT_09968992_01B01188_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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