TE Vfgh Beschluss 2003/10/8 G1/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2003
beobachten
merken

Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
BankwesenG §62 Z1b idF FinanzmarktaufsichtsG BGBl I 97/2001

Leitsatz

Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens zur Prüfung einer Bestimmung des Bankwesengesetzes betreffend die Kriterien zur Bestellung als Bankprüfer; rechtliches Interesses des Beschwerdeführers im Anlaßverfahren an der Erlassung eines Feststellungsbescheides zur Sicherung der Berechtigung für eine künftige Bestellung gegeben; Voraussetzung der Zugehörigkeit zu einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als formales Qualitätsmerkmal nicht ausreichend determiniert

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller, ein beeideter Wirtschaftsprüfer, begehrt - gestützt auf Art140 Abs1 B-VG -, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. die vollständige Z1b des §62 BWG idF ArtII FMAG BGBl. I 2001/97, in eventu

1a. die vollständige Z1b des §62 BWG idF ArtII FMAG BGBl. I 2001/97 und den Satzteil '1b,' im §107 Abs26 BWG in eben dieser Fassung, in eventu

2. in der zitierten Z1b die Wortfolge 'der Bankprüfer nicht einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angehört oder nicht durch rechtsgeschäftliche Verbindung über einen gleichwertigen Zugang zu einer Gruppe von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfügt oder nicht auf andere Weise gleichartige Erfahrungen in die Bankprüfung einbringen kann;', in eventu

3. in der zitierten Z1b die Wortfolge 'der Bankprüfer nicht einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angehört oder nicht durch rechtsgeschäftliche Verbindung über einen gleichwertigen Zugang zu einer Gruppe von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfügt', in eventu

4. in der zitierten Z1b das Wort 'einer' (viertes Wort) und die Wortgruppe 'tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angehört oder nicht durch rechtsgeschäftliche Verbindung über einen gleichwertigen Zugang zu einer Gruppe von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfügt oder nicht auf andere Weise gleichartige', in eventu

5. wie unter 4. und zusätzlich die Wortgruppe 'diese Voraussetzung gilt nicht für die Prüfungsorgane gesetzlich zuständiger Prüfungseinrichtungen;' in eventu

6. in der zitierten Z1b die Wortgruppen 'durch rechtsgeschäftliche Verbindung' und 'Gruppe von' sowie im nachfolgenden Wort 'Wirtschaftsprüfungsgesellschaften' die beiden letzten Buchstaben 'en', in eventu

7. in der zitierten Z1b nur die Wortgruppe 'durch rechtsgeschäftliche Verbindung', in eventu

8. in der zitierten Z1b nur die Wortgruppe 'Gruppe von' und im nachfolgenden Wort 'Wirtschaftsprüfungsgesellschaften' die beiden letzten Buchstaben 'en', in eventu

9., 10. und 11. in der zitierten Z1b wie unter 6., in eventu 7., in eventu 8. und (jeweils) zusätzlich die Wortgruppe 'diese Voraussetzung gilt nicht für die Prüfungsorgane gesetzlich zuständiger Prüfungseinrichtungen;'"

als verfassungswidrig aufheben.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung des Antrages, in eventu den Ausspruch, daß die angefochtene Bestimmung nicht verfassungswidrig sei, beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen, und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 12.409/1990, 12.963/1992). Andernfalls gelange man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, der mit der grundsätzlichen Aufgabe eines Individualantrages, bloß subsidiärer Rechtsbehelf zu sein, unvereinbar wäre.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt den Standpunkt eingenommen, die rechtliche Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid zu erlangen, beseitige die Zulässigkeit des Individualantrages nach Art140 Abs1 B-VG dann nicht, wenn der einzige Zweck des Feststellungsbescheides darin bestünde, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen ein Gesetz bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den Gerichtshof heranzutragen (VfSlg. 12.227/1989, 13.576/1993, 13.738/1994, 13.743/1994, 14.591/1996). Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller selbst kurz nach Einbringung seines Individualantrages den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gestellt und einen Bescheid erhalten, mit dem die Behörde diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat. Diesen Bescheid hat der Antragsteller mit der auf Art144 Abs1 B-VG gestützten, zu B32/02 protokollierten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der §62 Z1b BWG, idF BGBl. I 97/2001, der auch mit dem vorliegenden Individualantrag angefochten wird, präjudiziell war, bekämpft. Damit war dem Antragsteller die Möglichkeit geboten, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Gesetzesstelle vorzutragen und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen anzuregen. Der Verfassungsgerichtshof hat auch aufgrund dieser Beschwerde von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet und die betreffende Gesetzesbestimmung mit Erkenntnis vom 25. September 2003, G5/03, aufgehoben.

2. Der Antrag war daher - ebenso wie die Eventualanträge - mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheid, Feststellungsbescheid, EU-Recht, Bankwesen, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Fristsetzung, Determinierungsgebot, VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G1.2002

Dokumentnummer

JFT_09968992_02G00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten