TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/4 2008/22/0556

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Veröffentlicht am 04.11.2008
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

EheG §23;
EheG §55a;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des OS in F, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 23. November 2005, Zl. Fr 1568/05, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein bis 30. Juni 2010 befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer habe am 15. Februar 1989 in der Türkei eine türkische Staatsangehörige geheiratet und es sei am 9. April 1996 eine eheliche Tochter geboren worden. Am 13. November 2002 sei diese Ehe geschieden worden. Der Beschwerdeführer habe am 7. März 2003 in Wien einen schriftlichen Asylantrag eingebracht und am 31. März 2003 die österreichische Staatsbürgerin Gudrun R geheiratet. Auf Grund dieser Ehe sei ihm eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Am 3. April 2003 habe er den Asylantrag zurückgezogen. Die letztgenannte Ehe sei am 2. Februar 2005 geschieden worden. Am 11. März 2005 habe er in der Türkei wieder seine frühere türkische Ehefrau geheiratet.

Gudrun R sei am 13. Mai 2005 vernommen worden und habe dabei im Wesentlichen angegeben, dass sie eine sogenannte "Scheinehe" eingegangen wäre und dafür Geld erhalten hätte.

Der Beschwerdeführer habe dies in einer schriftlichen Stellungnahme bestritten.

Gudrun R sei am 4. Juli 2005 nochmals vernommen worden und habe nun angegeben, es wäre "nur teilweise" eine Liebesheirat gewesen; sie wäre in der Folge zu ihrem früheren Lebensgefährten zurückgegangen, mit dem sie bereits seit acht Jahren zusammenleben würde; warum sie vom Beschwerdeführer Geld erhalten hätte, wüsste sie nicht und sie hätte die unterschiedlichen Aussagen gemacht, weil sie von den erhebenden Beamten "relativ zeitig in der Früh aufgeweckt und einvernommen worden sei (Anmerkung des Leiters: 15.45 Uhr)".

Als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens schloss die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer mit Gudrun R die Ehe nur deswegen geschlossen habe, um sich in einem Verfahren für die Erteilung des Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen zu können; es sei jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt und es sei für die Eheschließung ein Vermögensvorteil von EUR 2.000,-- geleistet worden. Die belangte Behörde berief sich dabei auf die ihr zustehende freie Beweiswürdigung und zog insbesondere die Angaben der Gudrun R bei ihrer ersten Vernehmung heran. Sie stützte sich weiters u.a. auf die vorangegangene Scheidung des Beschwerdeführers mit anschließender Wiederverheiratung in der Türkei.

In rechtlicher Hinsicht sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG als verwirklicht an und erachtete die Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - halte sich seit 25. Februar 2002 im Bundesgebiet auf und gehe seit April 2003 einer Tätigkeit als Landwirtschaftsarbeiter nach. Sein Vorbringen in der Stellungnahme vom 19. Juni 2005, wonach er sich bereits seit 15 Jahren in Österreich aufhalten würde, hätte von der erkennenden Behörde nicht verifiziert werden können.

Letztlich beurteilte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und als zulässig nach § 37 FrG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Nach Z 9 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2007, 2004/21/0268).

Eingangs ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Prüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer rechtsmissbräuchlich eingegangenen Ehe keinesfalls als unschlüssig werten kann. Die belangte Behörde durfte dabei durchaus die erste Aussage der Gudrun R sowie den Umstand heranziehen, dass der Beschwerdeführer sich vorher von seiner türkischen Ehefrau hat scheiden lassen und diese anschließend nach der Scheidung von seiner österreichischen Ehefrau wieder geheiratet hat. Hinzu kommt, dass Gudrun R in keiner Weise nachvollziehbar erklären konnte, warum ihre erste Aussage falsch gewesen sein soll.

Es ist anhand des festgestellten Sachverhalts auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG als verwirklicht und die Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt angesehen hat (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis 2004/21/0268).

Entgegen der Beschwerdemeinung steht der Umstand, dass die Ehe gemäß § 55a Ehegesetz im Einvernehmen geschieden wurde, keineswegs der behördlichen Beurteilung entgegen, dass die Ehe missbräuchlich geschlossen worden sei. Weder ist für eine derartige Beurteilung eine Nichtigerklärung der Ehe nach § 23 Ehegesetz erforderlich (vgl. für viele auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis 2004/21/0268), noch hindert eine nachfolgende einvernehmliche Scheidung eine derartige Feststellung über ein missbräuchliches Vorgehen. In dieser Wertung liegt entgegen der Beschwerdemeinung auch keine "Umdeutung" einer gerichtlichen Entscheidung.

In der Beschwerde wird behauptet, dass der Beschwerdeführer "aktenkundig" seit 1985 in Österreich niedergelassen sei. Die Behörde erster Instanz hatte festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit 6. Juli 2003 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und hatte überdies eine Aufenthaltsverfestigung mit einem Hinweis auf den "relativ kurzen Aufenthalt" in Österreich verneint. Da diese Feststellung in der Berufung in keiner Weise bekämpft wurde und auch sonst der Akteninhalt keine diesbezüglichen Anzeichen enthält - aktenkundig ist lediglich ein bereits 1999 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung -, durfte die belangte Behörde einen längeren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als nicht verifiziert ansehen. Damit ist dem sich auf einen langen Aufenthalt in Österreich berufenden Beschwerdevorbringen der Boden entzogen.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 FrG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Angesichts des noch nicht sehr langen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und des Fehlens familiärer Bindungen im Inland ist die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG nicht zu beanstanden.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 4. November 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220556.X00

Im RIS seit

12.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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