TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/11 2007/19/0275

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §17;
ZustG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Bernd Gahler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 21/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. Februar 2007, Zl. 240.927/0/7E-XIV/39/03, betreffend Abweisung eines Zustellantrages in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 2006 auf Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 7. August 2006 gemäß § 13 AVG iVm § 17 Zustellgesetz (ZustG) ab.

Begründend führte sie aus, sie habe mit Bescheid vom 7. August 2006 die Berufung des Beschwerdeführers in der ihn betreffenden Asylangelegenheit abgewiesen. Diesen Berufungsbescheid habe sie zunächst vergeblich an der aktenkundigen Anschrift des Beschwerdeführers in 1120 Wien, Ratschkygasse, zuzustellen versucht. Nach einer Anfrage beim Zentralen Melderegister sei der Berufungsbescheid an die neue Meldeadresse des Beschwerdeführers in 1120 Wien, Stachegasse, adressiert, infolge eines Nachsendeauftrages an die Anschrift 1120 Wien, Andersengasse, weitergesandt und am 7. September 2006 beim zuständigen Postamt hinterlegt worden. Dort sei sie vom Beschwerdeführer nicht behoben worden.

Am 30. Dezember 2006 habe der Beschwerdeführer den vorliegenden Zustellantrag gestellt und diesen wie folgt begründet:

"Am 20.7.2006 hatte ich meine letzte Einvernahme. Anlässlich dieser gab ich den einvernehmenden Beamten Bescheid, dass ich plane, umzuziehen. Eine genaue Adresse konnte ich damals noch nicht angeben. Seit 9.8.2006 bin ich Stachegasse, 1120 Wien gemeldet (siehe zentrales Melderegister). Offensichtlich wurde der zweitinstanzliche Bescheid an meine vorherige Adresse (Ratchky Gasse, 1120 Wien, gemeldet zwischen 30.12.2004 bis 9.8.2006) geschickt. (...)

Eine Abwägung zwischen meinen Pflichten als Empfänger und den Pflichten der zustellenden Behörde ergibt daher, dass es in meinem Fall (Mitteilung meiner Umzugspläne gegenüber der Behörde und hernach aufrechte Meldung im Melderegister) die Pflicht der Behörde war, den zweitinstanzlichen Bescheid an meine neue Adresse (Stachegasse, 1120 Wien) zu schicken."

Nach Auskunft des Zentralen Melderegisters sei der Beschwerdeführer seit 9. August 2006 an der Anschrift 1120 Wien, Stachegasse, aufrecht gemeldet. Da der Bescheid der belangten Behörde vom 7. August 2006 am 7. September 2006 rechtswirksam "an der aufrechten Meldeadresse" des Beschwerdeführers zugestellt worden sei, komme seinem Zustellantrag keine Berechtigung zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, der Berufungsbescheid der belangten Behörde sei infolge eines Nachsendeauftrages, der dem Beschwerdeführer völlig unbekannt sei, da er einen solchen nie erteilt habe, an der Adresse 1120 Wien, Andersengasse, hinterlegt worden. Die belangte Behörde irre, wenn sie meine, dass diese Zustellung rechtmäßig gewesen sei. Bei Vorliegen eines Nachsendeauftrages dürfe nämlich nur dann von einer wirksamen Zustellung ausgegangen werden, wenn am "Ort des Nachsendeauftrags" eine Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG bestehe. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, ob das im gegenständlichen Fall zutreffe. Sie habe dem Beschwerdeführer dazu auch kein Parteiengehör eingeräumt. Wäre das geschehen, so hätte der Beschwerdeführer darlegen können, dass er zum einen keinen Nachsendeauftrag erteilt und zum anderen an der Adresse 1120 Wien, Andersengasse, keine Abgabestelle besessen habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Der Beschwerdeführer ging - wie sein Zustellantrag zweifelsfrei erkennen lässt - davon aus, dass die belangte Behörde den Berufungsbescheid vom 7. August 2006 an seine frühere Wohnadresse 1120 Wien, Ratschkygasse, gesandt hatte. Gleichzeitig beantragte er, die neuerliche Zustellung an die nunmehrige Adresse in 1120 Wien, Stachegasse, vorzunehmen.

Tatsächlich hatte die belangte Behörde jedoch die Zustellung bereits an der zuletzt genannten Adresse versucht und war das Poststück - wie sich einem handschriftlichen Vermerk auf dem Rückschein entnehmen lässt - wegen eines angeblichen Nachsendeauftrages des Beschwerdeführers an die Adresse 1120 Wien, Andersengasse, weitergeleitet und nach zwei vergeblichen Zustellversuchen am 7. September 2006 beim Postamt hinterlegt worden. In weiterer Folge langte die Sendung unbehoben an die belangte Behörde zurück.

Diesen Sachverhalt legte die belangte Behörde auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde. Gleichzeitig ging sie erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer auch tatsächlich einen Nachsendeauftrag erteilt, an der Nachsendeadresse eine Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG hatte, und ihm dort somit rechtswirksam zugestellt werden konnte.

Wenn die Beschwerde diesen Sachverhaltsannahmen entgegen tritt, verstößt sie damit nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot, weil dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit geboten worden war, dazu im Verfahren vor der belangten Behörde Stellung zu nehmen.

Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens erweist sich die Abweisung des Zustellantrages aber als verfrüht.

Träfen die Beschwerdebehauptungen zu, so wäre der Berufungsbescheid mangels eines Nachsendeauftrages und einer an der Anschrift 1120 Wien, Andersengasse, bestehenden Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG nicht rechtswirksam zugestellt worden. Vor Klärung dieser Frage lässt sich nicht beurteilen, ob die Abweisung des gegenständlichen Zustellantrages zulässig war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 11. November 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007190275.X00

Im RIS seit

19.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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