TE Vfgh Beschluss 2003/11/24 B1146/01, V77/01

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Flächenwidmungsplanes mangels Darlegung der aktuellen Betroffenheit der Antragstellerin; keine Bekundung konkreter Bauabsichten; bloßer Hinweis auf Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit nicht ausreichend

Spruch

Der Antrag gemäß Art139 B-VG wird zurückgewiesen.

Die Behandlung der Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird abgelehnt.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die erstbeschwerdeführende Gesellschaft, Pächterin des im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers stehenden Grundstücks Nr. 717 KG Rum, beantragte am 17. September 1997 die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer "Großtankstelle". Der Bürgermeister der Marktgemeinde Rum wies diesen Antrag ab; die dagegen erhobene Berufung wurde vom - im Devolutionsweg zuständig gewordenen - Gemeinderat der Marktgemeinde Rum abgewiesen. Aufgrund einer Vorstellung der Beschwerdeführer hob die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 27. November 2000 den Bescheid des Gemeinderats auf. Daraufhin wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Rum die Berufung der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft gegen die erstinstanzliche Abweisung des Baubewilligungsantrags neuerlich ab - und zwar wegen Widerspruchs des Bauvorhabens zum mittlerweile in Kraft getretenen allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplan AE/013/07/2000, Beschluss des Gemeinderats der Marktgemeinde Rum vom 14. November 2000. Mit demselben Bescheid wies der Gemeinderat die Berufungen der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers mangels Parteistellung des Eigentümers des Baugrundstücks im Baubewilligungsverfahren als unzulässig zurück. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen gerichteten Vorstellungen der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

2. Einerseits richten die Einschreiter gegen diesen Bescheid eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde - vgl. zu dieser unten

III. Andererseits führen sie aus:

"Zur Beschwerdelegitimation:

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin [...] ist zu sagen, dass diese Bauwerberin im gegenständlichen Bauverfahren ist und dass diese deshalb auch legitimiert ist die gegenständliche Beschwerde einzubringen.

[...]

Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation der Grundeigentümer, nämlich [Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer], ist Nachstehendes auszuführen:

Aus Gründen äußerster Vorsicht wird die Beschwerde von Zweit- und Drittantragsteller nicht nur auf Art144 B-VG gestützt, sondern auch auf Art139 B-VG, wobei der Beschwerdegegenstand der offensichtlich verfassungswidrige Bebauungsplan der Marktgemeinde Rum, insbesondere die für den gegenständlichen Bauplatz auf GST 717 KG Rum reglementierte Geschossflächenmindestdichte von 1,0, sowie die Reglementierung von mindestens drei Vollgeschossen, ist."

3. Die belangte Behörde erstattete eine "Äußerung und Gegenschrift" und beantragt insbesondere, den Antrag gemäß Art139 B-VG zurück-, in eventu abzuweisen.

4. Die Marktgemeinde Rum legte die Akten betreffend das Zustandekommen des angefochtenen Bebauungsplans vor und erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, "die Beschwerde" als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers gemäß Art139 B-VG erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 11.453/1987).

2. Beurteilt man das Vorbringen der Antragsteller im Lichte der oben dargestellten Vorjudikatur, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Antragsteller eine aktuelle Betroffenheit durch den angefochtenen Bebauungsplan nicht dartun. Denn für die Anfechtung eines Bebauungsplans gilt - ebenso wie für die Anfechtung eines Flächenwidmungsplans (vgl. zuletzt VfGH vom 7. Oktober 2002, V20/02) -, dass die Bekundung konkreter Bauabsichten (VfSlg. 15.144/1998) - wobei der bloße Hinweis auf eine Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit noch keine aktuelle Betroffenheit dartun würde (VfSlg. 11.128/1986) - notwendig ist, um als Grundeigentümer einen aktuellen Eingriff in die Rechtssphäre darzutun. Konkrete Bauabsichten behaupten die Grundeigentümer nicht.

Der Antrag ist daher schon aus diesen Überlegungen unzulässig.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

III. Zur Beschwerde gemäß Art144 B-VG:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber teils nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG kein geeignetes Rechtsschutzinstrument gegen die hier behauptete Säumnis der Verwaltungsbehörden darstellt.

Soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, bedenkt sie nicht ausreichend, dass

* die Entstehungsgeschichte des bekämpften

Bebauungsplans den Schluss, er sei "einzig und allein" zur Verhinderung des Projekts der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft erlassen worden, nicht nahelegt

* der angefochtene Bebauungsplan mit dem TROG und dem

örtlichen Raumordnungskonzept der Marktgemeinde Rum im Einklang steht

* und es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Planungsmaßnahme nicht darauf ankommt, ob die vom Verordnungsgeber im Rahmen seines planerischen Gestaltungsspielraums getroffene Lösung die bestmögliche ist - sie muss (nur) mit dem Gesetz in Einklang stehen (VfSlg. 10.711/1985, 16.373/2001, VfGH vom 28. September 2002, V12/02).

Daher lässt die Beschwerde die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VfGG).

Die Beschwerde war nicht gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, da ein solcher Antrag ausdrücklich nur für den Fall der Abweisung der Beschwerde gestellt wurde.

Schlagworte

Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1146.2001

Dokumentnummer

JFT_09968876_01B01146_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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