TE Vfgh Beschluss 2008/6/19 B708/08

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Abweisung desVerfahrenshilfeantrags als aussichtslos wegen Versäumung derBeschwerdefrist

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit am 18. April 2008 zur Post gegebenen Schriftsatz

begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 2008 und holt unter einem die versäumte Prozesshandlung nach.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, der Bescheid sei dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Antragstellers am 20. Februar 2008 zugestellt worden. Der Fristenlauf zur Beschwerdeerhebung an den Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichtshof (Fristende 2. April 2004) sowie eine zweiwöchige "Vorfrist" seien der Kanzleianweisung entsprechend im Kalender eingetragen worden. Nachdem der Verfahrenshilfeantrag ausgefüllt, kontrolliert und vom Antragsteller am 10. März 2008 unterschrieben worden sei, sei dieser von der Sekretärin des bevollmächtigten Rechtsanwaltes am selben Tag kuvertiert, mit Briefmarken und einem Aufgabeschein versehen und auf die der Kanzlei für sämtliche zur Post zu gebenden Schriftstücke bereitstehende Ablagefläche gelegt worden. Die Sekretärin des bevollmächtigten Rechtsanwaltes sei seit Mai 2006 in der Kanzlei beschäftigt. Sie sei eine außergewöhnlich gute Kanzleikraft, die bisher mit aller Sorgfalt, Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit gearbeitet habe. Das Kuvert mit dem Verfahrenshilfeantrag sei in weiterer Folge beim Ablegen anderer Poststücke nach hinten geschoben und von der Ablagefläche hinter das Kästchen, auf dem sich die Ablagefläche befindet, gerutscht. Die Ausgangsstücke dieses Tages seien von einer anderen Sekretärin zur Post gebracht worden, der das Fehlen des besagten Kuverts nicht aufgefallen sei, weil sie es nicht kuvertiert habe. In weiterer Folge seien die im Kalender eingetragenen Fristvermerke als erledigt abgezeichnet worden. Weil die dem Vertreter des Antragstellers zugeordnete Sekretärin, die den Verfahrenshilfeantrag bearbeitet habe, auf Grund eines Autounfalls seit dem 18. März 2008 im Krankenstand gewesen sei, sei der Umstand, dass der Verfahrenshilfeantrag nie aufgegeben wurde, erst am 4. April 2008 bei der Durchsicht des Aktes aufgefallen. Am selben Tag sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und die versäumte Prozesshandlung nachgeholt worden.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 2008 ist ist zulässig, aber nicht begründet.

2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1981, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung fiel am 4. April 2008 weg. Mit dem am 18. April 2008 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

2.3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des bevollmächtigten Rechtsvertreters des Antragstellers nicht gesprochen werden.

Im vorliegenden Fall wurde der entsprechende Fristvermerk aus dem Kalender ausgetragen, obwohl auf Grund des Umstandes, dass der Verfahrenshilfeantrag nicht zur Post gegeben - weil in Verstoß geraten - worden war, kein Aufgabeschein vorhanden war. Da keine Umstände vorlagen, die ein derartiges Versehen bei der Austragung der Frist aus dem Kalender rechtfertigen würden, kann die Austragung der Frist aus dem Kalender, die zur Versäumung der Beschwerdefrist letztlich geführt hat, nicht als bloß geringfügiger Fehler gewertet werden, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen passieren kann.

2.4. Damit lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.

II. Der unter einem eingebrachte Antrag auf Bewilligung der

Verfahrenshilfe war auf Grund der wegen der Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) offenbar aussichtslosen weiteren Rechtsverfolgung abzuweisen (§35 Abs1 VfGG iVm §36 Abs1 ZPO).

Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz VfGG sowie §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen,Beschwerdefrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B708.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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