TE Vfgh Erkenntnis 2003/11/25 B1389/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2003
beobachten
merken

Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

AVG §8
AVG §62

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung eines Antrags auf Zustellung eines Bescheides an die "Republik Österreich" in einem Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe öffentlicher Aufträge für ein Straßenbauprojekt (B 315 Straße Tirol, Südumfahrung Landeck)

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. a) Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA) vom 3. September 2001, Z F-3/97-44, wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Zustellung des Bescheides des BVA vom 20. Oktober 1997, Z F-3/97-29, an die "Republik Österreich" abgewiesen. Das BVA als nunmehr belangte Behörde begründete ihre abweisliche Entscheidung damit, dass Auftraggeber und somit Partei dieses Nachprüfungsverfahrens (neben den Beschwerdeführern) die Alpen Straßen AG, nicht jedoch die "Republik Österreich" sei:

"Die Alpen Straßen AG ist öffentlicher Auftraggeber gemäß §11 Abs1 Z3 BVergG (vgl. auch §1 Abs2 Z5 der Verordnung des BMwA BGBl Nr. 802/1995).

Gemäß §10 Abs4 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. Nr. 826/1992, hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Gesellschaften gemäß §§1 und 3 leg.cit., also auch der Alpen Straßen AG, gegenüber die erforderlichen Zielvorgaben zu setzen, eine begleitende Kontrolle hinsichtlich der Maßnahmen der Gesellschaften einschließlich der Planungsmaßnahmen durchzuführen sowie eine Koordinierung der Tätigkeiten der Gesellschaften vorzunehmen.

Von dieser begleitenden Kontrolle des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten gegenüber der Alpen Straßen AG hinsichtlich deren Maßnahmen ist jedoch die im gegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschriebene 'Begleitende Kontrolle' in Bezug auf das Bauvorhaben B 315 Straße Tirol, Südumfahrung Landeck, zu unterscheiden.

Letztere umfasst unter anderem die Kontrolle der Bauausführung, (sogenannte örtliche Bauaufsicht) die Beratung des Auftraggebers des Bauauftrages bei der Leistungsabnahme, bei der Durchsetzung von Vertragspflichten etc. und läuft somit auf eine Kontrolle der Durchführung eines Bauauftrages hinaus (vgl. Honorarordnung für begleitende Kontrolle der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten). Diese ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, sondern 'Maßnahme' der Alpen Straßen AG, die ihrerseits einer Kontrolle durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit unterliegt.

Das Bundesvergabeamt vermag sich auch nicht der Ansicht des Obersten Gerichtshofes anzuschließen, wonach bei dem vorliegenden Sachverhalt in seinem Gesamtzusammenhang davon ausgegangen werden müsse, dass die Alpen Straßen AG lediglich als Erfüllungsgehilfe des öffentlichen Auftraggebers Bund tätig wurde. Denn im Gegensatz zu dem vom Obersten Gerichtshof früher zu beurteilenden Fall, in welchem ein öffentlicher Auftraggeber mit der Durchführung eines Vergabeverfahrens einen Dritten beauftragt hat, der selbst nicht öffentlicher Auftraggeber im Sinne des BVergG war (vgl. E1 ob 201/99m), handelt es sich bei der Alpen Straßen AG unzweifelhaft selbst um einen öffentlichen Auftraggeber.

Im übrigen hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B606/98-7, mit dem er die Beschwerde der Alpen Straßen AG gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes, mit dem der Beschwerdeführerin als Auftraggeber des gegenständlichen Vergabeverfahrens der Kostenersatz für die Sachverständigengebühren im Nachprüfungsverfahren auferlegt wurde, abgewiesen hat, festgestellt, dass der bekämpfte Bescheid sich auf §76 AVG stützt. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde jedoch nur einer Partei oder einem Beteiligten im Verwaltungsverfahren Kosten auferlegen."

b) Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Alpen Straßen AG führte im Jahr 1996 (Angebotsöffnung am 15. November 1996) eine Interessentensuche für die begleitende Kontrolle in der Detailplanungs-, Ausführungs- und Bauphase bei der Errichtung der B 315 Reschenstraße - Tirol, Südumfahrung Landeck durch, an welcher sich auch die nunmehrigen Beschwerdeführer beteiligten, jedoch nicht den Zuschlag erhielten (Zuschlagserteilung am 12. Februar 1997). Dem daraufhin von den Beschwerdeführern gemäß §91 Abs3 des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen, BGBl. 462/1993 idF BGBl. 776/1996 (im Folgenden: BVergG), gestellten Antrag vom 21. März 1997 (eingelangt beim BVA am 1. April 1997) auf Feststellung, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht den Beschwerdeführern als Bestbieter erteilt wurde, wurde mit Bescheid des BVA vom 20. Oktober 1997, Z F-3/97-29, stattgegeben. Das Bundesvergabeamt qualifizierte in dieser Entscheidung die Alpen Straßen AG als Auftraggeberin.

Den in weiterer Folge gegen die - vom BVA als Auftraggeberin angenommene - Alpen Straßen AG geführten Schadenersatzprozess verloren jedoch die Beschwerdeführer, da der Oberste Gerichtshof (OGH) die Passivlegitimation der Alpen Straßen AG (bzw. die Qualifikation als Auftraggeberin für die besagten Leistungen) verneinte. Der OGH ging davon aus, dass die Alpen Straßen AG lediglich als Erfüllungsgehilfin des Bundes, den er vereinzelt rechtsirrigerweise als "Republik Österreich" bezeichnet (vgl. aber zB Art7 Abs1 B-VG), tätig wurde, indem er darauf hinwies, dass "nach §10 Abs4 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl Nr 826/1992, iVm §10 des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes 1997 die begleitende Kontrolle von Bauvorhaben der in diesen Gesetzen genannten Straßenbaugesellschaften in den Aufgabenbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA) fällt und die Beklagte [die Alpen Straßen AG] das Ausschreibungsverfahren im Auftrag des BMwA und mit seiner Bevollmächtigung durchführte". Im Hinblick auf diese Gesetzeslage verneinte er auch eine Haftung der Alpen Straßen AG im Rahmen der indirekten Stellvertretung.

Daraufhin wendeten sich die Beschwerdeführer (neuerlich) an das BVA und beantragten die Zustellung des Bescheides vom 20. Oktober 1997, Z F-3/97-29, an die - vom OGH als Auftraggeberin qualifizierte - "Republik Österreich". Diesen Antrag wies - wie unter Pkt. 1.a) dargestellt - das BVA mit Bescheid vom 3. September 2001, Z F-3/97-44 ab.

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitsgrundsatzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

b) Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.356/1985, 10.482/1985, 11.650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

b) Der Bescheid stützt sich auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechte von Parteien eines Verwaltungsverfahrens auf Zustellung von Bescheiden nach den §§8 (iVm BVergG) und 62 AVG; ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sind Bedenken weder vorgebracht worden noch aus Anlass dieses Verfahrens sonst entstanden. Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde allerdings vor, zu Unrecht - in Abweichung von der Rechtsansicht des OGH - angenommen zu haben, dass die Alpen Straßen AG - und nicht die "Republik Österreich" (der Bund) - Auftraggeberin und somit Partei in diesem Vergabeverfahren ist. Damit werden aber keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht; von einer verfassungswidrigen oder denkunmöglichen Gesetzesanwendung kann keine Rede sein.

Die Behörde hat ihre Entscheidung plausibel und nachvollziehbar, sohin jedenfalls in denkmöglicher Auslegung des Gesetzes begründet (vgl. auch Gutknecht, Entscheidungsbesprechung, bbl 2002/20, sowie Wilhelm, Entscheidungsbesprechung, ecolex 2001, 529). Sie hat die Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde - insbesondere auch, ob das BVA entgegen dem ursprünglichen Nachprüfungsantrag (vom 21. März 1997), in welchem von den nunmehrigen Beschwerdeführern das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten als Auftraggeber bezeichnet wurde, zu Recht die Alpen Straßen AG als Auftraggeberin beteiligen durfte - bzw. ob die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).

c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheiderlassung, Vergabewesen, Verwaltungsverfahren, Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1389.2001

Dokumentnummer

JFT_09968875_01B01389_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten