TE Vfgh Erkenntnis 2003/11/29 G350/02

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Veröffentlicht am 29.11.2003
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/13 Studienförderung

Norm

B-VG Art14 Abs1 und Abs10
B-VG Art102 Abs1 und Abs2
B-VG Art81a
B-VG Art129a
StudFG 1992 §52b

Leitsatz

Kein Verstoß gegen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern durch die bundesgesetzliche Einführung der Möglichkeit der Anrufung der Unabhängigen Verwaltungssenate gegen die Rückforderung von Studienabschluß-Stipendien; Vollziehung des Studienbeihilfenrechts in unmittelbarer Bundesverwaltung durch eigene Bundesbehörden in den Ländern

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (in der Folge: UVS) ist nach seinen Angaben zur Zl. Senat-AB-02-2031 eine Berufung gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde vom 30. Juli 2002, Zl. 8701977 anhängig, mit dem der Senat die Vorstellung des Berufungswerbers gegen den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 4. März 2002 abgewiesen hat.

2. Aus Anlaß dieses bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens stellte der UVS gemäß Art140 Abs1 iVm Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Abs3 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, "der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, dass §52b Abs5 Satz 2 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG), BGBl. 1992/305 i.d.F. BGBl. I 2000/76, als verfassungswidrig aufgehoben wird".

3. Zur Rechtslage:

3.1. §52b des Bundesgesetzes über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (in der Folge: StudFG 1992), BGBl. 305/1992, idF BGBl. I 75/2003 (Abs5 idF BGBl. I 76/2000), lautet - auszugsweise - folgendermaßen (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Studienabschluss-Stipendien

§52b. (1) Studienabschluss-Stipendien dienen der Förderung von Studierenden, die sich in der Abschlussphase ihres Studiums befinden. Die Höhe der Studienabschluss-Stipendien beträgt zwischen 500 und 1 090 € monatlich. Die Auszahlung des Studienabschluss-Stipendiums erfolgt durch höchstens achtzehn Monate.

(2) Studienabschluss-Stipendien werden von der Studienbeihilfenbehörde nach Richtlinien der zuständigen Bundesminister im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung zuerkannt. Auf die Zuerkennung besteht kein Rechtsanspruch.

(3) Voraussetzung für die Gewährung ist, dass der Studierende jedenfalls

1. - 7. (...)

(4) Weist der Studierende nicht innerhalb von sechs Monaten nach der letzten Auszahlung eines Studienabschluss-Stipendiums den Abschluss des geförderten Studiums nach, hat die Studienbeihilfenbehörde den ausbezahlten Betrag mit Bescheid zurückzufordern. Erzielt ein Studierender neben dem Bezug eines Studienabschluss-Stipendiums Einkommen aus Berufstätigkeit, hat die Studienbeihilfenbehörde für den jeweiligen Monat das Studienabschluss-Stipendium mit Bescheid zurückzufordern.

(5) Gegen einen Bescheid, mit dem die Rückforderung ausgesprochen wurde, ist eine Vorstellung gemäß §42 zulässig. Über Berufungen gegen Bescheide des Senates entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

(6) Für Studienabschluss-Stipendien ist im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur jährlich ein Betrag von 2% der im letzten Kalenderjahr jeweils für die Studienförderung aufgewendeten Mittel zur Verfügung zu stellen."

§42 StudFG 1992, auf den §52b Abs5 leg.cit. verweist, sieht unter der Überschrift "Vorstellung" folgendes vor:

"Gegen Bescheide der Studienbeihilfenbehörde kann die Partei binnen zwei Wochen wegen behaupteter Rechtswidrigkeit Vorstellung erheben."

3.2. Der mit "Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern" überschriebene Art129a B-VG, BGBl. 1/1930, idF BGBl. 685/1988, lautet im Auszug:

"(1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,

1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,

2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes,

3. in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden,

4. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Z1, soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenstrafrecht handelt, und der Z3.

(2) Es kann gesetzlich vorgesehen werden, daß die Entscheidungen in erster Instanz unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können. In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12 dürfen derartige Bundesgesetze nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

(3) (...)."

4.1. Der UVS führt einleitend aus, daß er die angefochtene Bestimmung bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung anzuwenden hätte. §52b Abs5 StudFG 1992 stelle jene Bestimmung dar, mit der iSd Art129a Abs1 Z3 B-VG die Entscheidungskompetenz des UVS begründet werde.

4.2. In der Sache legt der UVS seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung folgendermaßen dar:

"Gemäß Art129a Abs2 B-VG kann gesetzlich vorgesehen werden, dass die Entscheidungen in erster Instanz unmittelbar beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können. In Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12 dürften derartige Bundesgesetze nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

Da eine solche Zustimmung zur Kundmachung der angefochtenen Bestimmung zumindest seitens des Bundeslandes Niederösterreich nicht erfolgte, ist diese Bestimmung nach Ansicht des antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenates im Hinblick auf Art129a Abs2 Satz 2 B-VG mit Verfassungswidrigkeit belastet, sodass ein entsprechender Antrag auf Behebung zu stellen war."

5. Die Bundesregierung erstattete auf Grund ihres Beschlusses vom 20. Dezember 2002 innerhalb der ihr gesetzten Frist eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag des UVS abzuweisen. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen.

5.1. Dem Vorbringen des UVS in der Sache entgegnet die Bundesregierung folgendes:

Gemäß Art129a Abs2 B-VG könne zwar vorgesehen werden, daß die Entscheidung in erster Instanz unmittelbar beim UVS angefochten werden könne. In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12 B-VG dürften derartige Bundesgesetze nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

Angelegenheiten der Studienförderung seien als Angelegenheiten des "Schulwesens" unter die Kompetenzbestimmung des Art14 Abs1 B-VG zu subsumieren und deshalb weder solche des Art11 noch des Art12 B-VG iSd Art129a Abs2 B-VG. Die Angelegenheiten des Schulwesens könnten gemäß Art102 Abs2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden vollzogen werden und würden auch tatsächlich durch organisatorische Bundesbehörden besorgt. Es handle sich daher bei dieser Materie auch nicht um eine "Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung" iSd Art129a Abs2 B-VG.

Die ratio des Art129a Abs2 B-VG liege darin, den Bedenken der Länder gegen die Ausschaltung der "Landesebene" in jenen Fällen, in denen der Rechtszug unmittelbar von der Bezirksverwaltungsbehörde oder der Gemeindeinstanz im übertragenen Wirkungsbereich an den UVS vorgesehen werde, Rechnung zu tragen. In Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung könnten derartige Bedenken jedoch von vornherein nicht zum Tragen kommen.

Die Berufung der UVS in den Ländern als zweitinstanzliche Behörde iSd StudFG 1992 bedürfe daher keiner Zustimmung der Länder.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Der antragstellende UVS vertritt in seinem Antrag die Auffassung, daß er in der bei ihm anhängigen Rechtssache die Bestimmung des §52b Abs5 Satz 2 StudFG 1992, idF BGBl. I 76/2000, anzuwenden hätte. Der Verfassungsgerichtshof hat die dafür gegebene Begründung nach ständiger Rechtsprechung (z.B. VfSlg. 9284/1981, 13.478/1993 uam.) nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen. Unter diesem Aspekt kann aber der Rechtsauffassung des antragstellenden UVS offensichtlich nicht entgegengetreten werden.

2. In der Sache:

2.1. Die Möglichkeit der Vergabe von Studienabschluß-Stipendien wurde mit der Novelle zum StudFG 1992, BGBl. I 23/1999, geschaffen. In der Fassung BGBl. I 23/1999 sah §52b Abs5 StudFG 1992 zunächst lediglich vor, daß das "ausbezahlte Studienabschlussstipendium zurückzuzahlen" war, wenn der Studierende nicht innerhalb von 18 Monaten ab Zuerkennung den Abschluß des Studiums nachgewiesen hat. Mit der Novelle zum StudFG 1992, BGBl. I 76/2000, wurde das System der Förderung umgestaltet, der ursprünglich vorgesehene Rechtsanspruch auf Zuerkennung beseitigt und auch das Verfahren zur Rückerstattung des zuerkannten Stipendiums derart novelliert, daß die Studienbeihilfenbehörde das Stipendium nunmehr mit Bescheid zurückzufordern hat. Gegen diesen Bescheid ist zunächst die Vorstellung an den Senat der Studienbeihilfenbehörde vorgesehen; über Berufungen dagegen haben die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu entscheiden.

Daß über Berufungen gegen Bescheide des Senates in Angelegenheiten der Rückforderung von Studienabschluß-Stipendien die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zur Entscheidung berufen sind, wird in den Materialien (184 BlgNR, 21. GP, 23) folgendermaßen begründet:

"Da die Vergabe der Studienabschluss-Stipendien im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung vorgenommen wird und somit den Regeln des Zivilrechtes folgt, stellt sich die Frage der Form einer allfälligen Rückforderung (...). Für die Rückforderung wurde bewusst die Bescheidform gewählt. Damit ist aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen Art6 der Europäischen Menschenrechtskonvention jedenfalls das Erfordernis der nachprüfenden Kontrolle durch eine gerichtsähnliche Einrichtung gegeben. Es ist daher zunächst gegen die Bescheide der Studienbeihilfenbehörde das nicht aufsteigende Rechtsmittel an den Senat der Studienbeihilfenbehörde vorgesehen, dann aber eine Berufung an die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern."

3. Der antragstellende UVS begründet seinen Antrag damit, daß die gemäß Art129a Abs2 B-VG geforderte Zustimmung der Länder (hier konkret des Landes Niederösterreich) zu einem Bundesgesetz, das die unmittelbare Anfechtung von Entscheidungen erster Instanz in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12 B-VG vorsehe, nicht gegeben worden sei. Die Bedenken des UVS wären somit (nur) dann begründet, wenn es sich bei den betreffenden Angelegenheiten der Studienförderung entweder um eine Materie iSd Art11 oder 12 B-VG handelte oder wenn eine in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes fallende Angelegenheit vorläge, die in mittelbarer Bundesverwaltung wahrzunehmen wäre.

4. Keine dieser Voraussetzungen trifft jedoch zu:

4.1. Gemäß Art14 Abs1 B-VG ist die Gesetzgebung und Vollziehung auf dem Gebiet des Schulwesens sowie auf dem Gebiet des Erziehungswesens in Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime grundsätzlich Bundessache. Wie sich aus Art14 Abs10 B-VG, aber auch aus Art81a Abs1 leg.cit. ergibt, zählen dazu auch die Angelegenheiten der Universitäten (Hochschulen; ebenso Verwaltungsgerichtshof vom 20. Dezember 1982, Zl. 82/17/0032, 0033, und vom 29. November 1993, Zl. 93/12/0251). Die Kompetenz nach Art14 B-VG umfaßt auch die Regelung der Studienförderung (Verwaltungsgerichtshof vom 29. November 1993, Zl. 93/12/0251). Bei dieser Kompetenzlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der Gewährung oder Rückforderung eines Studienabschluß-Stipendiums um eine Angelegenheit der Art11 oder 12 B-VG handelt.

4.2. Aber auch ein Fall der mittelbaren Bundesverwaltung liegt nicht vor:

Wie bereits ausgeführt, steht die Vollziehung in Angelegenheiten des Schulwesens - und somit auch in Angelegenheiten der Gewährung und Rückforderung von Studienabschluß-Stipendien - dem Bund zu. Während Art102 Abs1 B-VG als Grundlage der Verwaltung des Bundes im Bereich der Länder die mittelbare Verwaltung vorsieht, zählt Art102 Abs2 B-VG (u.a.) das Schulwesen zu jenen Angelegenheiten, die unmittelbar von Bundesbehörden (im organisatorischen Sinn) vollzogen werden können.

Mit dem StudFG 1992 wurde in §33 die Studienbeihilfenbehörde eingerichtet und mit einem Zuständigkeitsbereich ausgestattet (§35 StudFG 1992). Der Studienbeihilfenbehörde sind als dezentralisierte Einrichtungen ohne Behördenqualität die Stipendienstellen beigegeben (§34 StudFG 1992). Als "willensbildende Organe der Studienbeihilfenbehörde" (473 BlgNR, 18. GP, 37) wurden durch die §§37 f. leg.cit. die Senate eingerichtet sowie deren Zusammensetzung festgelegt. Die Vollziehung des Studienbeihilfenrechts einschließlich der Rückforderung von Studienabschluß-Stipendien wird somit im Bereich der Länder von eigens durch Bundesgesetz eingerichteten Bundesbehörden (im organisatorischen Sinn) in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt.

5. Die vom antragstellenden UVS vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu. Der Gesetzesprüfungsantrag war infolgedessen abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bundesverwaltung unmittelbare, Hochschulen, Studienbeihilfen, Kompetenz Bund - Länder Schulrecht, Unabhängiger Verwaltungssenat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G350.2002

Dokumentnummer

JFT_09968871_02G00350_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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