TE Vfgh Erkenntnis 2004/3/11 B1028/02

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Veröffentlicht am 11.03.2004
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Index

86 Veterinärrecht
86/02 Tierärzte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
KAKuG §7, §15, §39
TierärzteG §15, §16

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch im Lichte der Erwerbsausübungsfreiheit grobe Verkennung der Rechtslage infolge Annahme einer Einschränkung der zulässigen Rechtsträgerschaft eines Tierspitals auf freiberufliche Tierärzte und daher Ausschlusses auch juristischer Personen von der Rechtsträgerschaft

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit (insgesamt) 2142 € bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit schriftlicher Eingabe vom 15. März 2001 an das Veterinäramt des Magistrates Graz hatten die nunmehrigen beschwerdeführenden Parteien - ein Verein sowie ein Tierarzt - den Betrieb eines privaten Tierspitals an einer näher angegebenen Adresse in Graz angezeigt. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Tierarzt das Spital betreiben werde und der Verein Eigentümer des Gebäudes und der Einrichtung sei. Das Veterinäramt ersuchte daraufhin um Bekanntgabe, "wer verantwortlicher Betreiber des privaten Tierspitals ist" und ob der betreffende Tierarzt "seine Tätigkeit freiberuflich oder angestellt ausübt". In der Folge teilten die Einschreiter mit Schreiben vom 24. April 2001 mit, dass "Betreiber des privaten Tierspitals" der Verein und "tierärztlicher Leiter dieses Tierspitals" der betreffende Tierarzt sei; dieser übe seine Tätigkeit als angestellter Tierarzt aus.

Der Bürgermeister der Stadt Graz wies mit Bescheid vom 21. November 2001 die Anzeigen des Vereins und des Tierarztes als unzulässig zurück. Dies wurde damit begründet, dass (aufgrund der näher dargelegten Rechtslage nach dem Tierärztegesetz) "ein privates Tierspital - als Sonderform einer tierärztlichen Ordination - nur von einem freiberuflich tätigen Tierarzt geführt (= betrieben) werden kann".

b) Der von den Einschreitern gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. April 2002 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt (zur Begründung s. unten, Pkt. III.1.).

2. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte, vom Verein und dem betreffenden Tierarzt gemeinsam erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den bekämpften Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt. §16 Tierärztegesetz halten sie für verfassungswidrig, "sofern aus dieser Bestimmung abgeleitet werden soll, dass zum Betrieb eines Tierspitals nur natürliche Personen berechtigt sind". Die Einschreiter beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Landeshauptmann von Steiermark als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Das vom Verfassungsgerichtshof um Stellungnahme zu den in der Beschwerde erhobenen Normbedenken ersuchte Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst holte seinerseits vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen eine Stellungnahme ein (Wiedergabe s. unten, Pkt. III.2).

II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles insbesondere maßgeblichen Bestimmungen des Tierärztegesetzes, BGBl. 16/1975, (zuletzt geändert durch BGBl. I 95/2002), lauten:

"§15. (1) Jeder Tierarzt hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes das Recht, seinen Beruf im ganzen Bundesgebiet auszuüben.

(2) Der Tierarzt, der seinen Beruf als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, hat anläßlich der Antragstellung auf Eintragung in die Tierärzteliste (§6 Abs1) seinen Berufssitz anzugeben.

(3) - (5) ... [Regelungen betreffend den Berufssitz des freiberuflich tätigen Tierarztes]

(6) Ein Tierarzt, der seinen Beruf ausschließlich in einem Angestelltenverhältnis auszuüben beabsichtigt, hat anläßlich der Antragstellung auf Eintragung in die Tierärzteliste (§6 Abs1) seinen Dienstort anzugeben. ...

(7) Tierärzte, die beabsichtigen, ausschließlich solche wiederkehrende tierärztliche Tätigkeiten in Form von Praxisvertretungen auszuüben, die weder die Führung einer Ordination oder eines privaten Tierspitals beinhalten, noch in einem Anstellungsverhältnis ausgeübt werden, haben dies der Kammer [Anm.:

idF vor dem BG BGBl. 95/2002: 'der Bundeskammer'] der Tierärzte Österreichs bekanntzugeben.

§16. (1) Tierärzte, die eine Ordination oder ein privates Tierspital führen, sind verpflichtet, diese

1. in einem solchen Zustand zu halten, daß sie den hygienischen Anforderungen und dem veterinärmedizinischen Bedarf entsprechen;

2. durch eine zweck- und standesgemäße äußere Bezeichnung kenntlich zu machen.

(2) Richtlinien über die Beschaffenheit von Ordinationen und privaten Tierspitälern (Mindeststandard) sind unter Bedachtnahme auf die in Abs1 Z. 1 aufgestellten Erfordernisse durch die Kammer [Anm.:

idF vor dem BG BGBl. 95/2002: 'durch die Bundeskammer'] zu erlassen.

(3) Die Kontrolle der Ordinationen und privater Tierspitäler im Hinblick auf die Einhaltung des Mindeststandards obliegt der Bezirksverwaltungsbehörde unter Beiziehung eines Vertreters der Kammer [Anm.: idF vor dem BG BGBl. 95/2002: 'der Landeskammer']. Kommt bei der Kontrolle zutage, daß die Ordination oder das Tierspital nicht dem Mindeststandard entspricht, so ist dem Tierarzt durch die Bezirksverwaltungsbehörde die Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen.

(4) Eröffnung und Schließung einer Ordination oder eines privaten Tierspitals sind vom Tierarzt binnen zwei Wochen der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und der Kammer [Anm.: idF vor dem BG BGBl. 95/2002: 'der Landeskammer'] anzuzeigen."

III. 1. Die Begründung des angefochten Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark lautet im Wesentlichen wie folgt:

"Mit dem Bundesgesetz vom 13. Dezember 1974 über den Tierarzt und seine berufliche Vertretung (Tierärztegesetz) wurde eine gesetzliche Berufsordnung geschaffen, deren wichtigste Punkte die Festlegung der den Tierärzten vorbehaltenen Tätigkeiten und die klare Umschreibung von Rechten und Pflichten von Tierärzten sind.

§15 Tierärztegesetz zählt die Möglichkeit der tierärztlichen Berufsausübung auf. Der Tierarzt kann seinen Beruf entweder freiberuflich oder ausschließlich in einem Angestelltenverhältnis oder in Form von Praxisvertretungen, die weder die Führung einer Ordination noch eines Tierspitals umfassen, noch in einem Angestelltenverhältnis bestehen, ausüben. Als freiberuflich tätiger Tierarzt kann er eine tierärztliche Ordination oder ein Tierspital führen. Die Variante, dass ein angestellter Tierarzt eine Ordination oder ein Tierspital führt, ist im Gesetz nicht vorgesehen.

§16 regelt in der Folge die Pflichten, die den Tierarzt treffen, wenn er in Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit eine Ordination oder ein Tierspital führt.

Aufgrund des systematischen Zusammenhanges dieser beiden Bestimmungen des Tierärztegesetzes ist klar definiert, dass die Führung von Tierspitälern ebenso wie die von Ordinationen ausschließlich dem freiberuflichen Tierarzt zugedacht ist.

§15 Tierärztegesetz unterscheidet, dass Tierärzte entweder freiberuflich oder in einem Angestelltenverhältnis tätig werden können. Aus der Formulierung des §15 Abs7 (Praxisvertretungen, 'die weder die Führung einer Ordination oder eines privaten Tierspitals beinhalten, noch in einem Angestelltenverhältnis ausgeübt werden') wird deutlich, dass die Führung eines Tierspitals oder einer Ordination und die Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis eindeutig getrennt zu betrachten sind. Auch daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber keinesfalls die Möglichkeit einräumen wollte, dass angestellte Tierärzte ein Tierspital leiten. Hätte der Gesetzgeber den Betrieb von Tierspitälern durch andere physische oder juristische Personen unter der Leitung von Tierärzten vorsehen wollen, so hätte er wohl eine Regelung vergleichbar mit der des Krankenanstaltengesetzes im humanmedizinischen Bereich geschaffen. Auch das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen hat mit dem bereits zit. Erlass eindeutig und unmissverständlich diese Rechtsauffassung bestätigt.

Insgesamt kann also nicht, wie vom Berufungswerber ins Treffen geführt, von einer nicht geregelten und frei gestaltbaren Situation in Bezug auf die Inhaber- oder Betreiberschaft eines privaten Tierspitals ausgegangen werden. Die Frage, ob ein privates Tierspital als eine Sonderform der tierärztlichen Ordination zu sehen ist, ist letztlich nicht entscheidungsrelevant. Rechtlich eindeutig ist gemäß Tierärztegesetz die Tatsache, dass die Führung sowohl von tierärztlichen Ordinationen als auch von Tierspitälern freiberuflichen Tierärzten vorbehalten und die tierärztliche Leitung solcher Institutionen für andere Träger ausgeschlossen ist.

Da es für die den Tierärzten vorbehaltenen Tätigkeiten, Rechte und Pflichten klare gesetzliche Umschreibungen gibt, war spruchgemäß zu entscheiden. ..."

2. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen führt in seiner Stellungnahme Folgendes aus:

"Das Tierärztegesetz regelt unter anderem erschöpfend, von wem und wie der tierärztliche Beruf ausgeübt werden darf. Diesbezüglich unterscheidet das Tierärztegesetz nach §15 leg. cit. die freiberufliche Tätigkeit von der Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis. Unter 'freiberuflicher Tätigkeit' nach dem Tierärztegesetz ist der Betrieb einer tierärztlichen Praxis zu verstehen. Der freiberuflich tätige Tierarzt kann die Praxis in Form einer Ordination oder eines privaten Tierspitals führen. Das Tierärztegesetz legt in §16 leg. cit. nähere Bestimmungen für die Führung von Ordinationen und privaten Tierspitälern fest.

Das Tierärztegesetz sieht nach den zitierten Bestimmungen die Ausübung des tierärztlichen Berufes ausschließlich durch Tierärzte vor. Eine diesbezügliche Berufsausübung durch juristische Personen, z. B. als Eigentümer eines Tierspitals, ist im Tierärztegesetz nicht vorgesehen und wäre daher gesetzwidrig.

Die in der Beschwerdeschrift vorgenommene extensive Interpretation der genannten Bestimmungen einschließlich des Wortes 'Führen (eines Tierspitals)' in §16 leg. cit. entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1158 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP ist immer nur von der Berufsausübung durch Tierärzte und niemals durch juristische Personen die Rede. Auch wären für die Einbeziehung von Gesellschaften in den Kreis der praxisberechtigen Personen nähere gesetzliche Regelungen nötig gewesen, wenn der Gesetzgeber eine solche Einbeziehung beabsichtigt hätte. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers gehen daher auch deshalb ins Leere.

Zur Verfassungskonformität dieser Regelung darf Nachstehendes festgestellt werden:

Der tierärztliche Beruf ist im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Tierarzt und Tierhalter stark personalisiert, und private Tierärzte haben auch wichtige verwaltungspolizeiliche Aufgaben zu erfüllen [...]. Dazu zählen die behördlichen Meldepflichten im Falle von Tierseuchen nach §17 des Tierseuchengesetzes (TSG), die Einbeziehung privater Tierärzte in die Tierseuchenbekämpfung bei Bedarf nach verschiedenen Veterinärgesetzen (§2a TSG, §2 Abs2 Rinderleukosegesetz, §2 Abs2 IBR/IPV-Gesetz, §2 Abs6 Tiergesundheitsgesetz TGG), die Betrauung von freiberuflichen Tierärzten mit der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung nach dem Fleischuntersuchungsgesetz und die amtlichen Kontrollfunktionen der freiberuflichen Tierärzte nach der Geflügelhygieneverordnung 2000, BGBl. II Nr. 243/2000, wonach der Betriebsinhaber von Geflügelbetrieben einen freiberuflichen Tierarzt nach seiner Wahl für die Kontrollen heranzuziehen hat.

Analogien zur Humanmedizin hinsichtlich Sachlichkeitsgebot können schon deshalb nicht gezogen werden, weil im Ärzterecht im Vergleich zum Tierärzterecht eine unvergleichlich umfangreichere Größenordnung im Bereich des Leistungsbedarfs sowohl in quantitativer Hinsicht (Patientenzahlen, Arbeitsaufwand, aber auch hinsichtlich Investitionsbedarf und Bedarf an öffentlichen Mitteln) als auch bezüglich Spezialisierung und der überragenden wissenschaftlichen Anforderungen bei der medizinischen Versorgung von Menschen besteht. Im Tierärzterecht bestehen daher keine Regelungen, wie sie das Krankenanstaltengesetz für den Humanbereich vorsieht."

(Anm.: Gemäß Z13 der Bundesministeriengesetz-Novelle 2003, BGBl. I 17/2003, gehören die Angelegenheiten des Veterinärwesens [darunter u.a. Angelegenheiten der Schlachttier- und Fleischuntersuchung] mittlerweile zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen.)

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

Der belangten Behörde ist ein willkürliches und damit im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes den Gleichheitsgrundsatz verletzendes Vorgehen vorzuwerfen.

2. Zunächst bedarf es folgender begrifflicher Klarstellungen:

a) §16 Abs1 Tierärztegesetz regelt die Verpflichtungen von Tierärzten, die ein privates Tierspital (oder eine Ordination) führen. Klärungsbedürftig ist die Frage, welcher Bedeutungsinhalt hiebei dem Ausdruck "führen" beizumessen ist. Wie unten näher dargelegt wird, ist es in diesem Zusammenhang insbesondere erforderlich, eine Abgrenzung zum Begriff "betreiben" (eines Tierspitals) vorzunehmen.

Die Formulierungen im angefochtenen Bescheid legen den Schluss nahe, dass ihn die belangte Behörde - zutreffend - mit dem Begriff "leiten" gleichsetzt; etwa wenn sie meint, dass aufgrund des Tierärztegesetzes "die Führung sowohl von tierärztlichen Ordinationen als auch von Tierspitälern freiberuflichen Tierärzten vorbehalten und die tierärztliche Leitung solcher Institutionen für andere Träger ausgeschlossen ist".

Auch die beschwerdeführenden Parteien scheinen den Begriff in gleicher Weise zu verstehen: Sie verweisen darauf, dass sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort "führen" die Leitung einer Organisationseinheit bedeute als auch in der österreichischen Rechtsordnung dieser Ausdruck "in aller Regel ebenfalls im Sinne von 'verantwortlich leiten' gebraucht (wird)". Sie beziehen sich in diesem Zusammenhang auf das Krankenanstaltengesetz (KAG), BGBl. 1/1957, (Anm.: der nunmehrige Titel des Gesetzes lautet: Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz - KAKuG), und führen unter anderem aus:

"Durch das Beispiel des KAG wird deutlich, dass die Leitungsbefugnis (§7 KAG) von der Trägerschaft der betreffenden Organisationseinheit (§39 KAG) begrifflich zu unterscheiden ist.

Im TierärzteG wird nur die Leitungsbefugnis geregelt, eine Bestimmung über die Trägerschaft der betreffenden Organisationseinheit fehlt im TierärzteG, was dafür spricht, dass grundsätzlich sämtliche natürliche oder juristische Personen als Betreiber von Tierspitälern in Betracht kommen."

b) Tatsächlich differenziert das KAKuG begrifflich in folgender Weise (die relevanten Ausdrücke sind hervorgehoben):

aa) §7 Abs1 KAKuG bestimmt, dass für jede Krankenanstalt "ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes ..." zu bestellen ist. Dem Abs4 zufolge dürfen "(m)it der Führung von Abteilungen, Departments ..., von Laboratorien, Ambulatorien oder Prosekturen von Krankenanstalten" nur in bestimmter Weise spezialisierte bzw. qualifizierte Ärzte betraut werden.

bb) Dem stehen die in §15 und §39 KAKuG verwendeten Begriffe gegenüber: Nach §15 KAKuG kann einer Krankenanstalt das Öffentlichkeitsrecht - neben der Erfüllung einer Reihe weiterer Voraussetzungen - nur dann verliehen werden,

"wenn sie vom Bund, einem Bundesland, einer Gemeinde, einer sonstigen Körperschaft öffentlichen Rechtes, einer Stiftung, einem öffentlichen Fonds, einer anderen juristischen Person oder einer Vereinigung von juristischen Personen verwaltet und betrieben wird."

§39 Abs1 (zweiter Satz) KAKuG normiert hinsichtlich der privaten Krankenanstalten (das sind solche, die das Öffentlichkeitsrecht nicht besitzen):

"Sie können auch von physischen Personen errichtet und betrieben werden."

Der Begriff "betrieben" in §15 und in §39 Abs1 KAKuG bezieht sich also auf den Rechtsträger einer Krankenanstalt.

c) Demgegenüber enthält das Tierärztegesetz im Wesentlichen nur den Beruf des Tierarztes betreffende, aber keine die Voraussetzungen der Errichtung von Tierspitälern normierenden Bestimmungen. Sohin kann dem Gesetz auch keine entsprechende begriffliche Differenzierung zwischen Rechtsträgern/Betreibern von Tierspitälern einerseits und Führungsorganen/(ärztlichen) Leitern andererseits entnommen werden.

3. Der zur Stellungnahme eingeladene Bundesminister führte zur Interpretation der Rechtslage durch die belangte Behörde insbesondere ins Treffen, dass der "tierärztliche Beruf im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Tierarzt und Tierhalter stark personalisiert" und sohin die "Berufsausübung durch juristische Personen" ausgeschlossen sei. Schließlich wird auf den Umstand verwiesen, dass "private Tierärzte [...] auch wichtige verwaltungspolizeiliche Aufgaben zu erfüllen (haben)" (s. dazu die in der Stellungnahme aufgezählten Belange). Damit wird implizit auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Bezug genommen, wonach der Ausschluss juristischer Personen von der Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes "angesichts der öffentlichen Aufgaben des Rauchfangkehrers (wie der Mitwirkung an verwaltungspolizeilichen Agenden insbesondere in den Bereichen des vorbeugenden Brandschutzes und der Luftreinhaltung)" sachlich gerechtfertigt ist (s. dazu ausführlich VfSlg. 12.296/1990; in weiterer Folge VfSlg. 15.523/1999 und 16.120/2001).

Basierend auf diesen Überlegungen kommt auch die belangte Behörde (wie auch der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen in einem an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung adressierten Schreiben vom 29. August 2001) zum Schluss, dass "die Führung sowohl von tierärztlichen Ordinationen als auch von Tierspitälern freiberuflichen Tierärzten vorbehalten und die tierärztliche Leitung solcher Institutionen für andere Träger ausgeschlossen ist." (Hervorhebung nicht im Original.)

4. Wie bereits dargestellt, trifft das Tierärztegesetz selbst keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen den näher erläuterten Begriffen der Führung bzw. Leitung eines Tierspitals im Verhältnis zu jenem des Betriebes (konsequenterweise daher auch keine Regelung hinsichtlich der Berechtigung des Betriebes eines Tierspitals durch juristische Personen). Auch aus anderen (auch vom Bundesminister erwähnten) Bestimmungen (§20 normiert die Pflichten des Tierarztes im Allgemeinen, §24 betrifft die Verpflichtung zur persönlichen und unmittelbaren Berufsausübung, §26 regelt die Vertretung und §28 die Zulässigkeit von Praxisgemeinschaften) lässt sich für die belangte Behörde nichts gewinnen.

Als Zwischenergebnis ist sohin festzuhalten, dass weder §16 noch eine andere Bestimmung des Tierärztegesetzes ausdrücklich die Übernahme der Rechtsträgerschaft (also in diesem Sinne den "Betrieb" eines Tierspitals) durch einen Nichttierarzt - so auch durch eine juristische Person - ausschließt. Es kann und braucht in diesem Zusammenhang nicht untersucht zu werden, ob ein derartiger Ausschluss unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsbindung des einfachen Gesetzgebers etwa im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit oder den Gleichheitsgrundsatz zulässig wäre; jedenfalls ist er - entgegen der Annahme der belangten Behörde - positiv-rechtlich nicht verfügt worden.

§16 Tierärztegesetz ist nur zweifelsfrei zu entnehmen, dass (nur) Tierärzte ein privates Tierspital (oder eine Ordination) "führen" dürfen. Mit diesem Begriff ist jedoch primär die (fachlich-medizinische) Leitung des Tierspitals - und nicht (auch) die Ausübung der Rechtsträgerschaft - gemeint. Dieses Interpretationsergebnis ergibt sich im Übrigen auch aus dem Inhalt dieser Norm, die an das Führen des Tierspitals (bzw. der Ordination) vor allem Pflichten im Hinblick auf hygienische Anforderungen, den veterinärmedizinischen Bedarf und die Wahrung des "Mindeststandards" knüpft.

Auch der Umstand, dass der einfache Gesetzgeber im Bereich der Humanmedizin eine Differenzierung zwischen "Führen" und "Betreiben" eines Humanspitals vorgenommen, eine vergleichbare Unterscheidung im Bereich der Veterinärmedizin aber nicht vorgesehen hat, stützt dieses Ergebnis. (Dass ein vergleichender Blick auf die zuvor dargestellte Rechtslage für den Bereich der Humanspitäler grundsätzlich bei Interpretation der bestehenden Rechtslage nahe liegt, ergibt sich schon aus dem Erkenntnis VfSlg. 13.675/1994 betreffend das Werbeverbot für Tierärzte). Keinesfalls kann aus dem Fehlen einer beschränkenden Regelung im Tierärztegesetz quasi e contrario geschlossen werden, dass der Betrieb eines Tierspitals freiberuflichen Tierärzten vorbehalten ist.

Aus dieser - für den hier zu beurteilenden, dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Sachverhalt - maßgeblichen (lückenhaften) Rechtslage ergibt sich nun aber, dass die Behörde zu Unrecht eine Einschränkung der zulässigen Rechtsträgerschaft eines Tierspitals auf freiberufliche Tierärzte angenommen hat und damit ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung andere Personen - also auch juristische Personen (wie etwa auch dem antragstellenden Verein) - die Berechtigung zum Betrieb im Sinne einer Rechtsträgerschaft eines Tierspitals abgesprochen, was speziell im Lichte der Erwerbsausübungsfreiheit als grobe Verkennung der Rechtslage und damit als ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler zu qualifizieren ist.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 327 € sowie der Ersatz der - entrichteten - Eingabengebühr in der Höhe von 180 €

enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Erwerbsausübungsfreiheit, Krankenanstalten, Person juristische, Tierärzte, Berufsrecht, Auslegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1028.2002

Dokumentnummer

JFT_09959689_02B01028_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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