TE Vfgh Erkenntnis 2004/3/13 G211/03

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Veröffentlicht am 13.03.2004
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Index

31 Bundeshaushalt
31/01 Allgemeines Haushaltsrecht, Bundesbudget

Norm

B-VG Art1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs4
BudgetbegleitG 2003
GOG NR §41 Abs5, §44

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Budgetbegleitgesetzes 2003; keine relevante Verletzung der Bestimmungen der Geschäftsordnung des Nationalrates hinsichtlich der Beschlußfassung im Plenum; keine Verletzung des demokratischen und des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Verfassung durch das vorliegende "Sammelgesetz"; ausreichende Verständlichkeit und Auffindbarkeit der Normen; keine Zulässigkeit des Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten hinsichtlich bereits außer Kraft getretener Bestimmungen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen Art7 Z5, Z11, Z14 und Z16 (soweit §207n Abs1, §236c Abs1, §284 Abs50 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und Z1.2.4. lite der Anlage 1 zum Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 betroffen sind), Art8 Z1 bis 9, Z12 bis 15, Z18 bis 24 und Z27 (soweit §28 Abs1, §31 Abs2, §42 Abs1, §48 Abs1, §48a Abs1, §55 Abs1, §65 Abs1, §72 Abs1, §74a Abs1, §85 Abs1, §87 Abs2, §89 Abs1, §109 Abs1, §114 Abs2 Z1 bis 5, §117a Abs2, §118 Abs3, 4 und 5, §158 Abs2 und §165 Abs1 des Gehaltsgesetzes 1956 und ArtIV Abs3 der 31. Gehaltsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 662/1977 betroffen sind), Art9 Z1 bis 5, Z9 bis 20, Z23 (soweit §2c Abs2, §11 Abs1, §14 Abs1, §41 Abs1, §44, §49q Abs1 und Abs1a, §49v Abs1, §54, §56, §61 Abs1, §71 Abs1, §71 Abs2, §72 Abs1, §72 Abs2, §73 Abs2, §74 Abs2, §95 Abs1 und 1a und §100 Abs36 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 betroffen sind), Art10 Z1, Z1a, Z9, Z9a und Z10 (soweit §66 Abs1, §67 Z1 und Z2, §166e Abs1, §168 Abs2 und §173 Abs33 des Richterdienstgesetzes betroffen sind), Art11 Z3, Z10 und Z13 (soweit §13a Abs1, §115e Abs1 und §123 Abs43 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 betroffen sind), Art12 Z3, Z10 und Z13 (soweit §13a Abs1, §124e Abs1 und §127 Abs31 des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1985 betroffen sind), Art14 Z5, Z6a, Z11 bis 13, Z16, Z16a, Z21 und Z26 (soweit §9, §25a Abs4, §61 Abs3, §88 Abs1, §90 Abs1, 2, 3, 6 und 7, §90a, §91 Abs6, §93 Abs5, §94 Abs5 und §102 Abs44 Z2 des Pensionsgesetzes 1965 betroffen sind), Art15 Z5, Z12, Z15, Z17 und Z20 (soweit §5b Abs2, §18a Abs1, §18f Abs5, §18h Abs1, §18j Abs2 und 5 und §18k des Bundestheaterpensionsgesetzes betroffen sind), Art18 Z1, Z10 und Z11 (soweit §2 Abs1, §60 Abs5, §64 Abs2 und 3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes betroffen sind), Art19 Z1 bis 5 (soweit §2 Abs8 und §21 des Bundesbahngesetzes 1992 betroffen sind), Art39 Z7, Z27, Z32, Z32a, Z33 litc, Z35 lita, und Z36 (soweit §11a Abs7, §37 Abs8, §93 Abs3 Z4, §94 Z10, §94a Abs2 Z1, §97 Abs1 und §98 Z5 des EStG 1988 betroffen sind), Art40 Z3 und Z5 (soweit §22 Abs2 Z4 und §26a Abs16 Z2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 betroffen sind), Art41 Z1 und Z10 litb (soweit §30 Abs3 und §20 Abs6 Z2 Umgründungssteuergesetz betroffen sind), Art42 Z5a, Z6, Z8, Z10, Z11, Z12 und Z18 (soweit §6 Abs1 Z6 litd, §11 Abs1, §14 Abs1 Z1, §19 Abs2 Z1 litb, §20 Abs1 zweiter Satz, §20 Abs2 Z2 und §26 Abs5 des UStG 1994 betroffen sind), Art54 Z7 (soweit §4 Abs4 des Energieabgabenvergütungsgesetzes betroffen ist), Art73 Teil 2 Z2, Z2b, Z3a, Z6a, Z41, Z44 sowie Teil 3 Z16 und Z17 (soweit §70b Abs1,

§70b Abs2, §91 Abs1, §103 Abs2, §227 Abs1 Z1, §415 Abs1 und 3, §460b Z1 litb, §607 Abs7, 9, 11, 12, 13, 17a, 18 und 23 des ASVG betroffen sind), Art74 Teil 2 Z1a, Z2, Z3a, Z4a, Z5a und Z32 (soweit §25 Abs6a,

§33a Abs1, §33a Abs2, §60 Abs1, §71 Abs2, §116 Abs7, §298 Abs1 Z1 und 2, Abs2 Z2, Abs7, 9, 11, 12, 13, 16, 18 des GSVG betroffen sind), Art75 Teil 1 Z8, Art75 Teil 2 Z2, Z3a, Z4a, Z5a und Z32 (soweit §33c,

§56 Abs1, §67 Abs2, §107 Abs7, §286, §287 Abs1 Z1, Abs3, 7, 9, 11, 12, 13, 16 und 18 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes betroffen sind), Art76 Teil 1 Z5a, Z5b und Z6 sowie Art76 Teil 2 Z1 bis 3 und Z14 (soweit §27a, §206, §44 Abs2 und §159 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes betroffen sind), Art83 Z8, Z17, Z21 und Z27 (soweit §16 Abs1 lito, §27 Abs4, §39a Abs5 und Abs6 sowie §79 Abs70, 72 und 73 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 betroffen sind), Art85 Z3, Z4 und Z7 (soweit §35 Abs2, §35 Abs3 und 6 und §78 Abs13 des Arbeitsmarktservicegesetzes betroffen sind) des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, richtet.

Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit ihrem am 19. September 2003 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten, auf Art140 B-VG gestützten Antrag (datiert mit 18. September 2003) begehren 69 Mitglieder des Nationalrates, das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I 71, als verfassungswidrig aufzuheben. Bei der Erlassung dieses "Sammelgesetzes" seien einerseits das demokratische und rechtsstaatliche Bauprinzip der Bundesverfassung verletzt, andererseits die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates, BGBl. Nr. 410/1975 (im folgenden: GOG NR), nicht eingehalten worden. Diese Bedenken werden wie folgt begründet:

"1. Nichtauflage des Ausschussberichtes gemäß §44 GOG-NR

Das Budgetbegleitgesetz ist aus folgenden Gründen wegen Verstoßes gegen die zwingende Verfahrensvorschrift des §44 GOG verfassungswidrig:

Das Budgetbegleitgesetz 2003 wurde am 11. Juni 2003 in der 20. Sitzung der XXII. GP des Nationalrates beschlossen.

Die 20. Sitzung des Nationalrates wurde für 10. Juni 2003, 10.00 Uhr vom Präsidenten des Nationalrates einberufen. Nach Bekanntgabe des Einlaufes und anderer Verkündigungen des Präsidenten (z.B. Redezeitvereinbarung) wurde der Tagesordnungspunkt 1 eröffnet; der Erstredner begann mit seinen Ausführungen um 10.04 Uhr (siehe dazu die Rednerliste der 20. Sitzung des Nationalrates).

In der 18. Sitzung des Nationalrates am 4. Juni 2003 war von den Abgeordneten Mag. Molterer und Scheibner der Antrag gestellt worden, dem Budgetausschuss gem. §43 GOG für seine Beratungen über das Budgetbegleitgesetz 2003 eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen. Dieser Antrag war mit den Stimmen von den Abgeordneten der ÖVP und der FPÖ, also mit der notwendigen einfachen Mehrheit, angenommen worden. Es war daher dem Budgetausschuss für seine Beratungen über das Budgetbegleitgesetz 2003 eine Frist bis zum 6. Juni 2003 gesetzt (siehe dazu das Amtliche Protokoll der 18. Sitzung des Nationalrates).

Die Beratungen des Budgetausschusses über das Budgetbegleitgesetz 2003 wurden am Donnerstag, 5. Juni 2003 abgeschlossen (siehe dazu das Amtliche Protokoll des Budgetausschusses).

Gemäß §42 Abs1 GOG hat der Ausschuss am Schluss der Verhandlungen einen Berichterstatter für den Nationalrat zu wählen, der das Ergebnis der Verhandlungen, insbesondere hinsichtlich der Beschlüsse des Ausschusses, in einem schriftlichen Bericht zusammenzufassen hat.

Gemäß §44 Abs1 GOG darf die Verhandlung eines von einem Ausschuss vorzuberatenden Gegenstandes im Nationalrat in der Regel nicht vor Ablauf von 24 Stunden nach erfolgter Verteilung des Ausschussberichtes stattfinden. Diese Bestimmung über die 24-stündige Auflagefrist trägt dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen des Nationalrates (Art32 B-VG) und dem Recht der Abgeordneten auf Information über die Verhandlungsgegenstände Rechnung (vgl. Atzwanger/Zögernitz, NR-GO3 (1999), 239). Dem ist hinzuzufügen, dass das GOG von der Verteilung des schriftlichen Ausschussberichtes, wie er von der Parlamentsdirektion ausgefertigt wird, ausgeht. Nur dieser ist authentisch und kann Gegenstand der Verhandlungen und Abstimmungen werden. Eine Publikation des Ausschussberichtes oder von Teilen davon im Internet ist kein Ersatz für die schriftliche Verteilung der amtlichen Ausfertigung selbst. Die Geschäftsordnung sieht zwingend die Verteilung schriftlicher Ausschussberichte vor, eine allfällige Publikation im Internet wurde weder bekannt noch hätte eine solche die Verteilung des Ausschussberichtes ersetzen können.

Zusätzlich führen Atzwanger/Zögernitz aus, dass dem Gesetzeswortlaut dann entsprochen wird, wenn die Verhandlung über die Vorlage nicht vor Ablauf der Frist beginnt. Dem Sinn des Gesetzes - einer entsprechenden Information der Abgeordneten - ist jedoch nur entsprochen, wenn die Sitzung, auf deren Tagesordnung die Vorlage steht, nicht vor Ablauf der 24-stündigen Aufliegefrist beginnt.

Diese Bestimmung gewinnt im gegenständlichen Fall unzweifelhaft an Bedeutung: Der reine Gesetzestext des Budgetbegleitgesetzes 2003 umfasst nämlich 207 DIN-A4-Seiten. Die erläuternden Bemerkungen inkl. Textgegenüberstellung der Regierungsvorlage (59 dB XXII. GP) belaufen sich auf 540, der - zu spät verteilte - Ausschussbericht immerhin noch auf 33 A4-Seiten. Das zur Debatte am 10. Juni gelangende Konvolut umfasste also insgesamt 780 A4-Seiten. Auch wenn die Regierungsvorlage bereits längere Zeit im Nationalrat aufgelegen ist und sich die Abgeordneten informieren hätten können, so ist doch der Ausschussbericht in Zusammenhang mit der Regierungsvorlage maßgeblich für eine Vorbereitung auf die Debatte, denn nur daraus geht hervor, was tatsächlich in Verhandlung steht. Diese Überlegung trifft zwar immer zu, jedoch bei Sammelgesetzen diesen Ausmaßes ganz besonders.

Der Geschäftsordnungsgesetzgeber hat mit §44 Abs2 GOG einen einzigen Tatbestand vorgesehen, wie von dieser 24-stündigen Auflagefrist abgesehen werden kann:

'(2) Nur aufgrund eines Vorschlages des Präsidenten und des darüber mit 2/3-Mehrheit gefassten Beschlusses des Nationalrates kann von der Vervielfältigung des Ausschussberichtes und von der 24-stündigen Frist abgesehen werden.'

Der Geschäftsordnungsgesetzgeber hat daher diese 24-Stunden-Frist unter einen besonderen Schutz gestellt. Sie kann nur auf Vorschlag des Präsidenten - also nicht auf Antrag eines Abgeordneten - und mit qualifizierter Mehrheit - nämlich mit 2/3-Mehrheit - verkürzt werden. Eine weitere Möglichkeit von dieser Frist abzusehen, sieht das Geschäftsordnungsgesetz nicht vor.

Der Ausschussbericht des Budgetausschusses über das Budgetbegleitgesetz (111 d.B.) wurde den Abgeordneten am Dienstag, 10. Juni 2003, 7.45 Uhr zugestellt. Die Zustellung erfolgte dabei durch Zustellung in die Räumlichkeiten des Parlamentsklubs der SPÖ. Sollte dieser Zeitpunkt bestritten werden, lässt er sich leicht durch Vernehmung der mit der Verteilung beauftragten Bediensteten der Parlamentsdirektion und der mit der Übernahme im SPÖ-Klub betrauten Bediensteten feststellen.

Den 69 Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Österreichs wurde daher der Ausschussbericht zum Budgetbegleitgesetz 2003 (111 d.B.) nicht 24 Stunden vor der Aufnahme der Beratungen (oder Beginn der diesbezüglichen Nationalratssitzung), sondern lediglich etwas mehr als zwei Stunden vor Beginn der Beratungen zugestellt.

Die Aufnahme des Berichtes des Budgetausschusses über das Budgetbegleitgesetz 2003 auf die Tagesordnung der 20. Sitzung des Nationalrates erfolgte daher gegen die Bestimmung des §44 Abs1 GOG und war daher geschäftsordnungswidrig. Eine Aufnahme dieses Berichtes auf die Tagesordnung hätte gemäß §44 Abs2 GOG nur dann erfolgen dürfen, wenn der Präsident des Nationalrates einen Vorschlag auf Absehen von der 24-stündigen Auflagefrist gestellt hätte und dieser Vorschlag die 2/3-Mehrheit der anwesenden Abgeordneten gefunden hätte.

Wird dagegen eingewandt, dass dem Budgetausschuss zur Berichterstattung eine Frist mit 6. Juni 2003 gesetzt wurde, so ist auf die Bestimmung des §44 Abs3 GOG zu verweisen, die lediglich vorsieht, dass nach Ablauf einer dem Ausschuss zur Berichterstattung gesetzten Frist die Verhandlung in der dem Fristablauf nachfolgenden Sitzung selbst dann zu beginnen hat, wenn ein schriftlicher Ausschussbericht nicht vorliegt. Diese Bestimmung derogiert jedoch den Bestimmungen des §44 Abs1 und 2 GOG nicht, da eine Erfüllung der Fristsetzung auch dadurch möglich ist, dass - falls ein Ausschussbericht nicht vorliegt oder nicht rechtzeitig verteilt werden kann - die Regierungsvorlage auf die Tagesordnung gestellt wird. In diesem Fall wäre aber nicht über die Vorlage für das Budgetbegleitgesetz 2003 in der Fassung des Ausschussberichtes, sondern in der der Regierungsvorlage zu verhandeln und abzustimmen gewesen.

Der nicht näher begründeten Meinung von Atzwanger/Zögernitz, dass im Fall einer Fristsetzung das Gesetz die Einhaltung der 24-stündigen Aufliegefrist nicht vorsieht, kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden, da sich ein solcher Ansatz weder aus dem klaren Gesetzeswortlaut, noch aus einem zwingenden Interpretationsgrundsatz ergibt.

Vielmehr hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber selbst eine Wertung vorgenommen:

Er hat die Beschlussfassung über eine Fristsetzung mit einfacher Mehrheit normiert und die über die Abstandnahme von der 24-stündigen Auflagefrist mit 2/3-Mehrheit. Dadurch hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber aber auch eine Wertung vorgenommen, welches Rechtsgut mit einer höheren Schutzfunktion ausgestattet wird. Und diese Entscheidung hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber zugunsten der 24-stündigen Auflagefrist getroffen, also zugunsten des Rechtes der Abgeordneten auf Information über die Verhandlungsgegenstände.

Die erwähnte Bemerkung von Atzwanger/Zögernitz zu §44 Abs3 GOG kann also höchstens dahingehend zu verstehen sein, dass bei Fristsetzungen die Einhaltung der 24-stündigen Aufliegefrist dann nicht erforderlich ist, wenn sie tatsächlich nicht eingehalten werden kann, weil der Ausschuss seine Beratungen zwar nicht rechtzeitig zur Einhaltung der 24-Stunden-Frist, aber noch rechtzeitig vor Beginn der Sitzung abgeschlossen hat. In einem derartigen Fall, der in der parlamentarischen Praxis durchaus vorkommen kann, wäre die Interpretation von Atzwanger/Zögernitz vertretbar, sie dürfte sich auch nur auf diesen Fall beziehen. Nach Auffassung der Antragsteller wäre aber auch in einem derartigen Fall die Regierungsvorlage an Stelle des Ausschussberichtes den Beratungen zu Grunde zu legen, besagt doch der eindeutige Wortlaut des §44 Abs3 lediglich, dass nach Ablauf eine[r] de[m] Ausschuss zur Berichterstattung gesetzten Frist die Verhandlung in der dem Fristablauf nachfolgenden Sitzung selbst dann zu beginnen hat, wenn ein schriftlicher Ausschussbericht nicht vorliegt.

Indessen lag ein solcher Fall eines weniger als 24 Stunden vor der Sitzung beschlossenen Ausschussberichtes nicht vor: Die Ausschussberatungen wurden am Donnerstag, 5. Juni 2003 abgeschlossen. Der nächste Termin für eine Sitzung des Nationalrates war der Dienstag, der 10. Juni 2003. Zwischen diesen beiden Ereignissen lagen 4 volle Kalendertage. Die Einhaltung der 24-stündigen Auflagefrist wäre daher leicht möglich gewesen. Es wäre sogar möglich gewesen, den Ausschussbericht am Freitag, dem 6. Juni zu erstellen und zu vervielfältigen und ihn am Montag, dem 9. Juni in den frühen Vormittagsstunden zur Verteilung zu bringen. Insofern wären - abgesehen davon, dass dies für parlamentarische Fristen ohnehin keine Rolle spielt - nicht einmal Arbeiten außerhalb der normalen Wochenarbeitszeiten notwendig gewesen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten:

Dem Budgetausschuss wurde für die Berichterstattung über das Budgetbegleitgesetz 2003 eine Frist mit 6. Juni 2003 gesetzt.

Der Ausschussbericht wurde an die Abgeordneten am Dienstag, 10. Juni 2003, um 7.45 Uhr über den Klub zugestellt.

Die Beratungen über den Bericht des Budgetausschusses (111 d.B.) erfolgte als TOP 1 in der 20. Sitzung des Nationalrates, die am Dienstag, 10. Juni 2003, 10.00 Uhr aufgenommen wurde.

Der Präsident des Nationalrates hat keinen Vorschlag gemäß §44 Abs2 GOG dem Nationalrat unterbreitet, von der 24-stündigen Auflagef[r]ist gem. §44 Abs1 GOG abzusehen; der Nationalrat hat daher in Folge auch nicht mit 2/3-Mehrheit einen diesbezüglichen Beschluss gefasst.

Bezugnehmend auf die Fristsetzung hätte daher die Regierungsvorlage (59 d.B.) betreffend das Budgetbegleitgesetz 2003 vom Präsidenten des Nationalrates auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen.

Die Beschlussfassungen über das Budgetbegleitgesetz erfolgten daher nicht dem Geschäftsordnungsgesetz entsprechend, also geschäftsordnungswidrig.

Da die Bestimmungen des §44 Abs1 GOG über die 24-stündige Auflagefrist zu jenen Bestimmungen gehört, die sichern sollen, dass in den Gesetzesbeschlüssen die wahre Meinung der Mehrheit des Nationalrates zum Ausdruck kommt, indem sie nämlich den Abgeordneten die Möglichkeit gibt, sich über die Verhandlungsgegenstände zu informieren und entsprechend darauf vorzubereiten, belastet ein Verstoß dagegen ein solcherart zustande gekommenes Gesetz als Ganzes mit Verfassungswidrigkeit.

Im konkreten Fall des Budgetbegleitgesetzes 2003, dessen Umfang - wie oben erwähnt - mehrere hundert Seiten beträgt und mit dem 84 verschiedene Gesetze (die in keinem anderen Zusammenhang als dem der Budgethoheit des Bundes stehen) geändert und 6 neue Gesetze erlassen wurden, verdeutlicht sich der Zweck der Bestimmung des §44 Abs1 GOG hinreichend, so dass kein Zweifel darüber bestehen kann, dass dieses Sammelgesetz wegen geschäftsordnungswidrigem Zustandekommen zur Gänze verfassungswidrig ist.

2. Verstoß gegen das demokratische und das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass das Budgetbegleitgesetz aus folgenden Gründen gegen das demokratische und das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung verstößt und daher verfassungswidrig ist:

Das demokratische Prinzip und das rechtsstaatliche Prinzip, wie sie unbestrittener Maßen der österreichischen Bundesverfassung zu Grunde liegen, bedingen und ergänzen einander: Das demokratische Prinzip sichert, dass die Normunterworfenen selbst oder durch ihre Repräsentanten in demokratisch legitimierter Weise die Gesetze erlassen (Art1 B-VG verheißt: 'Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.') Zum Gesetzgeber beruft Art24 B-VG den Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat, Art26 B-VG sieht für den Nationalrat die unmittelbare Wahl durch das Bundesvolk vor. Das Rechtsstaatlichkeitsprinzip sichert wiederum, dass die Rechtsordnung soweit inhaltlich bestimmt ist, dass die Bürger sich inhaltlich an vom demokratische[n] Gesetzgeber beschlossenen Gesetzen orientieren können und die Vollziehung insoweit durch die Gesetzgebung gebunden ist. Wesentlicher Gedanke des Rechtsstaates ist das Prinzip der Rechtssicherheit, und die Möglichkeit für den Bürger, die Einhaltung des Rechts auch überprüfen zu lassen, was wiederum die Rückbindung an den im Gesetz geäußerten Willen des demokratischen Gesetzgebers garantiert.

Das demokratische Prinzip und das rechtsstaatliche Prinzip erfordern gemeinsam, dass Gesetze einerseits tatsächlich inhaltlich von dem vom Volk gemäß Art26 B-VG gewählten Repräsentanten inhaltlich besch[l]ossen werden (im folgenden Punkt a), andererseits, dass Gesetze selbst so sind, dass sich der Normunterworfene daran orientieren kann (ein Ausfluss des zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gehörenden Legalitätsprinzips, im folgenden Punkt b).

In beiderlei Hinsicht verletzt das angefochtene Gesetz das demokratische und das rechtsstaatliche Prinzip; überdies verletzte das Gesetzgebungsverfahren die zur Sicherung der Einhaltung dieser Prinzipien erlassenen Verfahrensbestimmungen der Geschäftsordnung des Nationalrates gehäuft und schwer.

a) Angesichts der Vielfalt vom Gesetzgeber zu regelnder Inhalte sieht das (in Art30 Abs2 B-VG vorgesehene und mit erhöhter Bestandsgarantie ausgestattete) Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 163/1998, (im folgenden: GOG-NR) eine Spezialisierung der Beratungstätigkeit von Abgeordneten und damit auch der Abgeordneten selbst vor. Gemäß §32 Abs1 GOG-NR sind zur Vorberatung der Verhandlungsgegenstände Ausschüsse zu wählen, deren Zusammensetzung das Stärkeverhältnis der Klubs widerspiegelt. Gemäß §69 Abs6 und 7 und §70 GOG-NR sind Gesetzesvorschläge zwingend in Ausschüssen vorzuberaten. Grundsätzlich kann kein Gesetzesvorschlag vom Plenum des Nationalrates ohne Vorberatung im Ausschuss beschlossen werden.

Die Ausschussmitglieder sind berechtigt und verpflichtet (§11 GOG-NR!), an den Beratungen ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Sie werden im Falle ihrer Verhinderung durch gewählte Ersatzmitglieder vertreten (§32 Abs3 GOG-NR). Ausnahmsweise kann ein verhindertes Ausschussmitglied gemäß §32 Abs4 GOG-NR auch durch einen anderen Abgeordneten des selben Klubs nach schriftlicher Meldung beim Obmann des Ausschusses durch den Klub vertreten werden (dazu im folgenden).

Wie erwähnt sichern diese Vorschriften die Möglichkeit der Arbeitsteilung zwischen den Abgeordneten. Diese Arbeitsteilung ist Voraussetzung dafür, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung der Abgeordneten mit Gesetzesvorschlägen tatsächlich möglich ist und so die Abgeordneten auf den Inhalt des Gesetzes Einfluss nehmen können. Diese Möglichkeit wird ihnen genommen, wenn, wie im Falle des angefochtenen Gesetzes, sämtliche Materien in einem Gesetz zusammengefasst werden und dieses dann nur in einem einzigen Ausschuss beraten werden kann. Die Zuweisung eines Gesetzesantrages an mehrere Ausschüsse sieht die Geschäftsordnung nicht vor, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass derartige Sammelgesetze völlig unterschiedlicher Materien nicht geschäftsordnungskonform sind.

Mit dem Budgetbegleitgesetz wurde de facto die gesamte Gesetzesproduktion zumindest eines Jahres (aber mit einer Wirksamkeit für Jahrzehnte, siehe Pensionsreform und Abfangjägerkauf) in ein einziges Gesetz verpackt. Die unterschiedlichen Materien dieser Gesetze hätten zumindest von folgenden Ausschüssen beraten werden müssen: Ausschuss für Arbeit und Soziales, Bautenausschuss, Familienausschuss, Finanzausschuss, Gesundheitsausschuss, Industrieausschuss, Ausschuss für innere Angelegenheiten, Justizausschuss, Landesverteidigungsausschuss, Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Ausschuss für Sportangelegenheiten, Umweltausschuss, Unterrichtsausschuss, Verfassungsausschuss, Verkehrsausschuss und Wirtschaftsausschuss. Anstelle dessen wurden sämtliche Materien im Budgetausschuss beraten, in dessen Zuständigkeit keine einzige Materie des Budgetbegleitgesetzes gefallen wäre, wären die einzelnen Materien als Einzelgesetze dem Nationalrat vorgelegt worden.

Es liegt auf der Hand, dass bei der Zusammenfassung einer solchen Vielzahl von Materien in einem Gesetz einerseits das Recht der Ausschussmitglieder verletzt wird, ihnen auf Grund ihrer Zuteilung an einen Ausschuss zukommende Materien zu beraten. Dadurch wird gleichzeitig auch das Recht der Klubs (dessen Bildung in §7 GOG-NR vorgesehen und aufgrund der Bestimmungen des GOG-NR für das Funktionieren des parlamentarischen Verfahrens wie in allen vergleichbaren Demokratien unerlässlich ist) verletzt, für eine effiziente inhaltliche Beratung der Materien zu sorgen: Die durch die Zuteilung der Abgeordneten zu Ausschüssen ermöglichte Arbeitsteilung innerhalb eines Klubs versetzt eine parlamentarische Fraktion in die Lage, dass sie sich insgesamt inhaltlich in den Gesetzgebungsprozess einbringen kann, und zwar jeweils durch 'spezialisierte Abgeordnete', die gleichsam die Vertrauensleute des Klubs für die einzelnen Materien darstellen und denen die anderen Abgeordneten eines Klubs bei ihrer Willensbildung im Plenum folgen.

Die Beratung und Möglichkeit von Abänderungsanträgen im Plenum ersetzt die Ausschussberatung nicht, weil sie äußerst beschränkt sind und die Verfahrensgestaltung im Plenum eher an die Öffentlichkeit gerichtet ist. Demgegenüber soll die Ausschussberatung den einzelnen Abgeordneten die Gelegenheit geben, ihre - ebenfalls in die Materie eingearbeiteten Kollegen - inhaltlich zu überzeugen und so zu einer gemeinsamen bzw. mehrheitlichen Willensbildung zu kommen. Der VfGH hat in seiner Rechtssprechung zur Willensbildung von Kollegialorganen stets betont, wie sehr die tatsächliche inhaltliche Diskussion und gemeinsame Willensbildung von Bedeutung ist (und dementsprechend beispielsweise Umlaufbeschlüsse für unzulässig erklärt, wenn sie nicht ausdrücklich vorgesehen waren).

Tatsächlich zeigte die Beratung dieses 'Gesetzesmonstrums' im Budgetausschuss, dass in der Praxis eine den Vorschriften des GOG-NR entsprechende, ordnungsgemäße Beratung eines solchen Sammelgesetzes nicht möglich ist, sodass es zu einer gehäuften Verletzung von Verfahrensvorschriften kam.

Es ist von der Vielfalt der Themen ausgeschlossen, dass die Mitglieder des Budgetausschusses alle diese Materien beraten. Zum Ausgleich der Verletzung des Prinzips der spezialisierten Beratung im zuständigen Ausschuss wurde nun versucht, die jeweils 'zuständigen' Ausschussmitglieder zur Beratung in den Budgetausschuss gemäß der vorhin erwähnten Vorschrift des §32 Abs4 GOG-NR 'hineinzunominieren'. Derartiges ist vom Zweck dieser Vorschrift her nicht vorgesehen, im Gegenteil, die Geschäftsordnung geht davon aus, dass es jeweils nur einen Verhandlungsgegenstand gibt, der von den jeweils gleichen Abgeordneten beraten wird; dementsprechend kommen die einzelnen Ausschussmitglieder in der Reihenfolge ihrer Wortmeldungen zu Wort (§41 Abs5 GOG-NR). Eine Änderung der Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände im Ausschuss ist gemäß §41 Abs2 (GOG-NR) nur zu Beginn einer Sitzung zulässig. Dies gewährleistet, dass die einzelnen Abgeordneten wissen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Gegenstände aufgerufen werden, sowie, zu welchem Zeitpunkt sie selbst mit einer Wortmeldung an der Reihe sind. Dies ermöglicht ihnen eine aktive Teilnahme an den Beratungen.

Diese Vorschriften der Geschäftsordnung wurden in der Beratung des Budgetausschusses über das Budgetbegleitgesetz wiederholt und krass verletzt, insgesamt war der Beratungsverlauf gelinde gesagt chaotisch.

Der (von der größeren Regierungspartei gestellte) Vorsitzende teilte nach eigenem Gutdünken die Materien des Budgetbegleitgesetzes in einzelne 'Beratungsgruppen' und rief diese entsprechend interner Vereinbarungen mit dem Regierungspartner zur Beratung auf. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die parlamentarische Praxis, Tagesordnungen und den Ablauf von Ausschusssitzungen einvernehmlich zwischen allen Fraktionen festzulegen, bei der Beratung des Budgetbegleitgesetzes aufgegeben wurde. Alle Termine und deren Ablauf wurden einseitig durch den Vorsitzenden festgelegt und nicht auf Grund eines Konsenses in der Präsidialkonferenz.

Dies lief im Einzelnen folgendermaßen ab, wie aus dem amtlichen Protokoll der Ausschussberatungen hervorgeht: Am 13. Mai 2003 wurde ab 15.44 Uhr begonnen mit Steuerfragen, dann wurde fortgesetzt mit Pensionen, Gesundheit und Arbeitsmarktberatung bis um 19 Uhr. Am 14. Mai 2003 wurden Pensionen, Gesundheit und Arbeitsmarkt beraten. Am 15. Mai 2003 zuerst zwei Stunden Finanzen, anschließend vorübergehend Pensionen, Gesundheit und Arbeitsmarkt. Am 20. Mai 2003 wurde für dreieinhalb Stunden die Frage der 'Luftraumüberwachung erörtert', anschließend wieder Steuer und Finanzen. Am 22. Mai 2003 wurden zuerst eineinhalb Stunden Grundsatzfragen diskutiert, anschließend für zwei Stunden sonstige Artikel des Budgetbegleitgesetzes. Dies wurde am 28. Mai 2003 mit den Finanzen und sonstigen Artikeln des Budgetbegleitgesetzes für drei Stunden fortgesetzt, dann wurde noch einmal drei Stunden lang die Luftraumüberwachung diskutiert. Am 3. Juni 2003 war wieder für zweieinhalb Stunden der Arbeitsmarkt dran, am 5. Juni 2003 folgten in kurzer Abfolge Debatten über die Luftraumüberwachung, die Pensionen, die Gesundheitsthemen, anschließend wurden die Abstimmungen vorgenommen.

Bei jedem Wechsel dieser Bereiche wurde[n] von den Klubs - soweit dies technisch überhaupt machbar war - andere Abgeordnete gemäß §32 Abs4 nominiert, wobei bis zu vier Rednerlisten parallel bestanden. Schon dies ist eine krasse Verletzung de[s] §41 Abs5 GOG-NR, der nur eine Rednerliste kennt, die die Reihenfolge der Abgeordneten in der Debatte zu einem Gesetzesvorschlag festlegt. Es war daher in keiner Weise mehr vorhersehbar, wann welcher Abgeordnete zu welchem Thema zu sprechen hat, wobei dies teilweise groteske Auswirkungen hatte: Um die Mitwirkung der eigentlich zuständigen Abgeordneten zu erreichen, mussten die Klubs stundenlang alle Abgeordneten in Bereitschaft halten, wobei dann wiederum nicht vorhersehbar war, zu welchem Zeitpunkt mit welcher der vier Rednerlisten fortgesetzt wird. Tatsächlich war es der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion großteils nicht möglich dafür zu sorgen, dass die den eigentlich zuständigen Ausschüssen zugeteilten Abgeordneten an den vom Vorsitzenden festgelegten 'Beratungsteilen' auch tatsächlich teilnehmen konnten.

Die Vorschrift des §41 Abs5 GOG-NR, wonach die Abgeordneten in der Reihenfolge ihrer Wortmeldungen aufgerufen werden, war so gut wie außer Kraft gesetzt. Es ist einzuräumen, dass diese Verletzungen der Geschäftsordnung das Ziel verfolgten, den Mangel auszugleichen, dass derartig viele Materien zu einem Gesetz zusammengefasst wurden. Insgesamt führten diese Verletzungen der Geschäftsordnung aber dazu, dass das Gesetz im Ausschuss mangelhaft zustande kam. Da dadurch im Ergebnis die inhaltliche Befassung der Abgeordneten mit dem Gesetz krass beeinträchtigt wurde, verletzte diese Vorgangsweise in ihrer Gesamtheit auch das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip. Das Gesetz ist unter diesem Gesichtspunkt verfassungs- und gesetzeswidrig zustande gekommen.

b) Aber auch inhaltlich verstößt das Budgetbegleitgesetz gegen das rechtsstaatliche Prinzip, insbesondere gegen das Legalitätsprinzip (Artikel 18 B-VG), weil es in einem Ausmaß systematisch nicht zusammengehörende Materien in sich vereint, dass es den Normunterworfenen so gut wie nicht mehr möglich ist, sich über die durch dieses Budgetbegleitgesetz geänderte Rechtslage zu informieren:

Es wurde bereits erwähnt, dass mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 84 verschiedene Gesetze novelliert und 6 neue Gesetze erlassen wurden. Der Verfassungsgerichtshof hat sowohl in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.151, als auch in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2000 Bedenken gegen solche sog. 'Sammelgesetze' geäußert. In VfSlg. 16.151 sah er sich veranlasst, folgenden Hinweis auszusprechen:

'Die Kompliziertheit - im Besonderen des zweiten Absatzes des Pkt. I. - des Spruches des vorliegenden Erkenntnisses ist im Wesentlichen eine Konsequenz der auch beim Pensionsreformgesetz 2000 angewendeten legistischen Technik der 'Sammelnovelle', also der Änderung einer Vielzahl von Bundesgesetzen in einem Gesetz, in Verbindung mit der erneuten Änderung zahlreicher davon betroffener Bestimmungen in kurzer zeitlicher Aufeinanderfolge. Dass diese gesetzgeberische Praxis, die in den vergangenen Jahren bedauerlicher Weise gehäuft geübt wurde, der Erkennbarkeit des Rechts äußerst abträglich ist, liegt auf der Hand.'

Die Antragsteller schließen sich dieser Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an. Aufgrund der den zahlreichen Sammelgesetzen der letzten Jahre innewohnenden Kompliziertheit ist es für den einzelnen Rechtsunterworfenen fast unmöglich, sein Verhalten nach den jeweils geltenden Gesetzen zu orientieren. Insofern steht das Budgetbegleitgesetz 2003 als Ganzes mit dem Legalitätsprinzip des Art18 B-VG in Widerspruch.

3. Das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates als Prüfungsmaßstab

Die Antragsteller haben in den vorherigen Ausführungen wiederholt das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates als Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes herangezogen. Zusammenfassend sei hiezu noch folgendes ausgeführt:

Grundsätzlich bildet nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 16.151) auch das Geschäftsordnungsgesetz 1975 einen Maßstab für die dem Verfassungsgerichtshof obliegende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen. Der Verfassungsgerichtshof ist weiters der Auffassung, dass dabei zwischen jenen Bestimmungen des Geschäftsordnungsgesetzes, deren Verletzung zur Beurteilung führt, dass der Gesetzesbeschluss nicht verfassungsmäßig zustande gekommen ist - das sind all jene Bestimmungen des GOG, die sichern sollen, dass in den Gesetzesbeschlüssen die wahre Meinung der Mehrheit des Nationalrates zum Ausdruck kommt - und bloßen Ordnungsvorschriften zu unterscheiden ist, deren Verletzung nicht zur Verfassungswidrigkeit des jeweiligen BG führt (VfSlg. 16.151).

Die Antragsteller schließen sich dieser Rechtsansicht an, weisen jedoch darauf hin, dass die Qualifikation als 'sanktionslose Ordnungsvorschrift' die jeweilige Bestimmung ihrer Existenzberechtigung beraubt und daher eine sehr sorgfältige Prüfung und Abwägung zu treffen sein wird, wollte man eine Bestimmung des Geschäftsordnungsgesetzes derart qualifizieren.

Weiters weisen die Antragsteller auf die Besonderheit des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates hin: Die Mitglieder des Hohen Hauses repräsentieren das Staatsvolk - den Souverän. In diesem höchsten Gremium der Republik verbieten sich Automatismen aus demokratischen und praktischen Gründen. Nahezu jede Entscheidung - mit Ausnahme bestehender Minderheitsrechte im Nationalrat - hat folgerichtig eine Mehrheitsentscheidung zu sein. Entscheidungen jedoch, die von einer Mehrheit des Nationalrates getroffen wurden, werden kaum im Gegenzug von einer Mehrheit als für geschäftsordnungswidrig zustandegekommen erachtet werden. Daher finden sich im GOG so gut wie keine Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung einzelner Bestimmungen, sie wären schlichtweg sinnlos.

Das heißt aber nicht, dass es sich deshalb um lauter 'sanktionslose Ordnungsvorschriften' handelt. Denn das Recht eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates, Gesetze beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, beinhaltet genauso das Recht, das verfassungsmäßige Zustandekommen eines Gesetzes überprüfen zu lassen. Eine extensive Anwendung der Rechtsansicht, es bestünden 'bloße Ordnungsvorschriften' im GOG, deren Verletzung unbedenklich ist, schränkt dieses gem. Art140 B-VG bestehende Kontrollrecht ein und ist daher bedenklich. Insofern bietet das GOG dem Verfassungsgerichtshof einen hinreichend strengen Prüfungsmaßstab, der der Bedeutung des verfassungsmäßigen Zustandekommens von Gesetzen in einer demokratischen Gesellschaft gerecht wird.

Es mag allenfalls angehen, dass kleine Verstöße gegen scheinbar unbedeutende 'Ordnungsvorschriften' des GOG nach Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens als geheilt betrachtet werden können. Doch ist das ein wesensmäßiger Unterschied zur Auffassung, diese Verstöße bewirkten gar keinen Mangel. Nach Auffassung der Antragsteller hat der Verfassungsgerichtshof daher jeden Regelverstoß im Gesetzgebungsverfahren zu relevieren und könnte allenfalls zur Ansicht gelangen, dass ingesamt (etwa durch nach dem Verstoß gelegene, nachgeholte Handlungen) keine Verfassungswidrigkeit des Zustandekommens vorliegt, weil durch fortgeführte, geschäftsordnungsmäßige Behandlung ein leichter Verstoß als geheilt betrachtet werden kann. Keinesfalls kann dies aber für Verstöße gegen Bestimmungen der Geschäftsordnung gelten, die die inhaltliche Befassung von Abgeordneten mit den Gesetzesvorschlägen und ihre darauf aufbauende Willensbildung sichern sollen. Bei dieser Beurteilung haben tatsächliche politische Verhältnisse außer Betracht zu bleiben, insbesondere, dass in der politischen Realität die mehrheitliche Zustimmung jener Abgeordneten, deren Fraktionen die Regierungsmitglieder stellen, jedenfalls gesichert ist. Die verfassungsrechtliche Beurteilung hat jedenfalls davon auszugehen, dass Gesetze durch die Willensbildung jedes einzelnen Abgeordneten zustande kommen und dies die Möglichkeit einer inhaltlichen Befassung mit den Gesetzesvorschlägen voraussetzt."

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie begehrt, den vorliegenden Antrag aus folgenden Gründen abzuweisen:

"Zu der Frage, wie einzelne Bestimmungen des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 auszulegen sind und ob diese im der Erlassung des Budgetbegleitgesetzes 2003 vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren im Nationalrat eingehalten wurden, kann auf die dem Verfassungsgerichtshof vorliegende Äußerung des Präsidenten des Nationalrates verwiesen werden.

Insbesondere ist der Äußerung des Präsidenten des Nationalrates darin beizutreten, dass nicht jede Verletzung von Bestimmungen des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 Verfassungswidrigkeit des erlassenen Bundesgesetzes bewirken kann, sondern nur die solcher Bestimmungen, die im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 'sichern sollen, dass in den Gesetzesbeschlüssen die wahre Meinung der Mehrheit des Nationalrates zum Ausdruck kommt' (vgl. VfSlg. 16.151/2001).

[...]

Soweit Nichtauflage des Ausschussberichts nach §44 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 gerügt wird, ist auf §44 Abs3 der Geschäftsordnung des Nationalrates und auf Anmerkung 4) in Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung, hinzuweisen. §44 Abs3 leg. cit. lautet:

'(3) Nach Ablauf einer dem Ausschusse zur Berichterstattung gesetzten Frist hat die Verhandlung in der dem Fristablauf nachfolgenden Sitzung selbst dann zu beginnen, wenn ein schriftlicher Ausschußbericht nicht vorliegt.'

In Anmerkung 4) aaO wird ausgeführt:

'Wurde vom NR einem Ausschuß eine Frist zur Berichterstattung (§§43 bzw. 54) gesetzt, hat der Präs die betr Vorlage auf die TO der dem Fristablauf folgenden Sitzung des NR zu setzen. In diesem Fall sieht das G die Einhaltung der 24stündigen Aufliegefrist iSd Abs1 nicht vor.'

Da im gegenständlichen Fall dem Budgetausschuss eine Frist zur Berichterstattung gesetzt wurde, scheint ein Verstoß gegen §44 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 nicht vorzuliegen.

Zur Frage des Ablaufs der Beratungen in den einzelnen 'Beratungsgruppen' selbst ist dem Antrag G211/03 zusammengefasst zu entnehmen, dass es 'tatsächlich der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion großteils nicht möglich war dafür zu sorgen, dass die den eigentlich zuständigen Ausschüssen zugeteilten Abgeordneten an den vom Vorsitzenden festgelegten 'Beratungsteilen' auch tatsächlich teilnehmen konnten'. Diesen Ausführungen kann jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nicht entnommen werden, in welchen konkreten Fällen tatsächlich eine Teilnahme der betroffenen Abgeordneten nicht möglich war. Weiters ist darin kein Vorbringen zu erkennen, dass durch die gewählte Vorgangsweise die Willensbildung im betreffenden Ausschuss in einer Weise beeinträchtigt worden sei, die letztlich eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Willensbildung durch den Nationalrat selbst verunmöglicht habe.

[...]

1.3. Zu den Bedenken gegen das angefochtene Bundesgesetz selbst im Hinblick auf das rechtsstaatliche und das demokratische Prinzip:

Die Antragsteller des Verfahrens G211/03 rügen, soweit es den Inhalt des angefochtenen Bundesgesetzes betrifft, im Wesentlichen,

* dass die Zusammenfassung einer Anzahl unterschiedlicher

Materien, für die eine Anzahl verschiedener Ausschüsse des Nationalrates zuständig gewesen wäre, zu einem einzigen Bundesgesetz gegen das demokratische Prinzip der Bundesverfassung verstoße, das (wie die Antragsteller annehmen) ein Recht der Ausschussmitglieder umfasse, die dem Ausschuss zukommenden Materien zu beraten;

* dass das Budgetbegleitgesetz 2003 gegen das

rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung verstoße, weil es in einem Ausmaß systematisch nicht zusammengehörende Materien vereine, dass es den Normunterworfenen so gut wie nicht mehr möglich sei, sich über die durch dieses Bundesgesetz geänderte Rechtslage zu informieren.

1.3.1. Zum 'Prinzip der spezialisierten Beratung':

Die Bundesverfassung selbst verlangt mit keiner Bestimmung, dass Gesetzesvorschläge von einem Ausschuss der gesetzgebenden Körperschaft vorberaten werden. Sie sieht zwar bestimmte Ausschüsse des Nationalrates ausdrücklich vor und weist diesen Aufgaben zu; bei den solcherart zugewiesenen Aufgaben handelt es sich aber durchwegs nicht um die Vorberatung von Gesetzesvorschlägen, sondern im wesentlichen um verschiedene Formen der Mitwirkung an der Vollziehung. So sind Ausschüsse des Nationalrates vorgesehen für

* die Mitwirkung an der Erlassung von Verordnungen (Art18

Abs3, Art55 Abs2 B-VG), an der österreichischen Mitwirkung im Rahmen der Europäischen Union an der Ernennung von Mitgliedern der Kommission, des Gerichtshofes, des Gerichtes erster Instanz, des Rechnungshofes, des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank, des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen im Rahmen der Europäischen Union (Art23c Abs1 B-VG), an Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union (Art23e Abs5 B-VG), weiters an der Vorberatung der Abhaltung einer Volksbefragung (Art49b Abs1 B-VG) am Wahlvorschlag für den Präsidenten des Rechnungshofes (Art122 Abs4 B-VG) und für die Volksanwälte (Art148g Abs2 B-VG), durch den Hauptausschuss bzw. dessen ständigen Unterausschuss,

* die Erteilung des Einvernehmens zu unvorhersehbaren und

unabweisbaren außerplanmäßigen bzw. überplanmäßigen Ausgaben - durch den 'mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betraute[n] Ausschuss' (Art51b Abs2 und 6 sowie Art51c B-VG);

* die Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der

verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung (Art52a Abs5 B-VG);

* die Untersuchung von Angelegenheiten der Vollziehung des

Bundes (Art53 B-VG);

* die Verhandlung der Berichte des Rechnungshofes

(Art126d Abs2 B-VG).

Lediglich mit der Formulierung von dem 'mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betrauten Ausschuß' (Art51b Abs2 und 6 sowie Art51c B-VG) setzt die Bundesverfassung klar voraus, dass zu den Aufgaben von Ausschüssen des Nationalrates auch die Vorberatung von Gesetzesvorschlägen gehört sowie dass die Aufgabe der Vorberatung von Gesetzesvorschlägen je nach ihrem Gegenstand auf mehrere Ausschüsse aufgeteilt sein kann. Ein verfassungsmäßiges Gebot einer solchen Vorberatung ist der Bundesverfassung nicht zu entnehmen.

Noch weniger besteht eine Garantie der Zuständigkeiten von Ausschüssen. Wie die Antragsteller nicht verkennen, ist es eine Bestimmung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 (§32), die die Wahl von Ausschüssen des Nationalrates zur Vorberatung der Verhandlungsgegenstände vorsieht. Die Bundesverfassung enthält keine Bestimmung, der ein Gebot der Vorberatung durch spezialisierte Ausschüsse entnommen werden kann.

Aber auch das Geschäftsordnungsgesetz 1975 stellt ein solches Prinzip nicht auf: Sein §32 Abs1 bestimmt lediglich, dass der Nationalrat die Zahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder jedes zu wählenden Ausschusses festsetzt. Über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ausschüssen trifft das Geschäftsordnungsgesetz 1975 (abgesehen von einzelnen der oben erwähnten, bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Ausschüsse) keine Aussage. Keinerlei Anhaltspunkt besteht für ein Geschäftsordnungsgebot, für die Vorberatung von Gesetzesvorschlägen mehrere, jeweils für unterschiedliche Sachmaterien zuständige Ausschüsse zu wählen, oder gar für ein Recht der Ausschussmitglieder, die dem Ausschuss zukommenden Materien zu beraten.

Der unter dem Gesichtspunkt des 'Prinzips der spezialisierten Beratung' behauptete Verstoß gegen das demokratische oder auch das rechtsstaatliche Prinzip behauptete Verfassungsverstoß liegt daher nicht vor.

1.3.2. Zum behaupteten Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip durch ('qualifizierte') Vereinigung systematisch nicht zusammengehörender Materien:

Die Antragsteller beider Verfahren führen aus, dass es dadurch, dass das Budgetbegleitgesetz 2003 in so hohem Ausmaß systematisch nicht zusammengehörende Materien vereine, den Normunterworfenen so gut wie nicht mehr möglich sei, sich über die durch dieses Bundesgesetz geänderte Rechtslage zu informieren.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

a) Der Verfassungsgerichtshof setzte sich mit der Frage der Verständlichkeit und Auffindbarkeit einer Norm, deren Inhalt ebenfalls durch ein sogenanntes 'Sammelgesetz' geändert wurde, im Erkenntnis vom 4. Dezember 2001, VfSlg. 16381/2001, auseinander. Konkret hatte der Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Gedankens einer hinreichenden Publizität von Rechtsvorschriften anhand einer Novelle von Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes[,die] durch Art66 des Budgetbegleitgesetzes 2001 geändert wurden[,] festgehalten:

'Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch nicht finden, daß im vorliegenden Fall ein solcher 'archivarischer Fleiß' zum Auffinden der relevanten gesetzlichen Bestimmung erforderlich wäre, ist doch dem Budgetbegleitgesetz 2001 ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt, welches Auskunft über die in diesem 'Sammelgesetz' novellierten oder sonst darin enthaltenen Bundesgesetze gibt und aus dem auch entnommen werden kann, daß eine Änderung des ASVG im 8. Teil dieses Sammelgesetzes unter Art66 erfolgt ist.

Mag die Zusammenfassung von zahllosen Gesetzesänderungen in einem einzigen (Sammel-)Bundesgesetz gewisse faktische Erschwernisse für einen Rechtsunterworfenen bedeuten, so kann nicht einmal gesagt werden, daß die hier maßgebliche Bestimmung erst durch Studium des gesamten Gesetzeswerkes aufgefunden werden könnte. ...'

Auch dem hier angefochtenen Budgetbegleitgesetz ist ein in Teile und Abschnitte gegliedertes Inhaltsverzeichnis vorangestellt, in dem auch unter jeweiliger ziffernmäßiger Bezeichnung der Artikel die Titel sämtlicher Gesetze, welche geändert, aufgehoben oder neu erlassen werden, angeführt sind. Da die Inhaltsverzeichnisse der Budgetbegleitgesetze 2001 und 2003 von ihrem Aufbau her gleich geeignet sind, die Auffindbarkeit einer bestimmten Änderung zu gewährleisten, ist die Bundesregierung daher der Auffassung, dass die insofern unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips geäußerten Bedenken der Antragsteller in beiden Verfahren nicht zutreffen.

Das Budgetbegleitgesetz 2003 vereinigt zwar Regelungsvorhaben aus unterschiedlichen Rechtsbereichen, ordnet diese jedoch in systematischer Weise dergestalt, dass die einzelnen Novellenartikel nach rechtssystematischen Gesichtspunkten zu Abschnitten und Teilen zusammengefasst werden. Diese Systematik, die auch inhaltliche Zusammenhänge innerhalb der einzelnen Teile und Abschnitte andeutet, wird durch das vorangestellte Inhaltsverzeichnis explizit gemacht. Im Vergleich zu einer großen Anzahl einzelner Bundesgesetze wird sogar bei dem von den Antragstellern offenbar bevorzugten Verfahren der Einzelnovellierung von einer verbesserten Erkennbarkeit des Gesetzesinhaltes für den von einer Gesetzesänderung betroffenen Normadressaten 'auf den ersten Blick' auszugehen zu sein.

b) Was die vermeintliche Kompliziertheit des Budgetbegleitgesetzes 2003 betrifft, so erstatten die Antragsteller kein ins einzelne gehendes Vorbringen, sondern meinen, sich mit einem Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16151/2001, begnügen zu können.

Dies geschieht allerdings bereits insofern zu Unrecht, als Teil der vom Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis bedauerten gesetzgeberischen Praxis die wiederholte Änderung zahlreicher Bestimmungen durch mehrere aufeinanderfolgende Gesetze war. Inwiefern solches auch dem Budgetbegleitgesetz 2003 anzulasten wäre, wird von den Antragstellern nicht einmal andeutungsweise ausgeführt.

Der Hinweis auf die hohe Anzahl der novellierten Gesetze innerhalb eines Sammelgesetzes ist nach Ansicht der Bundesregierung ebenfalls nicht geeignet, eine Verfassungswidrigkeit des Budgetbegleitgesetzes 2003 darzutun. Vergleicht man die Seitenanzahl des Gesetzestextes des BGBl. I Nr. 71/2003 mit dem seitenmäßigen Umfang etwa des Bundesgesetzblattes Teil I des Jahres 2002, so zeigt sich, dass die 207 Seiten Gesetzestext lediglich einen Bruchteil des 'Gesamtumfanges' darstellen. Ein allein auf die Anzahl der Seiten abstellender Vergleich etwa mit dem BGBl. I Nr. 169/2002 (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz - MMHmG und Änderung des Bundesgesetzes über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes, des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, des MTD-Gesetzes, des Bildungsdokumentationsgesetzes, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes, des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes und des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) mit 36 Seiten Umfang oder dem BGBl. I Nr. 99/2002 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Erlassung eines Bundesvergabegesetzes 2002) mit einem Umfang von 104 Seiten zeigt, dass auch Änderungen einer geringeren Zahl von Gesetzen durchaus einen Umfang in der Größenordnung des Budgetbegleitgesetzes 2003 erreichen können.

Schließlich kann die Berufung auf das Erkenntnis VfSlg. 16.151 auch deswegen keine Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Bundesgesetzes dartun, weil der Verfassungsgerichtshof aus dem Kritikpunkt der Kompliziertheit keine Verfassungswidrigkeit abgeleitet hat."

3. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes hat der Präsident des Nationalrates folgende, durch 17 Beilagen ergänzte Stellungnahme abgegeben:

"1. Die Behandlung des Budgetbegleitgesetzes im Nationalrat

1.1. Die Bundesregierung hat die Regierungsvorlage Budgetbegleitgesetz 2003 (59 d.B., XXII. GP) am 29. April 2003 dem Nationalrat zugeleitet. Gemäß §69 Abs7 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates (i[m] folgenden als GOG abgekürzt) wurde die Regierungsvorlage in der 13. Sitzung des Nationalrates am 29. April 2003 dem Budgetausschuss zur Vorberatung zugewiesen. In der 18. Sitzung des Nationalrates am 4. Juni 2003 wurde mit Stimmenmehrheit dem Budgetausschuss eine Frist gemäß §43 Abs1 GOG zur Berichterstattung an das Plenum gesetzt.

1.2. Im Arbeitsplan des Budgetausschusses (siehe Anlage 1), der von der Präsidialkonferenz des Nationalrates beschlossen wurde, war ursprünglich im Konsens aller Fraktionen folgende Beratungszeit vorgesehen:

Dienstag, 13. Mai 2003 13.00-18.00 Uhr Budgetbegleitgesetz,

Mittwoch, 14. Mai 2003 15.00-18.00 Uhr Budgetbegleitgesetz.

In der Folge wurde über Wunsch der Oppositionsfraktionen die Beratungszeit des Ausschusses auf insgesamt etwa 47 Stunden ausgedehnt.

Der Budgetausschuss hat die Vorlage in seinen Sitzungen am 13., 14., 15., 20., 22., und 28. Mai 2003 sowie am 3. und 5. Juni 2003 (siehe Anlage 2) beraten. Die Beratungen im Budgetausschuss erfolgten in der Form, dass am Beginn der Verhandlungen (in der Sitzung des Budgetausschusses am 13. Mai 2003) die Verhandlung über die Regierungsvorlage Budgetbegleitgesetz 2003 und den Antrag 132/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und das Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, geändert werden, gemäß §41 Abs2 GOG zusammengefasst wurde und beide Vorlagen gemäß §41 Abs3 GOG unter einem beraten wurden.

Einwendungen gegen diese vom Obmann gemäß §42 Abs2 GOG vorgenommene Zusammenfassung der Verhandlungsgegenstände bzw. gegen die Beratung des Budgetbegleitgesetzes 2003 unter einem wurden von keinem Abgeordneten erhoben, sodass sich eine Entscheidung des Ausschusses nach §41 Abs2 GOG bzw. §41 Abs3 GOG erübrigte. An diesem vom Ausschussobmann und Berichterstatter geschäftsordnungsmäßig festgelegten, und von keinem Abgeordneten zu Beginn der Verhandlungen (§41 Abs3 GOG) beeinspruchten Weg der Ausschussberatungen war nach der Geschäftsordnung bis zum Schluss der Debatte festzuhalten, zumal der Budgetausschuss auch in den folgenden Sitzungen die Einsetzung eines Unterausschusses gemäß §35 GOG nicht beschlossen hat.

Während der Beratungen im Budgetausschuss fand keine Änderung der Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände statt. Wie aus den angeschlossenen Tagesordnungen des Budgetausschusses ersichtlich, standen vielmehr bei jeder Sitzung des Budgetausschusses die gesamte Regierungsvorlage Budgetbegleitgesetz 2003 und der gesamte Antrag 132/A zur Beratung (siehe Konvolut vo

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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