TE Vfgh Beschluss 2008/6/25 B183/08

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Veröffentlicht am 25.06.2008
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Index

27 Rechtspflege
27/02 Notare

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Verordnung
GKG §5

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die die Zuständigkeit vonNotaren als Gerichtskommissäre in einem Sprengel einesBezirksgerichtes regelnde Verteilungsordnung des Präsidenten einesLandesgerichtes mangels Vorliegen eines tauglichenBeschwerdegegenstandes; Qualifikation der an die Allgemeinheitgerichteten Verteilungsordnung als Verordnung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit der vorliegenden Eingabe erheben zwei Notare Beschwerde

gegen die Verteilungsordnung des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Dezember 2007, Z Jv 2258-13/07, mit der - gestützt auf die Bestimmungen des Gerichtskommissärsgesetzes - die Zuständigkeit dreier Notare (darunter jene der beiden Einschreiter) als Gerichtskommissäre für bestimmte Gemeinden im Sprengel des Bezirksgerichtes Frohnleiten geregelt wird.

Die Beschwerdeführer behaupten eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und beantragen die Aufhebung der Verteilungsordnung sowie die Abänderung derselben dahingehend, "daß die Zuständigkeit der einschreitenden Notare [...] dahingehend abgeändert werde, daß weitere Gemeindegebiete [...] den [beiden] Notariaten [...] aus dem Sprengel des Bezirksgerichtes Frohnleiten zugewiesen werden", in eventu die Aufhebung der Verteilungsordnung und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz.

Zur Zulässigkeit ihrer Eingabe bringen die Einschreiter (lediglich) vor, dass "[g]egen die Verletzung der Verteilungsordnung [...] eine Beschwerde an den VfGH möglich [ist] (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung, Manz, 6. Auflage, RZ. 1 zu §5 GKG)".

II. Die vorliegende, nach Wortlaut und Inhalt als Beschwerde iSd Art144 B-VG zu qualifizierende Eingabe erweist sich als nicht zulässig:

1. Gemäß Art144 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über "Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate".

2. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer derartigen Beschwerde ist sohin das Vorliegen eines verwaltungsbehördlichen Bescheides (zB VfSlg. 13.099/1992, 16.433/2002, 17.569/2005).

Der angefochtene (Justiz-)Verwaltungsakt stellt jedoch keinen Bescheid, sondern (ausschließlich) eine Verordnung dar:

3. Maßgebend für die Abgrenzung einer Verordnung von einem Bescheid ist, ob der Kreis der Adressaten, an den sich der betreffende Rechtsakt wendet, individuell oder abstrakt umschrieben ist. Ist der Adressat einer Anordnung lediglich eine einzelne Person oder sind Adressaten zwar mehrere, aber individuell bezeichnete Personen, so ist diese Anordnung als konkreter Verwaltungsakt und daher als Bescheid anzusehen. Richtet sich die Anordnung hingegen an die Allgemeinheit überhaupt oder an bestimmte Gruppen der Bevölkerung, die nicht individuell, sondern "nach Gattungsmerkmalen" bezeichnet sind, dann handelt es sich um einen als Verordnung einzustufenden generellen Verwaltungsakt (vgl. zB VfSlg. 1398/1931, 2117/1951, 6490/1971, 17.087/2003).

4. In der nach den §§4 und 5 des Bundesgesetzes über die Tätigkeit der Notare als Beauftragte des Gerichtes (Gerichtskommissäre) im Verfahren außer Streitsachen (Gerichtskommissärsgesetz, im Folgenden: GKG), BGBl. 343/1970 idF BGBl. I 164/2005, vom Präsidenten des sachlich in Betracht kommenden Landesgerichtes für die unterstellten Bezirksgerichte am Ende eines jeden Kalenderjahres für das folgende Kalenderjahr aufzustellenden Verteilungsordnung ist festzulegen, welcher Notar als Gerichtskommissär im Einzelfall zur Besorgung der in §1 Abs1 leg.cit. genannten Amtshandlungen zuständig bzw. heranzuziehen ist. Die Verteilungsordnung ist gemäß §5 letzter Satz GKG durch Anschlag an der Gerichtstafel des jeweiligen Landesgerichtes und der betroffenen Bezirksgerichte kundzumachen und der Notariatskammer mitzuteilen.

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum GKG 1970, 132 BlgNR 12. GP, heißt es zu §5:

"Die Verteilungsordnung ist vom Präsidenten des Gerichtshofs erster Instanz zu erlassen, dem die mit Angelegenheiten im Verfahren außer Streitsachen befaßten Bezirksgerichte unterstellt sind. Es handelt sich dabei um eine Angelegenheit der gerichtlichen Geschäftsverteilung im Rahmen der Justizverwaltung, wie auch derzeit die Bestellung eines Notars zum Gerichtskommissär als Justizverwaltungssache gewertet wird. [...] Die Verteilungsordnung hat das Wesen einer Rechtsverordnung. [...]"

5. Die mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte, durch Anschlag an den Gerichtstafeln des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz und des Bezirksgerichtes Frohnleiten kundgemachte Verteilungsordnung des Präsidenten des angeführten Landesgerichtes vom 19. Dezember 2007 regelt die Bestellung der Notare als Gerichtskommissäre für den Sprengel des Bezirksgerichtes Frohnleiten für das Jahr 2008; sie legt die Zuständigkeit dreier Notariate - in concreto zweier namentlich genannter öffentlicher Notare und einer namentlich genannten öffentlichen Notarin - in Angelegenheiten des §1 Abs1 Z1 GKG (Verlassenschaftssachen) und Z2 leg.cit. (bestimmte andere Amtshandlungen) für im Einzelnen bezeichnete Gemeinden fest und trifft für Fälle der §§6 Abs3 (Ausschließung), 7 Abs2 GKG (Säumnis) eine Vertretungsanordnung.

Die in Rede stehende Enunziation bestimmt insofern zwar den Zuständigkeitsbereich von drei Notaren (unter deren namentlicher Nennung), die aber nicht (alleinige) Adressaten der Verteilungsordnung sind; diese ist vielmehr als ein an die Allgemeinheit adressierter, genereller (Justiz-)Verwaltungsakt zu qualifizieren: Legt die Verteilungsordnung doch generell-abstrakt für den Sprengel des Bezirksgerichtes Frohnleiten den Zuständigkeitsbereich einzelner Notare als Gerichtskommissäre in den Fällen des §1 Abs1 Z1 und Z2 GKG in Bezug auf bestimmte Gemeinden sowie eine Vertretungsregelung fest, mithin Anordnungen, an die nicht nur die Notare selbst (als obligatorische Gerichtskommissäre) gebunden sind, sondern auch alle Richter und Parteien in außerstreitigen Verfahren der bezeichneten Art, indem sie den jeweils zuständigen Gerichtskommissär heranziehen bzw. sich an diesen wenden müssen. Überdies treffen sämtliche Personen, deren Aussagen oder Auskünfte Beweismittel sind, gegenüber dem Gerichtskommissär die gleichen Rechte und Pflichten wie dem Gericht gegenüber und sind (andere) Gerichte (als das betreffende Bezirksgericht) und Behörden dem Gerichtskommissär zur Amtshilfe verpflichtet (§9 GKG).

Der angefochtene (Justiz-)Verwaltungsakt des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz ist somit als eine an die Allgemeinheit gerichtete, auf die spezielle Ermächtigung des §5 GKG gestützte, durch Anschlag an der Gerichtstafel dieses Gerichtes sowie an jener des Bezirksgerichtes Frohnleiten kundgemachte Verordnung zu qualifizieren (s. VfSlg. 7075/1973).

Die Beschwerde war daher mangels tauglichen Beschwerdegegenstandes und damit wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Notare, Gerichtskommissäre, Bescheidbegriff, Verordnungsbegriff,VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B183.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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