RS Vfgh 1987/3/3 G134/86, G135/86, G136/86, V59/86, V60/86, V61/86

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 03.03.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6440 Tierkörperverwertung

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2 / Verordnung
B-VG Art94
B-VG Art140 Abs1
Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark vom 28.11.1979 über die Einsammlung. Abfuhr. Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (TierkörperverwertungsV), LGBl Nr 90
JN §1
VA Tierkörperverwertung §6

Leitsatz

Antrag auf Aufhebung des ArtI des BG vom 14.12.1977, BGBl. 660, über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern, mit dem dem §6 der (auf Stufe eines einfachen Gesetzes stehenden) Vollzugsanweisung die Absätze 3 und 4 neu angefügt wurden; Identität des normativen Gehalts einer Aufhebung entweder des "ArtI der Novelle 1977" - Präjudizialität jedenfalls gegeben; keine res iudicata hinsichtlich §6 Abs3 der Vollzugsanweisung dadurch, daß der VfGH mit Erk. VfSlg. 9897/1983 über Bedenken gegen diese Bestimmung unter einem anderen Aspekt des Art18 B-VG bereits rechtskräftig entschieden hat - keine Identität der Bedenken; Zulässigkeit der Anträge Vollzugsanweisung §6 Abs3 und 4 idF BGBl. 660/1977; Bedenken, ob die Entgeltansprüche der Anstalt im Zivilrechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind; offenkundig kein Widerspruch zum Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nach Art94 B-VG; Gebot der präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob Gerichte oder Verwaltungsbehörden zur Vollziehung berufen sind; zum Begriff "Entgelt", auch unter Betrachtung des rechtlichen Umfeldes, in dem dieser Begriff gebraucht wird; Tierkörperverwertungsanstalt steht gegenüber dem Zahlungspflichtigen kein "imperium" zu; zivilrechtlicher Charakter der Entgeltansprüche - Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit hinlänglicher Deutlichkeit festgelegt; kein Widerspruch zu Art18 B-VG Stmk. Tierkörperverwertungsverordnung; keine Gesetzwidrigkeit der bekämpften Stellen des §10 und der Z2 des eine Anlage bildenden Tarifes, da keine Bedenken gegen die sie tragenden Gesetzesbestimmungen (§6 Abs3 und 4 Vollzugsanweisung) bestehen

Rechtssatz

Die Anträge des OGH richten sich ihrem Wortlaut nach gegen den ArtI des Bundesgesetzes vom 14.12.1977, BGBl. 660, über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern (Novelle 1977 zur Vollzugsanweisung).

Mit dieser Novelle wurden durch ArtI dem §6 der Vollzugsanweisung die Absätze 3 und 4 (neu) angefügt. Derartige oder auch nur ähnliche Regeln enthielt die Vollzugsanweisung bisher nicht. ArtI erschöpft sich also darin, Vorschriften (neu) einzuführen, die keine Vorgängerbestimmung haben. Zumindest unter dieser Voraussetzung ist es gleichgültig, ob "ArtI der Novelle 1977" oder aber "§6 Abs3 und 4 der Vollzugsanweisung idF der Novelle 1977" angefochten wird. Ob für den Fall, daß die vorgebrachten Bedenken zutreffen, die Aufhebung mit der einen oder mit der anderen Wendung erfolgt, läuft nämlich im normativen Gehalt auf dasselbe hinaus.

Präjudizialität der Bestimmungen ist gegeben.

Die Meinung der Bundesregierung trifft nicht zu, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erk. VfSlg. 9897/1983 über die vom OGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs3 der Vollzugsanweisung vorgebrachten Bedenken bereits rechtskräftig entschieden habe.

Der Verfassungsgerichtshof wäre nämlich wegen rechtskräftig entschiedener Sache nur dann gehindert, sich mit den in diesem Gesetzesprüfungsverfahren vorgetragenen Bedenken auseinanderzusetzen, wenn er über dieselben Bedenken schon einmal in einem anderen Gesetzesprüfungsverfahren abgesprochen hätte (vgl. zB VfSlg. 9186/1981).

Zwar ging es in dem mit Erk. VfSlg. 9897/1983 abgeschlossenen ebenso wie in diesem Gesetzesprüfungsverfahren um das Bedenken, daß §6 Abs3 der Vollzugsanweisung dem Legalitätsprinzip des Art18 B-VG widerspreche. Die damals für diese behauptete Verfassungswidrigkeit vorgebrachten Gründe waren aber andere als die nun vom OGH vorgebrachten Bedenken. Die seinerzeit zu erörternden, gegen §6 Abs3 der Vollzugsanweisung gerichteten Bedenken waren dahin umschrieben, daß diese Gesetzesvorschrift keinerlei Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage für das Entgelt und die Zahlungsmodalitäten enthalte; der Verfassungsgerichtshof erachtete diese Bedenken als nicht zutreffend (VfSlg. 9897/1983, S 579 f). Die in den vorliegenden Gesetzesprüfungsanträgen vom OGH geäußerten Bedenken zielen in eine andere Richtung, nämlich dahin, daß es §6 Abs3 der Vollzugsanweisung offen lasse, ob die hier vorgesehene Pflicht zur Leistung eines "Entgeltes" im ordentlichen Rechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen ist. Es handelt sich sohin um ein im Erk. VfSlg. 9897/1983 nicht erörtertes Problem, sodaß keine rechtskräftige Entscheidung den Verfassungsgerichtshof daran hindert, über den nunmehr vorliegenden Antrag zu entscheiden.

Das von der Bundesregierung weiters erwähnte hg. Erk. VfSlg. 10038/1984 erging in einem Verordnungsprüfungsverfahren und kann daher für dieses Gesetzesprüfungsverfahren von vornherein keine Bindungswirkung entfalten.

Die Bedenken des OGH gehen dahin, ArtI der Novelle BGBl. 1977/660 (mit dem dem §6 der Vollzugsanweisung die Abs3 und 4 (neu) angefügt wurden) lasse es offen, ob die Entgeltansprüche im gerichtlichen oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind.

Dieser Vorwurf ist nun aus Art94 B-VG nicht ableitbar. Diese Verfassungsnorm enthält nämlich den Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung; er bedeutet einerseits das Verbot an den einfachen Gesetzgeber, ein und dieselbe Behörde gleichzeitig als Gerichts- und als Verwaltungsbehörde einzurichten, andererseits das Gebot, eine Angelegenheit, und zwar zur Gänze, zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen (vgl. zB VfSlg. 2902/1955). Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen enthalten nun offenkundig keine Regelung, die dem Trennungsgrundsatz widerstreitet.

Die Ausgangsposition des OGH trifft insofern zu, als die Bundesverfassung (Art18 B-VG) den Gesetzgeber verpflichtet, die Behördenzuständigkeit präzise zu regeln. Insbesondere muß aufgrund des Gesetzes die Frage zu beantworten sein, ob die Gerichte oder die Verwaltungsbehörden zur Vollziehung berufen sind.

Der OGH geht auch richtig davon aus, daß die Vollzugsanweisung weder im §6 Abs3 und 4 noch an anderer Stelle eine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält, ob die Entgeltansprüche der Anstalt im Zivilrechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 4174/1962, 4957/1965) ist eine Gemeinde (gleiches gilt auch für eine Anstalt) nur dann berechtigt, bei der Erhebung von Geldleistungen für die Benützung ihrer Einrichtungen hoheitlich vorzugehen, wenn das Gesetz die Befugnis zu einem solchen Vorgehen deutlich erkennbar einräumt. Davon kann hier keine Rede sein. Das Gesetz sieht also nicht den Verwaltungsweg vor.

Vielmehr handelt es sich um eine "bürgerliche Rechtssache", die gemäß §1 der Jurisdiktionsnorm den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen ist.

Dafür spricht schon die Entstehungsgeschichte der Vollzugsanweisungs-Novelle, BGBl. 1977/660.

Der Begriff "Entgelt" kennzeichnet im allgemeinen - wie in den Erkenntnissen VfSlg. 3550/1959 und 3937/1961 dargetan wurde - den darauf gerichteten Anspruch als solchen privatrechtlichen Charakters (als bürgerliche Rechtssache).

Der Umstand, daß die "Entgelte" dem §6 Abs3 der Vollzugsanweisung zufolge durch Verordnung des Landeshauptmannes festzulegen sind, läßt keinen Schluß darauf zu, daß diese Entgeltansprüche nicht privatrechtlicher Natur wären. Daran ändert nichts, daß sich die Höhe des Entgeltes nach dem für Gebühren geltenden Äquivalenzprinzip zu richten hat (vgl. VfSlg. 9897/1983, S 580).

Aus dem Wort "Entgelt" allein kann allerdings das Problem nicht gelöst werden (vgl. Mayer, aaO; siehe Erk. VfSlg. 3389/1958 und 3754/1960, in denen von "öffentlich-rechtlichen Entgelten" die Rede ist); vielmehr ist das rechtliche Umfeld, in dem dieser Begriff gebraucht wird, mit in die Betrachtung einzubeziehen. So ist vor allem darauf zu sehen, ob der Entgeltsberechtigte (hier die Tierkörperverwertungsanstalt) gegenüber dem Zahlungspflichtigen sonst in einem Verhältnis rechtlicher Überordnung steht, ob ihm also sonst Befehls- und Zwangsgewalt (imperium) zukommt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Daran ändert nichts, daß eine Pflicht zur Ablieferung bestimmter Gegenstände an die Anstalt, die Monopolstellung hat, besteht (siehe §3 der Vollzugsanweisung und §§1 und 2 TKVV). Der Anstalt selbst sind aber keine Zwangsbefugnisse eingeräumt, um das pflichtgemäße Abliefern zu gewährleisten.

Nach Auslegung des Begriffes "Entgelt" und Betrachtung des rechtlichen Umfeldes, in dem dieser Begriff gebraucht wird (ob der Entgeltsberechtigte (hier die Tierkörperverwertungsanstalt) gegenüber dem Zahlungspflichtigen sonst in einem Verhältnis rechtlicher Überordnung steht, ob ihm also sonst Befehls- und Zwangsgewalt (imperium) zukommt) Festlegung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit hinlänglicher Deutlichkeit.

Der OGH legt zur Begründung der Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Stellen des §10 TKVV und der Z2 des eine Anlage zur TKVV bildenden Tarifes dar, daß diese Verordnungsbestimmungen "wegen fehlender verfassungsgemäßer gesetzlicher Verordnungsermächtigung als anfechtbar erscheinen".

Da die vom OGH gegen die Verfassungsmäßigkeit der die angefochtenen Verordnungsbestimmungen tragenden Gesetzesvorschriften (§6 Abs3 und 4 der Vollzugsanweisung) vorgebrachten Argumente nicht stichhältig sind, erweisen sich auch die ob der Gesetzmäßigkeit der TKVV geäußerten Bedenken als nicht zutreffend.

Angefochtene Stellen des §10 Stmk. TKVV und der Z2 des eine Anlage zur TKVV bildenden Tarifes unbedenklich.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Veterinärwesen, Tierkörperverwertung, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich eines Gesetzes, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G134.1986

Dokumentnummer

JFR_10129697_86G00134_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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