RS Vfgh 1987/3/19 G269/86, G2/87, G12/87, G13/87, G14/87, G15/87, G71/87, G72/87

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Veröffentlicht am 19.03.1987
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art140 Abs5
AbgÄG 1981 Abschn I ArtI Z29
EStG 1972 §37
EStG 1972 §37 Abs1 letzter Satz
EStG 1972 §67

Leitsatz

In §37 Abs1 Ausschluß des Hälftesteuersatzes für Einkünfte, die unter die Bestimmung des §67 fallen; im wesentlichen gleiche wirtschaftliche Sachverhalte werden unterschiedlich behandelt, - die zwangsläufige Zusammenballung von Einkünften führt je nachdem, ob sie durch nichtselbständige Arbeit oder anders erzielt werden, dazu, daß sie einer steuerlichen Entlastung teilhaft werden oder nicht; der eigens formulierte Ausschluß von Fällen, die den geregelten sämtlich gleichwertig sind, kann mit dem bloßen Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß es sich um seltene Fälle handelt; Gleichheitswidrigkeit der Regelung

Rechtssatz

Aufhebung des letzten Satzes ("Auf Einkünfte, die unter die Bestimmung des §67 fallen, ist der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden.") im §37 Abs1 des EStG 1972, BGBl. 440, idF des AbgÄG 1981, BGBl. 620, wegen Gleichheitswidrigkeit.

Der Verfassungsgerichtshof hält an der im Prüfungsbeschluß dargelegten Rechtsansicht fest.

(Die durch das AbgÄG 1981 vorgenommene Ergänzung des §37 Abs1 EStG bewirkte zwar die gleiche steuerliche Behandlung aller (ausschließlich) dem Abs10 im §67 zuzuordnender Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, nämlich ihre Besteuerung ohne eine allfällige Begünstigung nach §37 bei Vorliegen eines Veranlagungsgrundes; sie führte aber anscheinend auch dazu, daß im wesentlichen gleiche wirtschaftliche Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, nämlich daß die zwangsläufige Zusammenballung von Einkünften je nachdem, ob sie durch nichtselbständige Arbeit oder anders erzielt werden, einer steuerlichen Entlastung in Form einer Progressionsmilderung teilhaft werden oder nicht. Vom Grundsatz ausgehend, daß Einkommensteuermaßstab das Jahreseinkommen eines Steuerpflichtigen ist, hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 10155/1984 S. 191f) es als dem Gesetzgeber nicht verwehrt erachtet, Einkünfte aus selbständiger Arbeit anders zu behandeln als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, jedoch nur insoweit, als eine verschiedenartige Besteuerung aus den tatsächlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten abgeleitet werden kann. Derartige Unterschiede sind hier jedoch anscheinend nicht zu finden, weshalb der letzte Satz im §37 Abs1 idF des AbgÄG 1981 unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes bedenklich ist.)

Gleichheitswidrigkeit des §37 Abs1 letzter Satz EStG 1972 idF des AbgÄG 1981.

Wenn die Bundesregierung den Zweck der durch das AbgÄG 1981 geschaffenen Bestimmung hervorhebt, eine "doppelte Begünstigung" (nämlich eine solche sowohl nach §67 als auch nach §37) auszuschließen, ist damit für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen; der Ausschluß einer derartigen Begünstigung kann nämlich auch durch eine Regelung herbeigeführt werden, die nach ihrer Technik nicht mit dem im Prüfungsbeschluß kritisierten negativen Effekt (unterschiedliche Behandlung von im wesentlichen gleichen wirtschaftlichen Sachverhalten) verknüpft ist (zB zusätzlich ein Antragsrecht auf Veranlagung im Fall ausschließlich dem Abs10 im §67 unterliegender Einkünfte vorsieht). Grundsätzlich das gleiche gilt für die von der Bundesregierung betonte Absicht, die Begünstigung des §37 nicht mehr vom zufälligen Umstand abhängig zu machen, ob ein Arbeitnehmer infolge anderer Einkünfte veranlagt wird. Auch das Argument der Bundesregierung versagt, daß es sich bei nicht nach §67 Abs1 bis 8 begünstigten Entlohnungen nichtselbständig Erwerbstätiger bloß um atypische, vom Gesetzgeber in Kauf genommene Härtefälle handle. Die Bundesregierung räumt selbst das Bestehen einer Fallgruppe ein, nämlich nicht auf Vergleich beruhende Nachzahlungen, die weder neben dem laufenden Arbeitslohn noch in einem Konkursverfahren erfolgen. Wie der Gerichtshof aber schon ausgesprochen hat, kann der eigens formulierte Ausschluß von Fällen, die den geregelten sämtlich gleichwertig sind, niemals mit dem bloßen Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß es sich um seltene Fälle handle (VfSlg. 10384/1985).

In Handhabung des Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG sah sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle eine Frist zu bestimmen. Der Gerichtshof berücksichtigte hiebei, daß sich allenfalls eine (nicht notwendig zur Begünstigung des §37 führende) Ersatzregelung als erforderlich erweist, und bemerkt in diesem Zusammenhang außerdem, daß die getroffene Entscheidung keine Aussage darüber enthält, ob die durch ein ersatzloses Entfallen des letzten Satzes im §37 Abs1 entstehende Gesetzeslage verfassungsmäßig wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Einkunftsarten, Lohnsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G269.1986

Dokumentnummer

JFR_10129681_86G00269_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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