RS Vfgh 1987/10/14 B353/86, B354/86, B355/86, B356/86, B357/86, B358/86, B359/86, B360/86, B361/86

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Veröffentlicht am 14.10.1987
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9000 Landarbeiterkammer

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art11 Abs1 Z2
B-VG Art15 Abs1
StGG Art5 / Verwaltungsakt
Stmk LAKG §2 Abs1 lita Z5
Stmk LAKG §2 Abs5
Stmk LAKG §26
Stmk LAKG §27 Abs2

Leitsatz

Beschwerde von Beschäftigten bei einer Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft gegen ihre Zuordnung zur Stmk. Landarbeiterkammer durch die Stmk. Landesregierung; Zuständigkeit eines Organs eines Selbstverwaltungskörpers (hier Präsidium) über die Mitgliedschaft zu diesem zu entscheiden, nicht unsachlich; zum Begriff berufliche Vertretungen auf "land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" iSd Kompetenzbestimmungen; keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG (betreffend Kammerzugehörigkeit); die Feststellung der Kammerzugehörigkeit hat ua. die Verpflichtung zur Zahlung der kammerbeiträge zur Folge - Eingriff ins Eigentumsrecht schon durch die Feststellung der Kammerzugehörigkeit; Abstellen nur auf die arbeitstechnische Eigenart der Tätigkeit der Arbeitnehmer - fälschliches Unterstellen eines verfassungswidrigen Gesetzesinhaltes, denkunmögliches Gesetzesanwendung; Verletzung im Eigentumsrecht

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §2 Abs5 Stmk. LAKG, der dem Kammerpräsidium die Kompetenz, in Zweifelsfällen über die Kammerzugehörigkeit zu entscheiden, einräumt.

Es ist keineswegs unsachlich und verstößt auch sonst gegen keine Verfassungsbestimmung, wenn der Gesetzgeber dem Organ eines Selbstverwaltungskörpers die Zuständigkeit einräumt, über die Mitgliedschaft zu diesem Selbstverwaltungskörper zu entscheiden. Der Vorwurf, damit würde "von vornherein und unbeschränkt" die Möglichkeit verfassungswidriger Kompetenzüberschreitung eröffnet, ist offenkundig überzogen. Ob die Zuständigkeit durch einen Zweifel oder durch einen Streit ausgelöst wird oder jederzeit wahrgenommen werden kann, ist vollends gleichgültig. Die Entscheidung unterliegt jedenfalls der Überprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Im vorliegenden Fall macht schon der Rechtszug an eine Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung jedes Bedenken gegen die Berufung des Selbstverwaltungsorganes zur Entscheidung nach §2 Abs5 Stmk. LAKG hinfällig.

Begriff "land- und forstwirtschaftliches Gebiet"; Zugehörigkeit zu LAK.

Die Kompetenz zur Einrichtung beruflicher Vertretungen ergibt sich aus einem Zusammenhalt der Z8 und 11 des Art10 Abs1 mit Art11 Abs1 Z2 und Art15 B-VG. Daraus folgt, daß die Einrichtung solcher Vertretungen nur "auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist (VfSlg. 1537/1947, 1642/1948, 8539/1979), sonst jedoch Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in der Vollziehung (und selbst in der Vollziehung Bundessache, wenn sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken oder es sich um Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie oder für Arbeiter und Angestellte handelt). Für den Umfang der Landeskompetenz zur Regelung der Mitgliedschaft in Landarbeiterkammern ist also die Abgrenzung des Begriffs "land- und forstwirtschaftliches Gebiet" ausschlaggebend.

Dieser Begriff stellt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als ein wirtschaftlicher nicht auf die (arbeitstechnische) Eigenart der Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers, sondern auf die Zugehörigkeit des Betriebes zum Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft ab (VfSlg. 8539/1979). Zwar kommt es nicht auf eine besondere wirtschaftliche Zweckbestimmung an (sodaß es keine Rolle spielt, wenn ein Betrieb weniger der Gewinnerzielung als zB der Beschäftigung von Strafgefangenen oder der Errichtung und Instandhaltung von städtischen Gartenanlagen dient), doch darf es nicht um Tätigkeiten im Rahmen eines nicht land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehen. Dabei ist nicht notwendig auf den Gesamtbetrieb zu sehen. Wie es möglich ist, daß jemand in mehreren Betrieben tätig ist (und deshalb mehreren Interessenvertretungen angehört), kann auch ein Betrieb in einzelnen Teilen verschiedenen Wirtschaftszweigen zuzuordnen sein (und für verschiedene Arbeitnehmer verschiedene Zugehörigkeiten begründen). Deshalb ist der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg. 8539/1979 davon ausgegangen, daß §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG einen Fall der Tätigkeit "in gemischten Betrieben" regelt, wenn er die Kammerzugehörigkeit für den Fall des Überwiegens der Beschäftigung in einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebszweig innerhalb eines sonst dem land- und forstwirtschaftlichen Gebiet nicht zuzuzählenden Betriebes anordnet (S 282). Auch der Begriff des Betriebszweiges ist allerdings verfassungskonform so zu verstehen, daß es dabei auf sein Gepräge im Wirtschaftsleben und nicht etwa darauf ankommt, ob die Tätigkeit "auf dem Feld oder im Wald und an Erzeugnissen des Bodens" entfaltet wird. Bloß die organisatorisch-technische Verbindung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft mit Betrieben anderer Wirtschaftszweige soll die auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet entfaltete Tätigkeit des Arbeitgebers nicht im andersartigen Charakter des Gesamtbetriebes aufgehen lassen. Die wirtschaftliche Zuordnung entscheidet für den Betriebszweig ebenso wie für den Betrieb oder das Unternehmen.

Keine Bedenken gegen §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG.

Von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG ist der Verfassungsgerichtshof bereits im Erk. VfSlg. 8539/1979 ausgegangen. Sie erfaßt bei richtiger Auslegung nur die Beschäftigten in Betriebszweigen, auf welche sich die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Einrichtung beruflicher Vertretungen "auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet" erstreckt.

Beschwerde von Beschäftigten der Graz-Köflacher-Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft gegen ihre Zuordnung zur LAK durch die Steiermärkische Landesregierung; Verletzung im Eigentumsrecht.

Eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte kommt bei der Unbedenklichkeit des §2 Abs1 lita Z5

Stmk. LAKG nur als Folge einer verfassungswidrigen Auslegung dieser Bestimmung durch die Behörde in Betracht. In dieser Hinsicht ist entscheidend, daß jede Feststellung der Kammerzugehörigkeit unter anderem die Verpflichtung zur Zahlung der Kammerbeiträge (§26 Stmk. LAKG) zur Folge hat. Wenngleich über die Beitragspflicht im Streitfall eine besondere Entscheidung ergeht (§26 Abs6 Stmk. LAKG), so kann diese doch nur mehr die Höhe des Beitrages betreffen; die Beitragspflicht als solche steht mit der rechtskundig festgestellten Kammerzugehörigkeit fest und kann nicht mehr mit Erfolg bestritten werden. Schon die Feststellung der Kammerzugehörigkeit greift daher ins Eigentumsrecht des Betroffenen ein. Beruht der Eingriff auf einer verfassungswidrigen Auslegung des Gesetzes, verletzt er als denkunmögliche Gesetzesanwendung iSd ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (in diesem Sinne zB VfSlg. 10016/1984 und 9855/1983; ähnlich auf einem anderen Sachgebiet VfSlg. 9654/1983, 7736/1976 und die dort genannte Vorjudikatur).

Die Behörde stellt in der Begründung der Kammerzugehörigkeit der Beschwerdeführer ausschließlich darauf ab, daß "die üblichen waldbaulichen Maßnahmen" getroffen würden und die Arbeiten "als die von einem Forstarbeiter bzw. Oberförster (Förster) durchzuführenden üblichen Arbeiten zu bezeichnen" seien. Gerade damit verfehlt sie aber das verfassungsrechtlich entscheidende Abgrenzungsmerkmal. Sie stellt nämlich genau auf jene (arbeitstechnische) Eigenart der Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer ab, die der Gerichtshof schon im Erk. VfSlg. 8539/1979 als unmaßgeblich bezeichnet hat. Wenn sie sich mit der einschlägigen Feststellung des von ihr so genannten Amtssachverständigen begnügt und die wirtschaftlichen Verhältnisse und Zusammenhänge nicht klarstellt, die eine Zuordnung zu dem einen oder anderen Wirtschaftszweig ermöglichen, unterstellt sie §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG fälschlich einen Inhalt, den er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haben dürfte.

Zuordnung von Beschäftigten der Graz-Köflacher-Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft zur Stmk. LAK; ausschließlich Abstellen auf (arbeitstechnische) Eigenart der Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer ist verfassungswidrige Auslegung des §2 Abs1 lita Z5 Stmk. LAKG.

Entscheidungstexte

  • B 353-361/86
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.10.1987 B 353-361/86

Schlagworte

Selbstverwaltung, Landarbeiterkammern, berufliche Vertretungen, Kompetenz Bund - Länder Landwirtschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B353.1986

Dokumentnummer

JFR_10128986_86B00353_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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