RS Vfgh 1987/11/30 V78/86

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Index

L1 Gemeinderecht
L1010 Stadtrecht

Norm

B-VG Art116 Abs1
B-VG Art118 Abs2 und Abs3
B-VG Art118 Abs3 Z4
B-VG Art119a Abs6
AuftaumittelV 1983 der Stadtgemeinde Salzburg
Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 8.6.1984. LGBl 48/1984
Sbg Stadtrecht 1966 §38
VfGG §57 Abs1 erster und zweiter Satz

Leitsatz

(Aufsichtsbehördliche) V der Sbg. Landesregierung, mit der die AuftaumittelV 1983 der Stadtgemeinde Salzburg insoweit aufgehoben wird, als sie sich auch auf Bundes- und Landesstraßen bezieht; ausreichende Darlegung der Bedenken; Verbot der Verwendung von Auftaumitteln auf Bundes- und auf Landesstraßen - keine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde; Rechtmäßigkeit der AufhebungsV - kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof erkennt ua. über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art119a Abs6 B-VG auf Antrag der betreffenden Gemeinde (Art119a Abs9 B-VG). §57 VfGG 1953 gilt auch für diesen Fall. Ein solcher Antrag muß demnach begehren, daß entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder daß bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der vorliegende Antrag entspricht dieser Voraussetzung. Der Antrag hat weiters die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesagt hat, führt das Fehlen der Darlegungen der gegen die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung sprechenden Bedenken zur Zurückweisung des Antrages, ohne daß ein Mängelbehebungsauftrag zu ergehen hat (vgl. VfSlg. 8308/1978, 9716/1983). Der vorliegende Antrag ist mit einem derartigen Mangel - entgegen der Ansicht der Salzburger Landesregierung - jedoch nicht belastet.

Die antragstellende Landeshauptstadt Salzburg behauptet ausdrücklich, die bekämpfte Verordnung verstoße gegen das gemäß Art116 Abs1 B-VG den Gemeinden gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung. Mit der angefochtenen Verordnung wird eine ortspolizeiliche Verordnung der antragstellenden Stadtgemeinde teilweise aufgehoben. Die Gemeinde legt im vorliegenden Antrag dar, warum sie sich für berechtigt hält, (auch) die aufgehobenen Verordnungsstellen im eigenen Wirkungsbereich als ortspolizeiliche Verordnung zu erlassen, woraus sich mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß und welche Bedenken gegen die bekämpfte Verordnung der Landesregierung vorgebracht werden.

Antrag der Stadtgemeinde Salzburg auf Aufhebung der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 8.6.1984, LGBl. 1984/48, mit der Teile der AuftaumittelV 1983 (die sich auch auf Bundes- und Landesstraßen bezieht) wegen Überschreitung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aufgehoben wurden.

Die ortspolizeiliche Verordnung der Landeshauptstadt Salzburger (AuftaumittelV 1983) stützt sich auf die (auf Art118 Abs6 B-VG basierende) Bestimmung des §38 Abs6 des Sbg.

Stadtrechtes, LGBl. 1966/47 in der (zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung maßgeblichen) Fassung LGBl. 1980/35, nach welcher Bestimmung die Stadt das Recht hat, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches durch den Gemeinderat ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr oder zur Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen zu erlassen. Nach Abs7 leg.cit. dürfen ortspolizeiliche Verordnungen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.

Die strittige Frage, was zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zählt, ist nach Art118 Abs2 und 3 B-VG zu beantworten, da das Sbg. Stadtrecht hierüber keine Aussage enthält.

Keine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts gemäß Art116 Abs1 B-VG.

Gemäß Art118 Abs3 Z4 B-VG gehören die "Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde" sowie die "örtliche Straßenpolizei" jedenfalls zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 5807/1968 hinsichtlich dieser Bestimmung den Standpunkt - von dem abzugehen er keinen Anlaß sieht - eingenommen, daß von der Materie "Straßenangelegenheiten" nur die "Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde" und die "örtliche Straßenpolizei" in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen, sodaß die von diesen beiden Begriffen nicht erfaßten Straßenangelegenheiten vom eigenen Wirkungsbereich ausgeschlossen seien. Diesbezüglich sei für ein Messen an der Generalklausel des Art118 Abs2 erster Satz B-VG kein Raum mehr.

Der Verfassungsgerichtshof pflichtet der Salzburger Landesregierung bei, daß die Sicherung des Zustandes und der Benützbarkeit der Straßen auch deren winterliche Reinigung und Bestreuung erfaßt. Die von der Aufhebung betroffene Regelung einer Beschränkung der Verwendung von Auftaumitteln mag von ihrer Zielrichtung her primär auf die Abwehr schädigender Einflüsse auf die Umwelt gerichtet und auch durch Anliegen des Naturschutzes motiviert sein. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich ihrem Inhalt nach offenkundig um eine Regelung handelt, die - soweit sie öffentliche Straßen betrifft - den Angelegenheiten der Straßenverwaltung zuzuzählen ist. Da in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art118 Abs3 Z4 B-VG aus der Materie der Straßenangelegenheiten - wie sich aus dem zitierten Erk. VfSlg. 5807/1968 ergibt - nur die "Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde" fällt, hat die aufgehobene Verordnung, die sich auch auf Landes- und Bundesstraßen bezieht, die der Gemeinde für derartige ortspolizeiliche Verordnungen gezogene Kompetenzgrenze überschritten, weshalb die angefochtene Verordnung in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nicht eingegriffen hat. Die Salzburger Landesregierung hatte auf Grund der sprachlichen Fassung der AuftaumittelV auch keine andere Möglichkeit, diese Gesetzwidrigkeit zu beseitigen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Antrag, Formerfordernisse, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Verkehrsflächen, Straßenpolizei örtliche, Straßenverwaltung, Selbstverwaltungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V78.1986

Dokumentnummer

JFR_10128870_86V00078_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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