TE Vfgh Erkenntnis 2004/6/28 B1536/03

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Veröffentlicht am 28.06.2004
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Index

70 Schulen
70/01 Schulverwaltung, Schulaufsicht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art67 Abs1 und Abs2
B-VG Art81b
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Bundes-SchulaufsichtsG §11 Abs3
Krnt ObjektivierungsG §15
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Zulässigkeit der Anfechtung eines Intimationsbescheides betreffend Ernennung eines Amtsdirektors eines Landesschulrates durch eine abgewiesene Mitbewerberin; offene Frist mangels Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin; kein Beginn des Fristenlaufes durch Kenntniserlangung; Verletzung im Gleichheitsrecht durch den nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof erlassenen Ersatzbescheid betreffend die Abweisung einer Bewerbung um die Funktion des Amtsdirektors eines Landesschulrates mangels ausreichender Begründung der Auswahlentscheidung auch im Ersatzbescheid

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 2.142,-- Euro bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, der seit dem Jahr 1991 als Berufsschullehrer und seit dem Jahr 1999 als Stellvertreter des Direktors der Berufsschule I in Klagenfurt tätig ist, bewarb sich - neben anderen Personen - um die öffentlich ausgeschriebene Planstelle eines Landesschulinspektors für berufsbildende Pflichtschulen im Bereich des Landesschulrates für Kärnten.

Dem Beschwerdevorbringen zu Folge habe das Kollegium des Landesschulrates für die Besetzung der in Rede stehenden Planstelle - auf Grundlage der Bewerbungsunterlagen - in seiner Sitzung am 10. April 2003 für die Besetzung der in Rede stehenden Planstelle einen Dreiervorschlag erstattet, in dem der letztlich ernannte Bewerber an die erste Stelle, der Beschwerdeführer an die zweite Stelle gereiht war. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur habe daraufhin dem Bundespräsidenten den erstgereihten Bewerber zur Ernennung auf die ausgeschriebene Planstelle vorgeschlagen.

Dieser Bewerber wurde sodann mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 30. September 2003 auf die Planstelle eines Landesschulinspektors ernannt, wovon der Genannte mit (Intimations-)Bescheid der Bundesministerin vom 2. Oktober 2003 in Kenntnis gesetzt wurde. Dieser Bescheid lautete wie folgt:

"Der Bundespräsident hat Sie mit Entschließung vom 30. September 2003 gemäß §§2 bis 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, mit Wirksamkeit vom 1. November 2003 auf die Planstelle eines Landesschulinspektors (Verwendungsgruppe SI 1) im Planstellenbereich der Schulaufsicht des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt.

Gleichzeitig betraue ich Sie mit der Schulaufsicht für berufsbildende Pflichtschulen im Bereich des Landesschulrates für Kärnten und weise Sie dem Landesschulrat für Kärnten, wo Sie Ihren ständigen Amtssitz haben, zur Dienstleistung zu.

Es ist mir eine besondere Freude, Sie hievon mit meinen besten Glückwünschen in Kenntnis zu setzen."

Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des Landesschulrates für Kärnten vom 13. Oktober 2003 von der Vergabe der Planstelle verständigt. Dieses Schreiben lautete wie folgt:

"Bezugnehmend auf Ihre Bewerbung um die ausgeschriebene Planstelle eines Landesschulinspektors/einer Landesschulinspektorin für berufsbildende Pflichtschulen im Bereich des Landesschulrates für Kärnten muss Ihnen leider mitgeteilt werden, dass diese Planstelle anderweitig vergeben wurde.

Aus diesem Grunde werden Ihnen Ihre Bewerbungsunterlagen rückgemittelt."

Am 14. November 2003 kam dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Zuge einer Akteneinsicht eine Kopie des oben wiedergegebenen (Intimations-)Bescheides vom 2. Oktober 2003 zu.

2. Mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer - unter Berufung auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf gleiche Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - gegen diesen (Intimations-)Bescheid vom 2. Oktober 2003 und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der durch den bekämpften Bescheid zum Landesschulinspektor ernannte Mitbewerber erstattete als Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ebenfalls eine Äußerung, in der er die Auffassung vertritt, dass das seiner Ernennung vorangegangene Bewerbungsverfahren rechtmäßig gewesen sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist zulässig.

1.1. Die im vorliegenden Fall der Ernennung eines Landesschulinspektors maßgeblichen Bestimmungen des Art81b B-VG lauten auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Landesschulräte haben Dreiervorschläge zu erstatten

a) ...

b) für die Besetzung der Dienstposten des Bundes für die bei den Landes- und Bezirksschulräten tätigen Schulaufsichtsbeamten sowie für die Betrauung von Lehrern mit Schulaufsichtsfunktionen,

c) ...

(2) Die Vorschläge nach Abs1 sind an den gemäß Art66 Abs1 oder Art67 Abs1 oder auf Grund sonstiger Bestimmungen zuständigen Bundesminister zu erstatten. Die Auswahl unter den vorgeschlagenen Personen obliegt dem Bundesminister."

Nähere Regelungen betreffend die Ernennung der Schulaufsichtsbeamten sind weiters im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 getroffen.

Für Bewerber um den Dienstposten eines Landesschulinspektors besteht dem zu Folge weder ein Anspruch auf Ernennung noch wird ihnen im Verfahren ausdrücklich Parteistellung eingeräumt. Aus Art81b Abs2 zweiter Satz B-VG ergibt sich jedoch, dass im Falle des Zustandekommens eines entsprechenden Dreiervorschlages des Kollegiums des Landesschulrates nur eine Person ernannt werden darf, die in diesen Besetzungsvorschlag aufgenommen ist; der Dreiervorschlag ist also insofern bindend. Dem entsprechend bilden die in diesen Vorschlag aufgenommenen Personen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; die Ernennung einer der in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Personen berührt auch die Rechtssphäre der übrigen mit ihr eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bildenden Personen, denen ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des der Bundesministerin zukommenden Auswahlermessens zusteht und somit Parteistellung zukommt (vgl. VfSlg. 15.925/2000 mwH).

1.2. Auch an der Rechtzeitigkeit der Beschwerde besteht kein Zweifel: Wie aus dem - in dieser Hinsicht übereinstimmenden - Vorbringen beider Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens hervorgeht, gelangte der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer zwar zur Kenntnis, er wurde ihm aber bis dato nicht zugestellt. Durch die (bloße) Kenntniserlangung vom Inhalt eines Bescheides wird nämlich die Beschwerdefrist iSd. §82 Abs1 VfGG nicht in Gang gesetzt; solange die Zustellung nicht erfolgt, kann daher jederzeit Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde wurde somit rechtzeitig eingebracht, ohne dass untersucht zu werden braucht, wann dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid zur Kenntnis gelangt ist (s. etwa VfSlg. 9655/1983, 10.637/1985, 13.287/1992, 13.543/1993 mwH).

2.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde in erster Linie vor, sie sei bei Erlassung des bekämpften Bescheides willkürlich vorgegangen und habe dadurch den Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Die belangte Behörde habe keinerlei Gründe für ihre Entscheidung angegeben; auch habe sie die sachliche Rechtfertigung des ihr vorgelegten Dreiervorschlages nicht geprüft. Sie habe zudem vor ihrer Entscheidung überhaupt keine Ermittlungen durchgeführt und keinen Vergleich der Qualifikationen der in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber vorgenommen. Dies wiege umso schwerer, als der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt Entscheidungen in Ernennungsverfahren wegen mangelhafter Begründung aufgehoben habe; umso mehr müsse man der Behörde im vorliegenden Fall - in dem sie überhaupt keinen Bescheid erlassen und zugestellt habe - willkürliches Vorgehen zum Vorwurf machen. Es habe auch keinerlei Bewerbungsverfahren - wie in §225 Abs3 BDG 1979 vorgesehen - stattgefunden: Der Landesschulrat habe seinem Reihungsvorschlag ausschließlich die Bewerbungsunterlagen zu Grunde gelegt und die belangte Behörde habe diesen Dreiervorschlag ohne jede weitere Erhebung übernommen. Die Reihung im Dreiervorschlag und die darauf fußende Ernennung seines Mitbewerbers seien mithin einzig und allein das Ergebnis des dahingehenden Antrages der freiheitlichen Fraktion im Landesschulrat für Kärnten. Willkür sei der belangten Behörde schließlich auch insofern vorzuwerfen, als sie leichtfertig über den Akteninhalt hinweggegangen sei und insbes. eine Reihe von - für die Höherqualifikation des Beschwerdeführers sprechende - Kriterien "unter den Tisch" habe fallen lassen.

2.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer - im Ergebnis - im Recht.

Wie bereits dargestellt wurde (vgl. Pkt. II.1.1.), steht dem Beschwerdeführer - als einem in den bindenden Dreiervorschlag des Kollegiums des Landesschulrates aufgenommenen Bewerber - ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zukommenden Auswahlermessens zu. Die Bundesministerin hat ihre Auswahl sachlich auszuüben und zu begründen. Ob sie dies in der Weise tut, dass sie sich der Empfehlung des Landesschulrates anschließt und eine die Kandidaten reihende Bewertung übernimmt oder ob sie von der Auffassung des Landesschulrates abweicht, etwa indem sie die Kriterien für die Eignung anders gewichtet (was freilich eine eigene Begründung, die sich mit den Bewertungen im Dreiervorschlag auseinandersetzt, erfordert), liegt in ihrem Ermessen, ebenso wie es im Ermessen des ernennenden Bundespräsidenten liegt, den Vorschlag der Bundesministerin zu übernehmen oder abzulehnen.

In der Entscheidung aber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zu Stande kommt (vgl. VfSlg. 15.826/2000, 16.431/2002).

Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies stellt objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar. Insoweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass der angefochtene Bescheid zwar nicht begründet, aber begründbar ist, ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach eine krasse Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung auch nicht etwa dadurch beseitigt werden kann, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt (vgl. zB VfSlg. 10.997/1986, 12.141/1989, 13.166/1992). Die Begründung eines Bescheides muss vielmehr aus diesem selbst hervorgehen (vgl. etwa VfSlg. 12.476/1990, 14.115/1995, 15.826/2000, 16.431/2002).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen und geprüft zu werden brauchte, ob auch die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf gleiche Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern stattgefunden hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von 180,-- Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 327,-- Euro enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Schulen, Schulbehörden (des Bundes), Parteistellung Dienstrecht, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist, VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsmaßstab, Ersatzbescheid, Intimationsbescheid, Bescheidbegründung, Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1536.2003

Dokumentnummer

JFT_09959372_03B01536_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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