RS Vfgh 1989/9/26 B121/86

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlegen von Handfesseln
B-VG Art144 Abs3
StGG Art8 / Verletzung
MRK Art3
StPO §177 Abs1
VfGG §88

Leitsatz

Ohne Einholung eines richterlichen Befehls vorgenommene Verhaftung; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit; Abweisung der - zulässigen - Beschwerde gegen das Anlegen von Handfesseln; kein Verstoß gegen Art3 MRK

Rechtssatz

Gemäß §177 Abs1 (§10 Z1) StPO darf die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines Verbrechens oder eines - nicht den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesenen - Vergehens verdächtig ist, in allen Fällen der Haftgründe nach §175 Abs1 Z2 bis 4 und Abs2 zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter ausnahmsweise auch durch ein Organ der Sicherheitsbehörde ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden, wenn die Einholung eines richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist (vgl. auch dazu VfSlg. 9934/1984). Davon kann im Beschwerdefall im Hinblick auf den mehrere Stunden währenden Zeitraum zwischen den Fernschreiben (Fahndungsersuchen) und der Festnahme des Beschwerdeführers nicht die Rede sein. Seine Festnahme und weitere Anhaltung erweist sich somit schon aus diesem Grund als gesetzwidrig und demgemäß als festzustellende Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit.

Unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer aus der Sicht der im Gendarmerieposten dienstversehenden Beamten eines verhältnismäßig kurze Zeit vorher verübten bewaffneten Raubüberfalls verdächtig war, erscheint das vorübergehende Anlegen von Handfesseln (bis zum Eintreffen der Beamten der Kriminalabteilung) als gerechtfertigt; wenngleich aufgrund der vorgenommenen Personsdurchsuchung feststand, daß der Beschwerdeführer unbewaffnet war, war dennoch weder eine Gefährdung des ihm allein gegenüberstehenden Gendarmeriebeamten noch ein Fluchtversuch auszuschließen.

Eine gerechtfertigte Fesselung - wie hier - verstößt jedoch nicht gegen Art3 MRK. Der Beschwerdeführer wurde sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung einer erniedrigenden Behandlung nicht verletzt (vgl. zB VfSlg. 9836/1983 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Befehls- und Zwangsausübung unmittelbare, Festnehmung, Mißhandlung, Strafprozeßrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B121.1986

Dokumentnummer

JFR_10109074_86B00121_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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