RS Vfgh 1989/9/26 B159/86

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs3
StGG Art9
MRK Art3
MRK Art8 / Wohnung
ÜG 1929 ArtII §4 Abs2

Leitsatz

Zulässigkeit der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen das Eindringen von Sicherheitswachebeamten in ein von ihm als Werkstätte für Kraftfahrzeuge verwendetes Gebäude und die durch Hilfeleistung der Feuerwehr entstandenen Sachbeschädigungen zwecks Identitätsfeststellung einer darin arbeitenden Person; keine Hausdurchsuchung; aber keine Rechtfertigung des Vorgehens durch ArtII §4 Abs2 ÜG 1929; Verletzung des Gleichheitsrechtes durch gesetzloses, willkürliches Einschreiten; Unzulässigkeit der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gegen die von ihm angenommene Verhaftung und behauptete Mißhandlung; aufgrund der gegebenen Beweislage kein beschwerdefähiges Substrat

Rechtssatz

Soweit sich die Beschwerde gegen das - von ihr allerdings unzutreffend als Hausdurchsuchung gewertete - Eindringen der Sicherheitswachebeamten in das Gebäude und in diesem Zusammenhang durch die Hilfeleistung der Feuerwehr entstandenen Sachbeschädigungen richtet, ist sie zulässig und im Ergebnis gerechtfertigt.

Die Polizeibeamten suchten keineswegs nach einer bestimmten Person, deren Aufenthalt ihnen nicht bekannt war, sondern sie drangen (geht man von dem von ihnen angegebenen Zweck ihres Einschreitens aus) deshalb in die Räumlichkeiten ein, weil sie die Identität einer ihnen unbekannten Person feststellen wollten, von deren Anwesenheit sie (infolge der vorher wahrgenommenen Arbeitsgeräusche und des sodann erfolgten Abdrehens des Lichtes in der Garage) wußten, sowie zur Feststellung, ob diese Person etwa einen Unfall erlitten habe.

Ebensowenig wie ein Eingriff in das Hausrecht kommt aber auch ein solcher in das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung der Wohnung in Betracht, weil Betriebsräume nicht zur Wohnung im Sinne dieser Konventionsbestimmung zählen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zu vergleichbaren Fällen, in denen Sicherheitsorgane in einer nicht als Hausdurchsuchung zu wertenden Weise zum Schutz von Personen oder Sachen in nicht allgemein zugänglichen Räumlichkeiten eindrangen, eine rechtliche Beurteilung anhand des ArtII §4 Abs2 des ÜG 1929 vorgenommen. Diese Vorschrift kann das hier zu beurteilende Vorgehen der Sicherheitswachebeamten nicht rechtfertigen. Selbst wenn nämlich der Erstbeschwerdeführer bestritten haben sollte, daß sich jemand in seiner Garage befindet, so war es nach der bestandenen Situation im Hinblick auf den Zweck des Kraftfahrzeugabstellplatzes und der Garage sowie auf die eigenen Wahrnehmungen der Polizeibeamten durchaus klar, daß in einer gewerberechtlich allenfalls bedenklichen Weise an gebrauchten Kraftfahrzeugen gearbeitet wurde.

Da die Sicherheitswachebeamten bei ihrem Einschreiten schlechthin gesetzlos, also willkürlich vorgingen, wurde der Erstbeschwerdeführer daher durch das Eindringen in die Garage und die zu diesem Zweck verursachten Sachbeschädigungen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Bei dieser Beweissituation ist der Verfassungsgerichtshof nicht in der Lage, mit der erforderlichen Gewißheit anzunehmen, daß der Zweitbeschwerdeführer gegen seinen Willen verhalten wurde, mit den Sicherheitswachebeamten zum Wachzimmer mitzufahren. Es ist insbesondere unter Bedachtnahme auf die mangelhafte Kenntnis der deutschen Sprache durch den Zweitbeschwerdeführer nicht auszuschließen, daß die Sicherheitswachebeamten den von ihm geäußerten Wunsch, es möge der Erstbeschwerdeführer telefonisch vom Vorfall verständigt werden, im Sinne eines Angebotes mißverstanden, zwecks einer solchen fernmündlichen Verständigung freiwillig zum Wachzimmer mitzukommen.

Zurückweisung der Beschwerde mangels eines beschwerdefähigen Substrats.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Mißhandlungen ist noch anzumerken, daß die Staatsanwaltschaft Wien in dem gegen die einschreitenden Sicherheitswachebeamten wegen des Vergehens der Körperverletzung beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingeleiteten Strafverfahren nach Durchführung der Vorerhebungen die Erklärung abgab, zu einer weiteren Verfolgung werde kein Grund gefunden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sicherheitspolizei, VfGH / Zuständigkeit, Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B159.1986

Dokumentnummer

JFR_10109074_86B00159_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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