RS Vfgh 1990/3/3 G236/89

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 03.03.1990
beobachten
merken

Index

23 Insolvenzrecht, Exekutionsrecht
23/04 Exekutionsordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art20 Abs3 B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität EO §295 EO §302

Leitsatz

Aufhebung des §302 EO; keine sachliche Rechtfertigung für Ausnahme des Ärars von der Verpflichtung zur Drittschuldneräußerung

Rechtssatz

Die Worte "das Ärar oder" in §302 der Exekutionsordnung werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Da die angegriffene Bestimmung des §302 EO nach ihrem Wortlaut zwei Fälle regelt und eine bloße Aufhebung der Worte "das Ärar oder" den zweiten Fall unberührt läßt - während die Belassung der keinesfalls anwendbaren Wortfolge "einen unter öffentlicher Verwaltung stehenden Fonds" für sich allein sinnlos wäre -, kann das Verfahren unter dem Blickwinkel der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken im Ergebnis nur bezüglich der Worte "das Ärar oder" zulässig sein.

Unter Ärar ist, wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 1453/1932 ausgesagt hat, der Staat als Träger von Vermögensrechten und als Prozeßsubjekt in Beziehung zu anderen Vermögensobjekten zu verstehen.

Die Regelung des §301 EO über die Äußerungspflicht des Drittschuldners zielt jedenfalls darauf ab, sowohl dem Gläubiger als auch dem Verpflichteten unnötige Pfändungsakte zu ersparen, ferner auch die Behörden durch Vermeidung überflüssiger, zusätzlicher Exekutionen zu entlasten.

Es mag sein, daß dieses Ziel beim Ärar, solange es Vormerkbücher gab, tatsächlich dadurch erreicht wurde, daß in diese Einsicht genommen werden konnte. Eine solche Möglichkeit gibt es heute jedoch nicht mehr.

Durch §302 EO werden einerseits dem Ärar Mühen erspart; andererseits wäre es möglicherweise für das Ärar unzumutbar, innerhalb der gleichen Frist eine Äußerung abzugeben wie ein Privater; eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß das Ärar überhaupt nicht zu einer Drittschuldneräußerung verpflichtet ist, wird dadurch jedoch nicht dargetan.

Die Befreiung des Ärars von der Äußerung läßt den betreibenden Gläubiger darüber im unklaren, ob, wann und inwieweit er sein exekutives Ziel auf diesem Wege erreicht.

Bei Gehalts- und Bezugsforderungen handelt es sich überhaupt nur um einen Teilaspekt, der - zusätzlich - zur Rechtfertigung des §302 EO allgemein nichts hergeben kann.

§295 EO hat mit einer Äußerungspflicht an sich gar nichts zu tun, sondern gibt dem Ärar unabhängig davon Rechtsbehelfe an die Hand, eine Forderungsexekution, zu der es sich nicht bekennen kann, abzuwehren.

Schließlich vermag auch Art20 Abs3 B-VG nicht zu rechtfertigen, daß das Ärar als Drittschuldner von der Auskunftspflicht ausgenommen wird, weil Art20 Abs3 B-VG ausdrücklich festlegt, daß eine Verpflichtung zur (Amts-)Verschwiegenheit nur soweit besteht, als gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (vgl. auch VfSlg. 6288/1970).

Es findet sich somit keine sachliche Rechtfertigung dafür, das Ärar von der Verpflichtung zur Drittschuldneräußerung auszunehmen; selbst wenn sachliche Gründe dafür sprechen sollten, für Drittschuldneräußerungen durch den Bund Abweichendes von der allgemeinen Äußerungspflicht vorzusehen, rechtfertigt dies eine generelle Ausnahmeregelung jedenfalls nicht.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Exekutionsrecht, Auskunftspflicht, Ärar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G236.1989

Dokumentnummer

JFR_10099697_89G00236_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten