RS Vfgh 1990/9/27 G170/88

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art1O Abs1 Z15
B-VG Art9a
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
LuftFG §12
LuftFG §13
LuftFG §14
LuftFG §19
LuftFG §71
LuftFG §82 Abs3
LuftFG §82, §83

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung einiger Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes wegen zu weit gefaßten Aufhebungsbegehrens; völlig veränderte Bedeutung der nach der beantragten Aufhebung verbleibenden Bestimmungen über die Differenzierungen zwischen Militär- und Zivilluftfahrzeugen; keine Ermächtigung des VfGH zu Akten positiver Gesetzgebung im Wege der Aufhebung von Gesetzesbestimmungen; keine unsachliche Beschränkung der Parteistellung im Verfahren betreffend die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes auf durch eine solche Maßnahme besonderen Nachteilen (einschließlich Immissionen) ausgesetzten Personen; Berücksichtigung der Interessen der Landesverteidigung im Einzelfall; keine Verletzung des Berücksichtigungsprinzips bei der Regelung der Errichtung von Militärflugplätzen und der Einwendungen dagegen durch den Bundesgesetzgeber im Hinblick auf die Raumordnung

Rechtssatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung von Teilen der §12 Abs1, §13, §14 und §19 LuftFG sowie des §12 Abs2 LuftFG zur Gänze.

Es würde dem Gesetz einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht zusinnbaren (und im übrigen sogar mit der Antragsprämisse, daß eine gewisse Differenzierung zwischen Zivil- und Militärluftfahrzeugen geboten ist, unvereinbaren) Inhalt geben, wenn man die wesentlichen Regelungen über die Verwendung von Zivilluftfahrzeugen im Flug, die Voraussetzungen für ihre Zulassung sowie den Widerruf von Zulassungen auf Militärluftfahrzeuge schlechthin ausdehnte und überdies die administrative Behandlung dieser primär militärischen Belange der ausschließlichen Zuständigkeit der für die Zivilluftfahrt kompetenten Behörden überantwortete.

Die gedachte Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen des LuftFG, wodurch die verbleibenden eine völlig veränderte Bedeutung erhielten, stellte im Ergebnis geradezu einen dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt positiver Gesetzgebung dar (vgl. dazu VfSlg. 8806/1980, S. 315, und die dort bezogene Vorjudikatur).

(siehe auch B v 27.09.90, G155/87, V83/87).

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung des §71 Abs1 litd LuftFG.

Eine Aufhebung der litd im §71 Abs1 LuftFG würde bewirken, daß bei der Erteilung einer Zivilflugplatz-Bewilligung nur mehr die unter den lita bis c des §71 Abs1 LuftFG enthaltenen Kriterien zu berücksichtigen wären; sie führte keineswegs zur Begründung irgendwelcher subjektiver Nachbarrechte. Im Fall der begehrten Aufhebung käme sogar eine Berücksichtigung der Bewilligungserteilung entgegenstehender - allenfalls sogar äußerst gewichtiger - sonstiger (nach dem LuftFG wahrzunehmender) öffentlicher Interessen überhaupt nicht mehr in Betracht (mit Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §82 Abs3 LuftFG.

Nach dem ersten Satz des §82 Abs3 LuftFG ist die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes unzulässig, wenn sie für Personen eine unbillige Härte darstellen würde, die an den um den geplanten Flugplatz im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone gelegenen Liegenschaften dingliche Rechte oder Leitungsrechte im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften besitzen.

Da das Gesetz keine Einschränkung enthält, ist für den im ersten Satz des §82 Abs3 LuftFG genannten Personenkreis die Geltendmachung sonstiger Rechte nicht ausgeschlossen. Daher kann die Errichtung eines Militärflugplatzes für diese Personen auch deshalb eine unbillige Härte darstellen, weil damit vermeidbare Immissionen verbunden sind. Ob den vorgebrachten Einwendungen eine unbillige Härte zugrunde liegt oder nicht, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedenfalls stets auch die Interessen der Landesverteidigung iS des Art9a B-VG einzufließen haben.

Liegt nach Abwägung aller Umstände eine unbillige Härte vor, die von dem im ersten Satz des §82 Abs3 LuftFG umschriebenen Personenkreis geltend gemacht wurde, so ist die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes unzulässig.

Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Einräumung der Parteistellung zwischen jenen Personen, die in der Sicherheitszone dingliche Rechte oder Leitungsrechte haben, und anderen Personen. Diese Abgrenzung ist sachlich. Dinglich Berechtigte in der Sicherheitszone, also dem örtlichen Nahbereich des Flugplatzes, sind im Regelfall auch besonders intensiv von Immissionen betroffen, die von der Errichtung und Erweiterung (und damit auch vom Betrieb) des Militärflugplatzes ausgehen.

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, jedermann, der durch Immissionen beeinträchtigt sein könnte, Parteistellung einzuräumen. Beschränkt der Gesetzgeber - wie in §82 Abs3 LuftFG - die Parteistellung auf einen Kreis von Personen, die im Regelfall infolge der Errichtung und des Betriebes eines Militärflugplatzes besonderen Nachteilen (einschließlich von Immissionen) ausgesetzt sind, so ist diese Beschränkung nicht unsachlich (vgl. zur Sachlichkeit der Abgrenzung der Parteistellung im Bereiche des Bundesstraßengesetzes VfSlg. 5271/1966).

Abweisung des Eventualantrags auf Aufhebung der §82 und §83 LuftFG; keine Verletzung des Berücksichtigungsprinzips.

Die "Raumordnung" (im Sinne des im Erk. VfSlg. 2674/1954 formulierten Rechtssatzes) umfaßt keinesfalls solche planenden Maßnahmen, die der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes ausdrücklich vorbehalten sind, mithin auch nicht die in Art10 Abs1 Z15 B-VG genannten "militärischen Angelegenheiten".

Im Antrag sind keine (konkreten) Regelungen des steiermärkischen oder eines anderen Raumordnungsgesetzes genannt, auf welche der Bundesgesetzgeber nicht ausreichend Bedacht genommen hätte.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Luftfahrt, VfGH / Prüfungsumfang, öffentliches Interesse, Nachbarrechte, Landesverteidigung umfassende, Militärflugplatz, Parteistellung Luftfahrtrecht, Auslegung Verfassungs-, Militärrecht, Kompetenz Bund - Länder, Berücksichtigungsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:G170.1988

Dokumentnummer

JFR_10099073_88G00170_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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