RS Vfgh 1990/9/28 B1368/87

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Veröffentlicht am 28.09.1990
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt B-VG Art18 Abs2 Plandokument Nr 5490. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 30.06.1977 Wr BauO 1930 Wr BauO 1930 §6 Abs8 Wr BauO 1930 §134 Abs3 Oö RaumOG §16 Abs2

Leitsatz

Kein Verstoß einer in einem Plandokument festgelegten Widmung gegen die Wr BauO 1930; Aufhebung des angefochtenen Bescheides aufgrund eines auf eine gleichheitswidrige Gesetzesauslegung zurückzuführenden Verfahrensmangels; keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdeführerin als Anrainerin (und Inhaberin eines Industriebetriebs) erhobenen Einwendungen gegen den Bau einer Wohnhausanlage; Geltung des Verbots schwerwiegender Beeinträchtigung durch schädliche Emissionen im gemischten Baugebiet auch im Falle der nachträglichen Errichtung von Wohnhäusern neben bestehenden Betrieben

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen das Plandokument 5490, Beschluß des Wr Gemeinderates vom 30.06.1977 hinsichtlich einer bestimmten Widmung als gemischtes Baugebiet.

Die Wr BauO 1930 enthält keine dem §16 Abs2 Oö RaumOG entsprechende, für die inhaltliche Gestaltung der Flächenwidmungspläne maßgebende Anordnung (di. das Gebot der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung bei der Widmung eines Grundstücks als gemischtes Baugebiet; siehe hiezu VfSlg. 10703/1985). Die im bezogenen Verordnungsprüfungsfall gegeben gewesene Lage kann nicht gleichsam schematisch auf die Situation im regelmäßig eng verbauten großstädtischen Bereich übertragen werden, welche das Nebeneinanderbestehen verschiedener Nutzungsformen des Grund und Bodens in einer weitaus intensiveren Weise erfordert.

§6 Abs8 Wr BauO 1930 bringt einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Erfaßt man die Regelung nach diesem evidenten Zweck, so fehlte es an der sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, daß eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, daß sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann. Diese Erwägungen gebieten es, §6 Abs8 Wr BauO 1930 ausdehnend dahin auszulegen, daß er überdies ein Verbot im eben dargelegten Sinn enthält. Eine in diese Richtung zielende Einwendung kann (auch) vom Inhaber eines Industriebetriebes als Nachbar i.S. des §134 Abs3 Wr BauO 1930 erhoben werden, weil er mit Auflagen der Gewerbebehörde (gegebenenfalls mit weiteren Auflagen gemäß §79 Abs2 GewO) zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen muß (vgl. dazu das schon zitierte Erk. VfSlg. 10703/1985).

Da die belangte Behörde von einem verfehlten, nämlich sachlich nicht begründbaren und daher gleichheitswidrigen Verständnis der zitierten Gesetzesstelle ausging, unterließ sie es, sich mit den von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen inhaltlich auseinanderzusetzen; sie berücksichtigte weder die gegenwärtige sowie die in absehbarer Zeit (bedingt durch eine von der Beschwerdeführerin als erforderlich dargestellte Betriebserweiterung) künftig eintretende Lärmsituation noch die allfälligen gesundheitlichen Belastungen für Bewohner der geplanten Wohnhäuser und überdies auch nicht den (von ihr bloß illustrativ erwähnten) Umstand, daß die Raumgliederung der Wohnungen geändert und eine Isolierverglasung vorgesehen worden war.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Nachbarrechte, Widmungskategorien (Raumordnung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1368.1987

Dokumentnummer

JFR_10099072_87B01368_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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