RS Vfgh 1992/3/6 V254/91, V255/91, V256/91, V257/91, V258/91, V262/91

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Veröffentlicht am 06.03.1992
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z14
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
V-ÜG 1929 ArtII §4 Abs1
V-ÜG 1929 ArtII §5 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art78d Abs1
GendarmerieG 1894
GendarmerieG 1918 §3 Abs2
Behörden-ÜG §20
VStG §27 Abs3
VStG §27 Abs4
BDG 1979 §38 Abs5

Leitsatz

Zurückweisung von Anträgen der Oberösterreichischen und der Steiermärkischen Landesregierung auf Aufhebung von Akten der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich bzw eines Erlasses des Bundesministers für Inneres betreffend die Auflassung von bestimmten Gendarmerieposten mangels Verordnungscharakter der bekämpften Akte

Rechtssatz

Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung näher bezeichneter, als Verordnung qualifizierter Akte der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich sowie des Erlasses des Bundesministers für Inneres vom 29.07.1991 bzw 20.08.1991, alle betreffend die Auflassung von bestimmten Gendarmerieposten.

Verfassungsrechtliche Grundlage des Bestandes der Bundesgendarmerie ist insbesondere Art78d Abs1 B-VG, der - ohne inhaltliche Änderung - die Bestimmung des ArtII §5 Abs1 V-ÜG 1929 übernahm. Wie sich aus dem Zusammenhang von Art78d Abs1 B-VG und Art10 Abs1 Z14 B-VG ergibt, ist die Bundesgendarmerie von Verfassungs wegen als Wachkörper eingerichtet.

Einfach-gesetzliche Grundlagen für die Organisation und Führung der Bundesgendarmerie befinden sich insbesondere im GendarmerieG 1894, im GendarmerieG 1918 und in §20 Behörden-ÜG.

Als Wachkörper ist die Bundesgendarmerie dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht eigene behördliche Befugnisse ausübt, sondern lediglich als Hilfsorgan für bestimmte Behörden im Rahmen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit dieser Behörden tätig wird (s. Vorjudikatur).

(Jedenfalls) bei der Führung des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist das Bezirksgendarmeriekommando Hilfsorgan der Bezirksverwaltungsbehörde. Aus §20 Abs2 Behörden-ÜG iVm §20 Abs3 Behörden-ÜG kann abgeleitet werden, daß auch die Gendarmeriepostenkommanden der Bezirksverwaltungsbehörde untergeordnet sind.

Während der rechtliche Bestand des Gendarmeriezentralkommandos, der Landesgendarmeriekommanden und der Bezirksgendarmeriekommanden unmittelbar auf Gesetz (§20 Abs2 Behörden-ÜG, §2 Abs1 und Abs2 GendarmerieG 1918) beruht, ist in bezug auf die Gendarmeriepostenkommanden gesetzlich nur deren Unterordnung unter das Bezirksgendarmeriekommando (§20 Abs2 Behörden-ÜG) festgelegt.

Vorschriften über die Festlegung des Standortes und der Stärke der Gendarmerieposten enthält §3 Abs2 GendarmerieG 1918 sowie §8, §12 und §13 der "Organischen Bestimmungen für die Bundesgendarmerie" (Verordnungsblatt für die k.k. Gendarmerie Nr. 5/1895; vgl. VfSlg. 4733/1964).

Es besteht keine gesetzliche Vorschrift über die Rechtsform, in der Standort, Überwachungsgebiet und Stärke der Gendarmerieposten festzulegen sind. Insbesondere fehlt eine gesetzliche Anordnung, wonach eine solche Maßnahme in Form einer Verordnung zu treffen ist.

Art18 Abs1 B-VG sowie Art83 Abs2 B-VG verpflichten den Gesetzgeber zu einer - strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden - präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit. Insbesondere darf die Schaffung neuer Behördentypen mit einem besonderen, ressortmäßig abgegrenzten Zuständigkeitsbereich nur durch Gesetz vorgenommen werden.

Aus §27 Abs3 VStG (idF BGBl. 176/1983) sowie aus §27 Abs4 VStG (idF BGBl. 516/1987) kann nicht abgeleitet werden, daß es sich bei der Auflassung von Gendarmerieposten (oder der Änderung ihres Überwachungsgebietes) um eine die Zuständigkeit von Behörden berührende Maßnahme handelt. Diese Vorschriften stehen in keiner Beziehung zu dem einem Gendarmerieposten zugewiesenen Überwachungsgebiet. Eine Behördenzuständigkeit wird lediglich dann berührt, wenn Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (somit auch der Bundesgendarmerie) außerhalb des Sprengels "ihrer" Behörde tätig werden.

Da die "Aufstellung" von Gendarmerieposten ebenso wie ihre Auflassung oder die Änderung ihres Überwachungsgebietes ohne Auswirkung auf behördliche Zuständigkeiten ist, insbesondere die Zuständigkeit der Behörden, als deren Hilfsorgane (auch) die Gendarmerieposten fungieren, unberührt läßt, müssen diese Maßnahmen nicht auf Grund ihres Inhaltes mit (Rechts-)Verordnung getroffen werden.

Die dienstrechtliche Stellung der Beamten wird nicht durch die Auflassung des Gendarmeriepostens, sondern erst durch die - gemäß §38 Abs5 BDG 1979 mit Bescheid zu verfügende - Versetzung berührt, sodaß die Auflassung keinen Eingriff in subjektive Rechte Dritter bewirkt.

Die bekämpften Erlässe haben ausschließlich organisatorische Änderungen im Bereich individuell bestimmter Hilfsorgane einer Behörde ohne normative Wirkung zum Gegenstand. Demnach sind sie gleich den Maßnahmen im Bereich der inneren Organisation einer Behörde interne Behördenakte organisationsrechtlicher Art(vgl. VfSlg. 4698/1964) und nicht generelle Normen, also (auch) keine Verwaltungsverordnungen.

Wenn die für eine interne Verwaltungsmaßnahme zuständige Behörde durch Gesetz an das Einvernehmen mit einer anderen Behörde gebunden wird, ändert dies an der Rechtsnatur dieser Maßnahme ebensowenig wie an der Zurechnung dieser Maßnahme zu der hiefür zuständigen Behörde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bundesgendarmerie, Behördenzuständigkeit, Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, Verordnungsbegriff, Zusammenwirken von Behörden, VfGH / Prüfungsgegenstand, Gendarmerieposten, Einvernehmen, Erlaß siehe VerwaltungsV

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:V254.1991

Dokumentnummer

JFR_10079694_91V00254_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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