RS Vfgh 1992/12/12 G171/91, G115/92

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Veröffentlicht am 12.12.1992
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/01 Bergrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art102
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BergG 1975 §2 idF BGBl 355/1990
BergG 1975 §5 idF BGBl 355/1990
BergG 1975 §132 idF BGBl 355/1990
BergG 1975 §145
BergG 1975 §238 Abs5 idF BGBl 355/1990

Leitsatz

Kompetenz des Bundes zur Regelung der Nachnutzung aufgelassener Bergwerke zB zur Müllablagerung im Rahmen des Bergwesens gegeben; keine Aufhebung der diesbezüglichen Novelle zum Berggesetz betreffend die Einbringung von Stoffen in unterirdische Hohlräume; Aufhebung der in kompetenzrechtlicher Hinsicht überschießenden Regelungen der Lagerung von Materialien auf dem Tagbaugelände; keine verfassungswidrige Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung durch die durch die Novelle bewirkte Erweiterung der Zuständigkeit der Bergbehörden auch für unterirdische Müllablagerung; keine Gleichheitswidrigkeit der Einbeziehung von bestimmten Rohstoffen in die Liste der grundeigenen mineralischen Rohstoffe; keine Gleichheitswidrigkeit der Übergangsbestimmung der Verleihung einer Gewinnungsbewilligung für nunmehr grundeigene mineralische Rohstoffe

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des §145 BergG 1975.

§145 BergG 1975 verdeutlicht nur die Rechtslage, wie sie auch ohne diese Bestimmung bestünde. Durch eine allfällige Beseitigung des §145 entfiele nämlich weder die derzeit nach der GewO 1973 bestehende Genehmigungspflicht für Anlagen zur im Tagbau erfolgenden Gewinnung von nicht in §3 bis §5 BergG 1975 aufgezählten mineralischen Stoffen, noch die Genehmigungspflicht nach dem BergG 1975 für solche Tagbauanlagen, die der Gewinnung von Produkten dienen, die in §3 bis §5 BergG 1975 genannt sind. Die angenommene Gleichheitswidrigkeit bliebe bestehen. Das Ziel des Aufhebungsantrages würde durch Aufhebung des §145 BergG 1975 also nicht erreicht.

Im §132 Abs1 BergG 1975, BGBl. 259 idF BGBl. 355/1990, werden die Wortfolge "Materialien auf dem Tagbaugelände zu lagern," und im §132 Abs2 dieses Gesetzes die Wendung "Lagern," als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Begriff "Bergwesen" erfaßt seinem Zweck nach nicht bloß die auf das Gewinnen von "Mineralien" abzielenden, sondern auch andere, die Erdkruste nutzende Tätigkeiten, sofern diese auf eine für das Gewinnen von "Mineralien" kennzeichnende Weise erfolgen, also mit Mitteln und Methoden, die sonst für das Gewinnen von "Mineralien" typisch sind ("Bergbau").

Nicht zum "Bergwesen" zählen Tätigkeiten, die keine speziellen bergbautechnischen, sondern bloß allgemeine technische Kenntnisse, Mittel und Methoden erfordern. So beschränkt denn auch §2 Abs1 und Abs3 BergG 1975 den Geltungsbereich des Berggesetzes hinsichtlich der strittigen Tätigkeiten (Einbringen von Stoffen in unterirdische Hohlräume (im weitesten Sinn)) ausdrücklich auf die "bergbautechnischen Aspekte".

Soweit die "Nachnutzung" eines aufgelassenen Bergwerks, etwa für das Lagern von Abfällen, mit bergbautechnischen Mitteln und Methoden erfolgt, fällt sie insofern unter den Kompetenztatbestand "Bergwesen" (Art10 Abs1 Z10 B-VG) und nicht unter jenen der "Abfallwirtschaft" (Art10 Abs1 Z12 und Art15 Abs1 B-VG), geht doch hier der Blickwinkel der Methode jenem des zu entsorgenden Gutes vor.

Die im §132 BergG 1975 enthaltenen Regelungen sind in kompetenzrechtlicher Hinsicht insoweit überschießend, als sie die Lagerung von Materialien auf dem Tagbaugelände betreffen. Durch die Wortfolge "Materialien auf dem Tagbaugelände zu lagern," im §132 Abs1 und die Wendung "Lagern," im §132 Abs2 leg.cit. wird keine Beschränkung auf solches Lagern zum Ausdruck gebracht, das im Zuge eines aktiven Bergbaubetriebes erfolgt oder das bergbautechnische Mittel und Methoden erfordert.

Die angefochtenen Stellen des §2 und §132 BergG 1975 führen nicht zu einer verfassungswidrigen Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung.

Da die angefochtenen Bestimmungen vom Kompetenztatbestand "Bergwesen" erfaßt werden, fallen sie auch unter den Begriff "Bergwesen" iS des Art102 Abs2 B-VG. Dem Bundesgesetzgeber stand es daher frei, diese Angelegenheiten Bundesbehörden zur Vollziehung zuzuweisen und von der Ermächtigung des Art102 Abs3 B-VG, den Landeshauptmann mit der Vollziehung zu beauftragen, keinen Gebrauch zu machen.

Die durch die BergG-Novelle 1990 in den §5 eingefügten Wortfolgen verstoßen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Regelungen über die mittelbare Bundesverwaltung.

Der Verfassungsgerichtshof kann dem Bundesgesetzgeber nicht entgegentreten, wenn er den ihm auch im gegebenen Zusammenhang von Verfassungs wegen zukommenden Beurteilungsfreiraum in Anspruch nahm und zur Überzeugung gelangte, daß sich die von der Landesregierung bekämpfte Einreihung bestimmter mineralischer Rohstoffe in die Liste der "grundeigenen mineralischen Rohstoffe" (§5 BergG 1975) im Rahmen der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des BergG 1975 genannten Kriterien (Rohstoffe, die nicht im Übermaß vorkommen und eine volkswirtschaftliche Bedeutung haben oder eine solche in naher Zukunft erlangen können) halte.

Da auch die mit der BergG-Novelle 1990 getroffene Neukategorisierung bestimmter mineralischer Rohstoffe kompetenzrechtlich zum "Bergwesen" zählt, ist die mit der Neukategorisierung verbundene Erweiterung der von den Bergbehörden (also in unmittelbarer Bundesverwaltung) zu besorgenden Agenden verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Übergangsbestimmung des §238 Abs5 BergG 1975 widerspricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz.

Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum bei Erlassung der in Rede stehenden Bestimmung nicht verlassen, wenn er - unter Beachtung verwaltungsökonomischer Aspekte und bei einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung - davon ausgegangen ist, daß in den von §238 Abs5 BergG 1975 erfaßten Fällen (früher - allenfalls vermeintlich - "sonstige mineralische Rohstoffe", nunmehr "grundeigene mineralische Rohstoffe", also solche, die im Eigentum des Grundeigentümers stehen - §1 Z11 BergG 1975) zumindest in der Regel ohnehin eine gewerberechtliche Bewilligung vorlag (siehe §2 Abs2 BergG 1975), sodaß es entbehrlich erschien, nun zusätzlich eine bergbehördliche Gewinnungsbewilligung nach §94 ff BergG 1975 zu fordern, war doch anzunehmen, daß die Gewerbebehörde ähnliche Interessen wie die Bergbehörde wahrgenommen hat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Bergrecht, Kompetenz Bund - Länder Bergrecht, Kompetenz Bund - Länder Abfallwirtschaft, Bundesverwaltung mittelbare, Bundesverwaltung unmittelbare, Übergangsbestimmung, Abfallwirtschaft, Mülldeponie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G171.1991

Dokumentnummer

JFR_10078788_91G00171_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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