TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/15 G36/04, V20/04

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Veröffentlicht am 15.10.2004
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art9a Abs3
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
EMRK Art4 Abs3 litb
AVG §6 Abs1
Übertragungs-Verordnung, BGBl II 140/2002
ZivildienstG §54a idF BGBl I 133/2000

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Ausgliederung bestimmter Aufgaben wie zB der Zuweisung der Zivildienstpflichtigen oder der Befreiung von der Verpflichtung zur Zivildienstleistung an eine nicht staatliche Einrichtung; Militärwesen und Zivildienst als ausgliederungsfeste Kernaufgaben des Staates; Zivildienst verpflichtender staatlicher Dienst; erhebliche Einschränkung der Grundrechtssphäre der Betroffenen; Präjudizialität sowohl der gesetzlichen Verordnungsermächtigung als auch der angewendeten Übertragungs-Verordnung

Spruch

I. In §54a des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. Nr. 679, idF der ZDG-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 133/2000, werden Absatz 1, Absatz 3 erster Satz und Absatz 4 als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung dieser Bestimmungen tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2005 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die §§2 bis 4 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung (Übertragungs-Verordnung), BGBl. II Nr. 140/2002, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

§1 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung (Übertragungs-Verordnung) idF BGBl. II Nr. 140/2002, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für Inneres ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

III. Im Übrigen wird das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1248/03 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Der Beschwerdeführer leistete von 4. Oktober 1999 bis 30. September 2000 seinen ordentlichen Zivildienst. Mit Schreiben an den Bundesminister für Inneres vom 22. August 2000 stellte er den Antrag auf Feststellung der Höhe der monatlichen Grundvergütung und auf Feststellung, inwieweit er einen Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung habe.

Über diesen Antrag erging ein Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 2000 des Inhalts, dass ab 1. Juni 2000 die monatliche Grundvergütung 3648 Schilling betrage, das Mehrbegehren auf Feststellung, inwieweit ab 1. Juni 2000 ein Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung bestehe, aber zurückgewiesen werde.

1.2. Der Einschreiter bekämpfte diesen Bescheid mit Beschwerde nach Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof (protokolliert zu B1803/00). Dieser leitete aus Anlass einer anderen, gleichartigen Beschwerde ein Gesetzesprüfungsverfahren ein (protokolliert zu G212/01). Es endete mit dem Ausspruch, dass näher bezeichnete Ausdrücke und Ziffern im Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 28/2000, verfassungswidrig waren (Erkenntnis vom 6. Dezember 2001, G212/01, = VfSlg. 16.389/2001).

Da der zu B1803/00 protokollierte Beschwerdefall des nunmehrigen Einschreiters dem Anlassfall gleichstand, die belangte Behörde bei Erlassung des damals bekämpften Bescheides die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesstellen angewendet hatte und es nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen war, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers von Nachteil war, wurde der angefochtene Bescheid vom 29. September 2000 mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2001, B1796/00 u.a. Zlen. (darunter auch B1803/00), aufgehoben.

2. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis G212/01 erhob der Einschreiter mit Schriftsatz vom 7. August 2002 beim Verfassungsgerichtshof eine (zu A69/02 protokollierte) Klage nach Art137 B-VG, mit der er vom Bund mit näherer Begründung die Bezahlung von 993 € (samt Zinsen) als ausstehende Verpflegungsleistung begehrte.

Der Verfassungsgerichtshof wies diese Klage wegen Unzuständigkeit zurück (s. Beschluss vom 11. Dezember 2002, A11/02 u.a. Zlen. [darunter auch A69/02]). Diese Entscheidung wurde im Kern damit begründet, dass infolge Aufhebung des vom Bundesminister für Inneres ergangenen Bescheides vom 29. September 2000 durch den Verfassungsgerichtshof "jedenfalls der Antrag des Einschreiters an den Bundesminister für Inneres auf Feststellung, 'inwieweit ich einen Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung habe', als unerledigt zu betrachten" und die Behörde gehalten ist, einen (Feststellungs-) Bescheid zu erlassen (vgl. dazu näher den Beschluss VfGH 3.12.2002, A10/02, auf welchen der zuvor erwähnte Beschluss A11/02 u.a. Zlen. verweist).

3. Bereits zuvor hatte die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. einen Ersatzbescheid vom 29. August 2002 erlassen, mit dem sie den Antrag des Einschreiters (vom 22. August 2000) abwies.

Gegen diesen abweisenden Bescheid der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. erhob der Einschreiter mit Schriftsatz vom 13. September 2002 Berufung. Er stellte darin mit näherer Begründung an den Bundesminister für Inneres als Berufungsbehörde den Antrag,

"a) den angefochtenen Bescheid aufzuheben und selbst über meinen Antrag dahingehend abzusprechen, dass ich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum neben dem Anspruch auf die Pauschalvergütung auch einen Anspruch auf Verpflegungsgeld pro Kalendertag, an dem ich Zivildienst leistete, in Höhe von S 155,-

(das sind € 11,26) habe;

b) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass ich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum neben dem Anspruch auf die Pauschalvergütung auch einen Anspruch auf Verpflegungsgeld pro Kalendertag, an dem ich Zivildienst leistete, in Höhe von S 155,-

(das sind € 11,26) habe."

4.1. Darüber erging eine Berufungsvorentscheidung der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. vom 5. März 2003. Diese trat infolge eines vom Einschreiter eingebrachten Vorlageantrages gemäß §64a Abs3 AVG außer Kraft.

4.2. Mit Berufungsbescheid vom 6. August 2003 stellte der Bundesminister für Inneres fest:

1.

"Gemäß §25a Abs2 Z1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 187/1994 beträgt Ihre monatliche Grundvergütung 2 358 S, dies entspricht 171,36 €.

2.

Das Begehren auf Feststellung, dass Sie im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch einen Anspruch auf Verpflegungsgeld pro Kalendertag, an dem Sie Zivildienst geleistet haben, in der Höhe von 155 S haben, wird zurückgewiesen."

5. Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 2003 richtet sich die oben unter Pkt. I. erwähnte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass dieser Beschwerde am 11. März 2004 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur amtswegigen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §54a Abs1 bis 7 ZDG 1986, BGBl. Nr. 679, idF der ZDG-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 133/2000, einzuleiten sowie gemäß Art139 Abs1 B-VG ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung (Übertragungs-Verordnung), BGBl. II Nr. 140/2002, einzuleiten.

7. Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2004 eine Äußerung erstattet, in der beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof wolle die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufheben sowie für den Fall der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen.

8. Der Bundesminister für Inneres hat mit Schriftsatz vom 8. Juni 2004 eine Äußerung erstattet und alle auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten vorgelegt.

II. Zur Rechtslage:

1. Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 28/2000 (im Folgenden kurz als ZDÄG - Bundesgesetz über die Änderung des Zivildienstgesetzes - bezeichnet) war das Zivildienstgesetz 1986 - ZDG, BGBl. Nr. 679, (zuvor letztmalig geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/1998), unter anderem dahingehend abgeändert worden, dass mit 1. Juni 2000 der Anspruch des Zivildienstleistenden auf unentgeltliche Verpflegung entfallen und gleichzeitig die Grundvergütung erhöht worden war.

Entsprechend der in §25a Abs2 Zivildienstgesetz (im Folgenden ZDG) festgelegten Bemessungsgrundlage hatte die monatliche Grundvergütung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 28/2000 (ZDÄG) zuletzt 2358 Schilling und nach dessen Inkrafttreten 3648 Schilling betragen.

2.1. Mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2001, G212/01, (= VfSlg. 16.389/2001), sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass näher bezeichnete Ausdrücke und Ziffern des ZDÄG verfas-sungswidrig waren. (Eine Aufhebung kam nicht in Frage, weil die betreffenden Gesetzesstellen infolge Neugestaltung der Rechtslage durch die ZDG-Novelle 2001 - wie soeben dargelegt - im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr dem Rechtsbestand angehörten.)

2.2. Der Verfassungsgerichtshof erachtete bestimmte Ausdrücke und Ziffern des ZDÄG im Kern deshalb als verfassungswidrig, weil die (in ihnen normierte) Erhöhung der Grundvergütung des Zivildienstleistenden nicht geeignet war, den (gleichfalls durch sie bewirkten) Entfall des Anspruchs auf Verpflegung auszugleichen. Darin erblickte der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des durch Art9a Abs3 B-VG iVm. §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, weil der verfassungsrechtlich gebotenen Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung der Versorgung der Zivildienstleistenden nicht entsprochen wurde bzw. die Ableistung des Zivildienstes während der Geltung der in Rede stehenden Rechtslage (= 1. Juni 2000 bis 31. Dezember 2000) faktisch erschwert wurde (vgl. VfSlg. 16.389/2001, S 876).

3.1. Mit der Zivildienstgesetz-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 133/2000, kam es zu einer neuerlichen Novellierung des ZDG in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2000: Es wurde erneut ein Anspruch des Zivildienstleistenden auf Verpflegung normiert und die Erhöhung der Grundvergütung rückgängig gemacht. Die entsprechenden Bestimmungen traten mit 1. Jänner 2001 in Kraft.

3.2. Die Novellierung erfolgte mit dem Ziel, "Regelungen über den Zivildienst einer Neuregelung zu unterziehen", um "ihn unbürokratischer und effizienter auszugestalten" (vgl. im Detail RV 338 BlgNR XXI. GP). Unter anderem wurde §54a in das Zivildienstgesetz eingefügt, der die Möglichkeit eröffnet, ein geeignetes Unternehmen mit der Durchführung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung zu betrauen.

        §54a ZDG lautet:

                           "ABSCHNITT VIIa

                   Beauftragung eines Unternehmens

        §54a. (1) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, mit

der Durchführung von ihm übertragenen Aufgaben der

Zivildienstverwaltung gemäß den Abschnitten III, V und VI,

ausgenommen die Erlassung von Verordnungen, ein im Hinblick auf die

zu übertragenden Befugnisse und die Gewährleistung der

Aufgabenerfüllung geeignetes Unternehmen nach Durchführung eines

Vergabeverfahrens vertraglich zu beauftragen. Bei der Prüfung der

Eignung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob das Unternehmen der sozialen

Zielsetzung des Einsatzes von Zivildienstleistenden gerecht wird und

die Gleichbehandlung der Einrichtungen gesichert scheint.

(2) In dem Umfang, in dem vom Unternehmen Bescheide nach diesem Bundesgesetz zu erlassen sind, ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG anzuwenden.

(3) Die Übertragung der Aufgaben an das ausgewählte Unternehmen sowie der Widerruf einer Übertragung von Aufgaben ist vom Bundesminister für Inneres mittels Verordnung kundzumachen. Zusammen mit einer Übertragung hat der Bundesminister für Inneres auch festzulegen, welche der in §57a genannten Datenarten dem Unternehmen für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben zu übermitteln sind.

(4) Der Bundesminister für Inneres kann den mit dem Unternehmen geschlossenen Vertrag mit sofortiger Wirkung auflösen und die damit erteilten Befugnisse widerrufen, wenn das Unternehmen eine wichtige Vertragsbedingung nach Ablauf einer ihm gesetzten Nachfrist nicht erfüllt.

(5) Das Unternehmen unterliegt bei seiner Tätigkeit im Rahmen der ihm gemäß Abs1 übertragenen Aufgaben der Aufsicht des Bundesministers für Inneres, dem von der Geschäftsführung alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und alle entsprechenden Unterlagen vorzulegen sind. Der Bundesminister für Inneres kann dem Unternehmen in Ausübung seines Aufsichtsrechtes allgemeine Weisungen oder Weisungen im Einzelfall erteilen. Dies gilt insbesondere für die Wahrung öffentlicher Interessen nach §§8a Abs6, 13 Abs1 Z1 und 16.

(6) Gegen Bescheide des Unternehmens ist eine Berufung an den Bundesminister für Inneres zulässig.

(7) Die Dienstnehmer des Unternehmens sind bei Erfüllung der in Vollziehung des Zivildienstgesetzes übertragenen Aufgaben zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen auch nach dem Ende des Dienstverhältnisses verpflichtet.

(8) Das beauftragte Unternehmen haftet dem Bund für Schadenersatzleistungen, die dieser nach Maßgabe des Amtshaftungsgesetzes, BGBl. Nr. 20/1949, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den ein Dienstnehmer oder ein Organ des beauftragten Unternehmens in Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt hat, geleistet hat, sofern der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden ist.

(9) Soweit das Unternehmen in Vollziehung der Gesetze tätig ist, ist seine Tätigkeit dem öffentlichen Bereich gemäß §5 Abs1 und 2 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, zuzurechnen."

Gemäß §76c Abs15 ZDG ist §54a mit 1. Jänner 2001 in Kraft getreten.

4. Aufgrund des §54a ZDG wurde mit Wirksamkeit vom 1. April 2002 eine Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Übertragung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung (Übertragungs-Verordnung), BGBl. II Nr. 140/2002, erlassen.

Diese Verordnung lautet wie folgt:

"Auf Grund des §54 a des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. Nr. 679, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, wird verordnet:

Ausgewähltes Unternehmen

§1. Der Bundesminister für Inneres überträgt mit Wirksamkeit vom 1. April 2002 ihm übertragene Aufgaben der Zivildienstverwaltung nach Durchführung eines Vergabeverfahrens an das Österreichische Rote Kreuz, Generalsekretariat, das diese Aufgaben unter ausschließlicher Inanspruchnahme der Zivildienstverwaltungs Ges. m. b. H. wahrnimmt.

Übertragene Aufgaben

§2. Die Übertragung gemäß §1 umfasst die in den Abschnitten III, V und VI genannten Aufgaben. Davon ausgenommen sind die Vollziehung der §§12a, 12b, 13 Abs1 Z1 und 16 sowie die in diesen Abschnitten vorgesehenen Ermächtigungen zur Erlassung von Verordnungen.

Verwendung personenbezogener Daten

§3. (1) Der Zivildienstverwaltungs Ges. m. b. H. sind zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben ausschließlich folgende Datenarten vom Bundesministerium für Inneres zu übermitteln:

1. Daten über die Identität des Zivildienstpflichtigen und Daten, die seine Erreichbarkeit ermöglichen,

2. Daten über die körperliche Eignung der Zivildienstpflichtigen, soweit dies für die Zivildienstverwaltung unerlässlich ist,

3. Daten über besondere Kenntnisse und Fertigkeiten der Zivildienstpflichtigen,

4. Daten des Verfahrens zur Feststellung der Zivildienstpflicht,

5. Daten des Verfahrens zur Zuweisung und zur Leistung des Zivildienstes, sofern dieser noch nicht vollständig abgeleistet ist, ansonsten im Einzelfall über Antrag des Zivildienstpflichtigen oder bei Nachweis eines berechtigten Interesses und

6. Daten über die Identität der Rechtsträger und deren Zivildiensteinrichtungen sowie Daten, die ihre Erreichbarkeit ermöglichen.

(2) Soweit es sich um strafrechtlich relevante Daten im Sinne des §8 Abs4 DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001 oder sensible Daten im Sinne des §4 Z2 DSG handelt, sind angemessene Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des besonderen Geheimhaltungsinteresses der Betroffenen zu ergreifen; soweit automationsunterstützte Verarbeitung eingesetzt wird, dürfen Übermittlungen nur in verschlüsselter Form erfolgen.

In-Kraft-Treten

§4. Diese Verordnung tritt am 1. April 2002 in Kraft."

5. Mit BGBl. II Nr. 343/2004, ausgegeben am 30. August 2004, erfuhr die Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 29. März 2002 über die Übertragung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung (Übertragungs-Verordnung), BGBl. Nr. 140/2002, folgende Änderung:

"1. §1 samt Überschrift lautet:

'Ausgewähltes Unternehmen

§1. Der Bundesminister für Inneres überträgt ihm übertragene Aufgaben der Zivildienstverwaltung an die Zivildienstverwaltungs Ges. m. b. H.'

2. Der bisherige §4 erhält die Absatzbezeichnung '1' und es wird folgender Abs2 angefügt:

'(2) §1 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 343/2004 tritt mit 1. September 2004 in Kraft.' "

Begründend wird dazu in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf ausgeführt, dass Ziel der Änderung die "Feststellung des gesetzeskonformen Zustandes im Sinne der Ausführungen des VfGH" sei, der mit Beschluss vom 11. März 2004, Zl. B1248/03-7, beschlossen hat, die Gesetzmäßigkeit der Übertragungs-Verordnung gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen u.a. deshalb zu prüfen, weil es sich beim Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht um ein Unternehmen im Sinne des Wortlauts des §54a Abs1 ZDG handle.

Dem Umstand, dass tatsächlich die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. behördliche Aufgaben wahrzunehmen hätte, sei im Verordnungstext durch die Nennung der tatsächlichen Rechtsform der Durchführung Rechnung zu tragen. Nunmehr solle unmissverständlich geregelt werden, dass die Beauftragung an die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. erfolge. Die erfolgte Änderung der Übertragungs-Verordnung trage nicht zuletzt den mehrjährigen positiven Erfahrungen in der Aufgabenerfüllung durch die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. Rechnung. Es solle - unter Beachtung der vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes - eine eindeutige gesetzeskonforme Regelung in der Verordnung getroffen werden, die Art18 B-VG entsprechend klarstelle, dass die Übertragung der Aufgaben im Sinne des §54a ZDG in rechtsstaatlich gebotener Weise - wie bisher - durch Verordnung des Bundesministers für Inneres erfolge und im Innenverhältnis ein vertragliches Verhältnis bestehe.

III. Zu den einzelnen Bedenken:

1. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof gegen §54a Abs1 bis 7 zunächst das Bedenken, dass durch die Ausgliederung bestimmter Aufgaben der Zivildienstverwaltung (insbesondere des Abschnitts III) nicht ausgliederbare Kernaufgaben der staatlichen Verwaltung zur Durchführung an ein Unternehmen übertragen wurden.

1.1. In seinem Beschluss vom 11. März 2004 ging der Gerichtshof zunächst davon aus, dass - bei Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Ausgliederung von Aufgaben - eine enge Verknüpfung von Aufgaben der Vollziehung des Zivildienstgesetzes (bzw. Ersatzdienstleistungen) mit Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung (bzw. militärischen Dienstleistungen) besteht; wörtlich wurde dazu ausgeführt:

"(...)

Die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes setzt - bei gegebener (Verfassungs-)Rechtslage - die Wehrpflicht des männlichen österreichischen Staatsbürgers notwendigerweise voraus.

Es scheint daher vorläufig der Schluss nahe zu liegen, dass zentrale Aufgaben der Vollziehung des Zivildienstgesetzes aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Ausgliederung von Aufgaben nicht anders zu beurteilen wären als Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung selbst; vgl. in diesem Sinne auch VfSlg. 13.905/1994:

(...)

Die enge Verknüpfung von militärischen Dienstleistungen mit den - im Falle der Verweigerung der Erfüllung der 'klassischen' Wehrpflicht zu leistenden - Ersatzdienstleistungen zeigt sich auch darin, dass in Art4 Abs3 litb EMRK für beide Dienstleistungen gleichermaßen festgelegt ist, dass sie keine verbotene Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels darstellen. Dass die Verpflichtung zur Leistung des Ersatzdienstes auch vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwangsweise durchgesetzt werden kann - wie die EKMR in der Entscheidung Johansen (vgl. Appl. 10.600/83, DR 44, 155) ausdrücklich festgestellt hat - macht die Vergleichbarkeit mit der Wehrpflicht auch unter dem Blickwinkel zulässiger Grundrechtseingriffe deutlich."

1.2. Was die Übertragung bestimmter Aufgaben der Zivildienstverwaltung zur Durchführung an ein Unternehmen betrifft, hegte der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. März 2004 Bedenken betreffend deren Zugehörigkeit zu den nicht ausgliederbaren Kernaufgaben der staatlichen Verwaltung:

"Der Umstand, dass es sich - wie dargestellt - bei der Leistung des Zivildienstes um eine Ausnahme vom Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit iSd. Art4 Abs3 litb EMRK handelt, scheint auch ein Indiz dafür zu sein, dass zentrale Aufgaben der Zivildienstverwaltung, welche die Verpflichtungen des einzelnen Zivildieners zur Dienstleistung umsetzen, aktualisieren und administrieren, als staatliche Kernaufgaben zu beurteilen sein könnten.

(...)

Durch die Befugnis, diese Aufgaben zu übertragen, scheint aber bewirkt worden zu sein, dass wesentliche Steuerungsinstrumente der Zivildienstverwaltung - nämlich nahezu alle hoheitlichen Elemente, welche die gesetzmäßige Abwicklung der Zivildienstleistung voraussetzen - nicht mehr durch den Staat selbst erfolgen.

Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof vorläufig der Auffassung, dass durch die Ausgliederung bestimmter - zuvor näher dargestellter - Aufgaben der Zivildienstverwaltung (insbesondere des Abschnitts III) nicht ausgliederbare Kernaufgaben der staatlichen Verwaltung zur Durchführung an ein Unternehmen übertragen wurden

(...)."

1.3. Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2004 eine Äußerung erstattet, in der sie den einzelnen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des §54a Abs1 bis 7 mit nachfolgenden Argumenten entgegentritt:

Die Bundesregierung kann die im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 2004 vertretene Auffassung hinsichtlich der engen Verknüpfung von Ersatzdienstleistungen mit militärischen Dienstleistungen nicht teilen und weist zunächst darauf hin, dass Zivildienst schon kompetenzrechtlich eine andere Materie darstelle als die Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung. Weiters sollten die Aufgaben des Zivildienstes "inhaltlich" gesehen werden und nicht als Folge der vom Verfassungsgerichtshof getroffenen Annahme, dass "die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes (...) die Wehrpflicht des männlichen österreichischen Staatsbürgers notwendigerweise voraus(setzt)". Die Aufgaben der militärischen Landesverteidigung (vor allem Schutz der Grenzen der Republik) seien dabei typische Beispiele für die Ausübung staatlicher Gewalt, während die in §3 ZDG genannten Aufgaben - mögen sie auch gemäß Abs1 den Zivildienstpflichtigen in gleicher Weise belasten wie den Wehrpflichtigen - ihrer Art nach auch von Privaten besorgt werden könnten.

Zu dem im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes gegebenen Hinweis auf Art4 EMRK führt die Bundesregierung wörtlich Folgendes aus:

"(...)

Nach Ansicht der Bundesregierung differenziert die genannte Bestimmung der EMRK zwischen 'Dienstleistungen militärischen Charakters' und solchen Dienstleistungen, die an deren Stelle treten. Art4 EMRK Abs3 litb kann daher aufgrund eines Umkehrschlusses lediglich entnommen werden, dass eine Dienstpflicht, die an Stelle einer Dienstleistung militärischen Charakters tritt, keine Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne des Art4 EMRK ist, nicht kann jedoch daraus der Schluss gezogen werden, dass diese auch eine Dienstleistung militärischen Charakters ist. Dass die Verpflichtung zur Leistung des Ersatzdienstes auch vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwangsweise durchgesetzt werden kann, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Aus der Sicht der Bundesregierung ist auch zu bestreiten, dass eine 'enge Verknüpfung von militärischen Dienstleistungen mit den - im Falle der Verweigerung der Erfüllung der 'klassischen' Wehrpflicht zu leistenden - Ersatzdienstleistungen' besteht. Die EMRK enthält keine Vorschriften darüber, wie die Staaten einen - allfälligen - Zivildienst zu organisieren haben. Dass jedenfalls in Österreich gerade keine enge Verknüpfung bestehen soll, zeigt etwa die strenge organisatorische Trennung der beiden Systeme.

Auch das zitierte Erkenntnis VfSlg. 13.905/1994 scheint dieser Ansicht nicht entgegen zu stehen. In diesem Erkenntnis ist nach Ansicht der Bundesregierung dargetan, dass die Wehrpflicht im Vergleich zur Zivildienstpflicht ein aliud darstellt, wenn ausgeführt wird, dass '...(bereits) die Einbringung der Zivildiensterklärung die Rechtsposition des Wehrpflichtigen im erwähnten Sinn ändert, ihn also von der Wehrpflicht befreit und zugleich der Zivildienstpflicht unterwirft.' (...)"

Den Bedenken des Gerichtshofes hinsichtlich der Übertragung ausgliederungsfester Kernaufgaben der staatlichen Verwaltung an ein Unternehmen begegnet die Bundesregierung mit der Umschreibung des ihrer Auffassung nach "maßgeblichen ausgliederungsfesten Verwaltungsbereiches" und der Abgrenzung der Begriffe "Militärwesen", "militärische Landesverteidigung" und "militärische Angelegenheiten".

a) Zu den Begriffen "Militärwesen" und "militärische Landesverteidigung" führt die Bundesregierung Folgendes aus (Hervorhebung im Original):

"Dem zitierten Erkenntnis [Anm.: VfSlg. 14.473/1996] ist klar zu entnehmen, dass die 'Vorsorge für die Sicherheit nach außen' eine Kernaufgabe des Staates ist. Der Verfassungsgerichtshof dürfte - wie aus dem nächsten Halbsatz zu folgen scheint - diesen Begriff mit jenem des 'Militärwesens' gleichsetzen. Dazu ist aber festzuhalten, dass der Begriff des 'Militärwesens' juristisch nicht genau umrissen werden kann, da er weder in der Bundesverfassung noch in geltenden einfachgesetzlichen Bestimmungen entsprechende Verwendung findet.

Der Verfassungsgerichtshof dürfte aber nach seinen Ausführungen im vorliegenden Prüf[ungs]beschluss davon ausgehen, dass dieser Aufgabenbereich mit der 'militärischen Landesverteidigung' gleichzusetzen ist (siehe S. 12, letzter Absatz des Beschlusses). Dieser Begriff wird sowohl in Art79 Abs1 B-VG als auch in Art9a Abs2 B-VG verwendet; er wird in den Materialien zur B-VG-Novelle 1975, BGBl. Nr. 287, näher erläutert (RV 1461 BlgNR 13.GP und AB 1643 BlgNR 13. GP). Darin hat der Verfassungsgesetzgeber diesen Begriff wie folgt umschrieben:

'Damit ist ... grundsätzlich die Abwehr von Gefahren von außen gemeint; es kommt aber auch die Abwehr von Vorgängen im Staatsinneren in Betracht, insofern sie im Zusammenhang mit von außen drohenden Gefahren stehen und insofern eine wirksame Abwehr nur mit militärischen Mitteln möglich ist.'

Schließlich geht schon aus dem Wortlaut des Art79 Abs1 B-VG eindeutig hervor, dass die militärische Landesverteidigung (ausschließlich) dem Bundesheer obliegt und sohin ein Tätigwerden anderer Einrichtungen im Rahmen der militärischen Landesverteidigung verfassungsrechtlich unzulässig ist. Diese ausschließlich vom Bundesheer zu besorgenden Aufgaben umfassen (nach §2 Abs2 ff. WG 2001) die allgemeine Einsatzvorbereitung, die unmittelbare Vorbereitung eines Einsatzes und die Wahrnehmung von Einsatzaufgaben einschließlich der notwendigen Abschlussmaßnahmen nach dessen Beendigung.

Unter Zugrundelegung der zitierten Ausführungen könnte man zum Ergebnis gelangen, dass lediglich der in Art79 B-VG normierte Aufgabenbereich 'militärische Landesverteidigung' als ausgliederungsfeste Staatsaufgabe zu qualifizieren ist. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass in der Literatur bei der Untersuchung dieser Kernaufgabe primär organisationsrechtliche Bestimmungen des österreichischen Bundesverfassungsrechts angeführt werden; dabei wird neben der Bundesheer-Beschwerdekommission nach §4 WG 2001 und der Berufungskommission (§73 HDG 2002) insbesondere auf die dem Bundesheer in den Art79 ff B-VG zugewiesenen Aufgaben verwiesen (siehe Rill, Staatliche 'Kernaufgabe' - Notwendigkeit oder

Fiktion, in: ÖJK [Hg.], Entstaatlichung Gefahr für den Rechtsstaat, 2002, 101; Raschauer, Staatliche Kernaufgabe - Notwendigkeit oder

Fiktion, in: ÖJK [Hg.], Entstaatlichung Gefahr für den Rechtsstaat, 2002, 113 ff; Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, in:

15. ÖJT, 2003, I/1, 88f).

Geht man vor diesem Hintergrund von einem engen Verständnis der gegenständlichen Staatsaufgabe 'Militärwesen' aus, so gelangt man zum Ergebnis, dass lediglich in dem umschriebenen Umfang jener Aufgaben, die von der Verfassung ausdrücklich dem Bundesheer zugewiesen sind, ein ausgliederungsfester Kernbereich anzunehmen ist. Aufgaben im Bereich des Zivildienstes können bei diesem Verständnis nicht als ausgliederungsfest qualifiziert werden: Der Zivildienst wurde vom Verfassungsgesetzgeber zwar als Teil der umfassenden Landesverteidigung angesehen (siehe RV 1461 BlgNR 13. GP, 6), nicht aber als Teil der militärischen Landesverteidigung. Dies kommt auch in §3 Abs1 ZDG deutlich zum Ausdruck, wonach der Zivildienstpflichtige zu Dienstleistungen heranzuziehen ist, die der zivilen Landesverteidigung oder sonst dem allgemeinen Besten dienen und den Zivildienstpflichtigen ähnlich wie der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten."

b) Zum Begriff "militärische Angelegenheiten" führt die Bundesregierung wörtlich aus:

"Ein weiterer für den vorliegenden Zusammenhang relevanter Begriff könnte der Kompetenztatbestand 'militärische Angelegenheiten' in Art10 Abs1 Z15 B-VG sein. Dieser Kompetenztatbestand ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff 'militärische Landesverteidigung', sondern geht darüber hinaus (siehe dazu etwa Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 1964, 127). Für den vorliegenden Fall ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, dass sich in den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des Zivildienstgesetzes (RV 603 BlgNR 13.GP, 19) Überlegungen zu den Kompetenzgrundlagen finden. So wird eingehend die Frage untersucht, ob Regelungen des Wehrersatzdienstes auf den Kompetenztatbestand 'militärische Angelegenheiten' gestützt werden könnten:

'Bei rein historischer Interpretation können Bestimmungen über den Wehrersatzdienst gewiß nicht dem Kompetenztatbestand 'militärische Angelegenheiten' zugerechnet werden. Darüber, ob sie systematisch dorthin gehören, kann man verschiedener Meinung sein. Die Frage kann bejaht werden, insoweit es sich um die Regelung der Voraussetzung für die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Militärdienstes handelt; das bedeutet aber keineswegs, daß damit auch die Kompetenz zur inhaltlichen Regelung des Ersatzdienstes gegeben ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf könnte daher nicht zur Gänze auf den erwähnten Kompetenztatbestand [Anm.: Art10 Abs1 Z15] gestützt werden.'

(...)"

c) Weiters ist es nach Auffassung der Bundesregierung fraglich, ob Art9a B-VG im vorliegenden Zusammenhang geeignet sein könne, für weitergehende Überlegungen herangezogen zu werden. Die umfassende Landesverteidigung enthalte zudem - abgesehen von der militärischen Landesverteidigung - keineswegs nur hoheitlich durch den Staat zu besorgende Elemente. So würden dabei viele Bereiche durch Private erfüllt; beispielsweise die Information durch private Träger, Förderungen sowie die vertragliche Einbindung Privater in die Krisenvorsorge.

d) Die Bundesregierung weist schließlich darauf hin, dass die Ermächtigung des §54a ZDG weder die Übertragung von "Verwaltungsstrafkompetenzen" an die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. noch die Übertragung von Aufgaben, die den "außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten" zuzurechnen wären, zum Inhalt habe, zumal der Auslandszivildienst ebenfalls nicht von der Ausgliederung umfasst sei.

1.4. Die Bundesregierung kommt daher zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

"Auf Grund dieser Überlegungen wird davon auszugehen sein, dass nur der Vollziehungsbereich im Zusammenhang mit der Regelung der Voraussetzung für die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Militärdienstes ebenso als ausgliederungsfest zu qualifizieren ist wie die militärische Landesverteidigung. Diese Annahme würde es jedoch zulassen, darüber hinausgehende Regelungen im Zusammenhang mit dem Zivildienst einer Ausgliederung zugänglich zu machen. Damit würde §54a ZDG nicht in Widerspruch mit der Verfassung stehen; auch verbleiben wesentliche Aufgaben weiter beim Bundesminister für Inneres: Die Befreiung eines Menschen von der Wehrpflicht, der Widerruf der Befreiung, die Aufhebung der Zivildienstpflicht, die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes aus öffentlichem Interesse und die Verlängerung des Zivildienstes bei Verstößen gegen die Dienstpflicht.

(...)

Die Bundesregierung ist daher zusammengefasst der Ansicht, dass die Regelung des 'Zivildienstwesens' nicht grundsätzlich mit 'militärischer Landesverteidigung' oder 'militärischen Angelegenheiten' gleichzusetzen ist, und daher als dem 'Kernbereich ausgliederungsfester Staatsaufgaben' zuzuzählen ist. Es erscheint vielmehr die Ansicht vertretbar, dass lediglich die Frage der 'Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Militärdienstes' aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ihrer Ausgliederung nicht anders zu beurteilen wäre wie 'Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung selbst'. Da somit lediglich in diesem Kernbereich jedwede vereinzelte Übertragung von Staatsaufgaben an ausgegliederte Rechtsträger (oder sonstige private natürliche oder juristische Personen) unzulässig wäre (vgl. VfSlg. 16.400/2001), ist eine wie in §54a ZDG getroffene Regelung - unter Beachtung der weiteren vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochenen Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Ausgliederung - nach Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich zulässig.

(...)"

1.5. Schließlich tritt die Bundesregierung der vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Ansicht entgegen, dass gerade die Übertragung der im Zusammenhang mit der Zuweisung der Zivildienstpflichtigen stehenden Teilaufgaben als "Übertragung von wesentlichen Steuerungselementen der Zivildienstverwaltung" betrachtet werden müsse: Einerseits sei dieser Ansicht entgegenzuhalten, dass ein wesentlicher Teil der Zivildienstverwaltung weiterhin im Vollzugsbereich des Bundesministers für Inneres verblieben sei. Andererseits sei darauf hinzuweisen, dass gegen Entscheidungen im Einzelfall das Rechtsmittel der Berufung an den Bundesminister für Inneres eingeräumt sei und es weiters durch die normierten Aufsichts- und Weisungsbefugnisse des Bundesministers für Inneres gewährleistet erscheine, dass der Rechtsträger in Vollzugsfragen keine vom Willen des Bundesministers für Inneres abweichende endgültige Entscheidung treffen könne.

2.1. Der Gerichtshof hegte in seinem Beschluss vom 11. März 2004 überdies das Bedenken, dass die Ermächtigung des §54a ZDG die Betrauung eines Unternehmens mit mehr als bloß vereinzelten Aufgaben zur hoheitlichen Besorgung erlauben dürfte.

Bei Gegenüberstellung der dem Unternehmen gemäß §54a Abs1 ZDG iVm. §2 der Übertragungs-Verordnung übertragenen Aufgaben mit denen, die weiterhin beim Bundesminister für Inneres verbleiben, ergab sich Folgendes:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der Bundesminister für Inneres ermächtigt wurde, die in §8 ZDG vorgesehene bescheidmäßige Zuweisung der Zivildienstpflichtigen zur Dienstleistung - welche auch die Festlegung von Zeitpunkt und Ort des Dienstantritts sowie die Art des Zivildienstes beinhaltet (vgl. dazu §§11 und 15 ZDG) - einem Unternehmen zur Durchführung zu übertragen. Zudem wurden in gleicher Weise folgende weitere Aufgaben der Zivildienstverwaltung - über die anscheinend überwiegend bescheidmäßig abzusprechen ist - übertragen:

Gemäß Abschnitt III des Zivildienstgesetzes (§§7 bis 20 ZDG) die Befreiung vom ordentlichen Zivildienst auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es dessen rücksichtswürdige Interessen erfordern (§13 Abs1 Z2 ZDG), den Widerruf der Befreiung (§13 Abs3 ZDG), den Aufschub des ordentlichen Zivildienstes (§14 ZDG), die Feststellung von einrechenbaren Zeiten (§15 Abs3 ZDG), Zuweisungsänderungen (§§17, 18 und 19 ZDG) sowie die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst (§§19a und 19b ZDG).

Auch scheint der Bundesminister für Inneres ermächtigt worden zu sein, dem Unternehmen gemäß Abschnitt V des Zivildienstgesetzes (§§22 bis 37e ZDG) Aufgaben zu übertragen; diese umfassen insbesondere die Anordnung der Verpflichtung des Zivildienstleistenden, eine vom Rechtsträger der Einrichtung oder vom Bundesminister für Inneres zugewiesene dienstliche Unterkunft zu beziehen (§23 Abs3 ZDG) sowie die bescheidmäßige Feststellung der nach §31 ZDG gebührenden Geldbeträge für Fahrtkosten (§32 Abs4 ZDG)."

Dem Bundesminister für Inneres obliegen folgende Aufgabenbereiche:

"Rechtsverordnungen und Durchführungserlässe, Feststellung und Aufhebung der Zivildienstpflicht, Befreiung aus öffentlichem Interesse, disziplinäre Verlängerung des ordentlichen Zivildienstes, Koordinierung der behördlichen Überwachung, Auslandsdienst sowie außerordentlicher Zivildienst. Neue dem Bundesminister für Inneres zugewiesene Aufgaben bestehen in der Aufsicht über die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. und in der Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des beauftragten Unternehmens."

Der Gerichtshof hegte daher das Bedenken, dass - angesichts der geringeren Bedeutung der den Staatsorganen zur unmittelbaren Wahrnehmung verbleibenden Kompetenzen im Bereich der Zivildienstverwaltung und des maßgeblichen Verantwortungsbereiches des Unternehmens - die dem Österreichischen Roten Kreuz zur Besorgung übertragenen Aufgaben nicht mehr als bloß vereinzelte Aufgaben im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu werten seien.

2.2. Die Bundesregierung ist hingegen der Auffassung, dass die Übertragung von bestimmten Aufgaben der Zivildienstverwaltung an ein gemäß §54a ZDG ausgewähltes Unternehmen die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Ausgliederung von Hoheitsaufgaben nicht überschreitet. Gegen das vom Verfassungsgerichtshof gehegte Bedenken hinsichtlich der Übertragung von mehr als bloß vereinzelten Aufgaben bringt die Bundesregierung im Wesentlichen Folgendes vor:

"Geht man von einer Idealannahme aus, so hat das beauftragte Unternehmen lediglich einen einzigen Bescheid, nämlich jenen, der über die Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst abspricht, zu erlassen. An dieser Stelle sei auf einen weiteren Unterschied zum militärischen Einberufungsbefehl hingewiesen, nämlich dass gegen den Zuweisungsbescheid die Erhebung einer Berufung mit aufschiebender Wirkung zulässig ist. Diese Zuweisung selbst ist jedoch durch das ZDG weitestgehend determiniert. Determinanten ergeben sich etwa aus §5 Abs2 ZDG, wonach bereits ab dem Zeitpunkt der Abgabe der Zivildiensterklärung eine Wunschzuweisung erwirkt werden kann, und aus dem in §8 Abs3 ZDG verankerten Anrecht der Rechtsträger, von Zivildiensteinrichtungen bestimmte Zivildienstpflichtige zu erhalten. Hinzuweisen ist weiters auf §9 Abs3 ZDG, demzufolge der Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden an der Verpflichtung zu einer bestimmten Dienstleistung und der Zuweisung zu einer bestimmten Einrichtung mitzuwirken haben.

Zu einer den Bestimmungen des ZDG entsprechenden Vornahme der Zuweisung durch ein beauftragtes Unternehmen erscheint es daher erforderlich, dieses auch für die Setzung jener Maßnahmen zu ermächtigen, welche im Zuge der Zuweisung weitere Rahmenbedingungen bilden (wie etwa 'Unterkunft' und 'Fahrtkosten'). Da Vorsorge getroffen werden soll, dass ein betrautes Unternehmen die ihm zukommenden Aufgaben in ihrem Gesamtumfang bestmöglich besorgen können soll, scheint es vor diesem Hintergrund auch nicht unsachlich, sondern geradezu geboten, das Unternehmen auch mit der Besorgung dieser Aufgaben zu betrauen.

(...)

Festzuhalten ist daher, dass nur vereinzelte Aufgaben nach dem Zivildienstgesetz übertragen wurden: Festlegung von Zeitpunkt und Ort des Dienstantritts, Aufschub des ordentlichen Zivildienstes, Feststellung von einrechenbaren Zeiten, Zuweisungsänderungen, die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst, Beziehen einer dienstlichen Unterkunft, sowie die bescheidmäßige Feststellung der Geldbeträge für Fahrtkosten. Es handelt sich bei diesen Angelegenheiten evidentermaßen um solche, die das Verhältnis des Zivildienstleistenden zum Rechtsträger im Rahmen des täglichen Dienstes des Zivildienstleistenden in 'seiner' Einrichtung betreffen, wobei festzuhalten ist, dass hierbei das ZDG die entsprechende Ausgestaltung den Rechtsträgern bzw. Einrichtungen überlässt und Rechte und Pflichten regelt. So hat sich nach §23 ZDG die Dienstzeit nach den Erfordernissen der jeweiligen Verwendung zu richten, Freizeit ist zu gewährleisten etc. Der zentrale Gesichtspunkt ist dabei, dass die an Private übertragenen Befugnisse in einem besonders engen Zusammenhang mit der Tätigkeit von Zivildienstleistenden bei privaten Rechtsträgern stehen. Es ist aber nicht einzusehen, warum es zwar zulässig sein soll, dass Zivildienstleistende zwar eine Tätigkeit für private Rechtsträger ausüben dürfen, dass aber die den Ablauf dieser Tätigkeit in manipulativer Hinsicht bedingenden Befugnisse beim Staat zu verbleiben haben. Im Grunde ist die Abgabe staatlicher Ingerenz auch im Fall des Zivildienstes nicht intensiver als etwa bei der Übertragung von Zulassungen an Versicherer nach §40b

KFG.

An dieser Stelle ist aus der Sicht der Bundesregierung auch zu erwähnen, dass die Schaffung einer Ermächtigung zur Beauftragung auch aus Sparsamkeits-, Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen geboten schien, da andernfalls Zuweisungsrückstände von Zivildienern aufgetreten wären. Die Beauftragung der Zivildienstverwaltungs GmbH besteht im Kern aus eben diesen Zuweisungsaufgaben und den damit verbundenen Rahmenregelungen. Es handelt sich daher um vereinzelte Unterstützungsleistungen für den staatlichen Rechtsträger, die zudem von diesem ausreichend geleitet und kontrolliert werden."

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 11. März 2004 überdies das Bedenken geäußert, dass "... - selbst bei Beachtung der Regelung, dass das Unternehmen der Aufsicht des Bundesministers für Inneres unterliegt, dieser dem Unternehmen, wenn es hoheitliche oder sonst im öffentlichen Interesse gelegene Aufgaben zu erfüllen hat, gemäß §54a Abs6 ZDG allgemeine Weisungen oder Weisungen im Einzelfall erteilen kann und gemäß §54a Abs7 leg. cit. über Berufungen gegen Bescheide des Unternehmens entscheidet - ... diese Ermächtigung dazu führt, dass die Leitungs- und Organisationsverantwortung des zuständigen Bundesministers als oberstes Organ nicht ausreichend gesichert scheint".

3.2. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Unterstellung unter ein oberstes Organ, das gemäß Art76 Abs1 B-VG und Art142 B-VG verantwortlich ist, auch in der Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen über die Tätigkeit der Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. (die in größerer Zahl auch bereits gestellt worden seien) seinen Ausdruck finde.

Für die Frage, wo die Grenze zulässiger Ausgliederung von Aufgaben zu ziehen sei, sei auch die Form der Ausgliederung von Bedeutung. Im Fall einer Beleihung sei das umfassende Aufsichts- und Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers und der Umstand, dass der Bundesminister im Instanzenzug übergeordnet und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sei, ausschlaggebend. Die Ausgliederung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art20 B-VG, weil dem Bundesminister für Inneres durch §54a Abs5 und 6 ZDG genau jene Leitungsbefugnisse gesichert würden.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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