TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/16 B685/02

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Veröffentlicht am 16.10.2004
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Stadtgemeinden Linz, Wels und Steyr haben die Erbringung von "Pensionskassenleistungen in Form eines Pensionskassensystems als Zusatzversorgung" für ihre Bediensteten im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Am 10. August 2001 wurde seitens der Vergabekommission beschlossen und dies den übrigen Bietern mitgeteilt, dass das Anbot einer näher bezeichneten Gesellschaft das wirtschaftlich günstigste und diesem sohin der Zuschlag zu erteilen sei. Übergangene Bieter beantragten daraufhin bei der Oberösterreichischen Landesregierung (OöLReg) als (erstinstanzlicher) Nachprüfungsbehörde gemäß §58 Abs2 Oberösterreichisches Vergabegesetz (OöVergG), LGBl. 59/1994 idF 45/2000, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

Zunächst wurde am 17. sowie am 18. September 2001 den unter einem mit diesen Nachprüfungsanträgen gestellten Anträgen auf Erlassung einstweiliger Verfügungen stattgegeben und u.a. die Erteilung des Zuschlages im Vergabeverfahren bis zur Entscheidung der OöLReg im Nachprüfungsverfahren ausgesetzt. Schließlich wurden mit Bescheiden der OöLReg vom 7. Dezember 2001, vom 19. Dezember 2001, vom 8. Jänner 2002 sowie vom 21. Jänner 2002 die bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidungen für nichtig erklärt und angeordnet, dass die Ausschreibung zu widerrufen und neu durchzuführen sei.

Gegen diese Bescheide erhoben die auftraggebenden Stadtgemeinden Berufung gemäß §58 Abs2 OöVergG an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS), der dieser mit Bescheid vom 19. Februar 2002 - mit der Konsequenz der Aufhebung der Bescheide - stattgab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde einer mitbietenden Gesellschaft, in der diese ihre Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz rügt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und - wie auch die mitbeteiligte Partei Stadt Linz in ihrer Äußerung - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch eine weitere mitbietende Gesellschaft hat eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt.

Auf die Gegenschrift der belangten Behörde hat die beschwerdeführende Gesellschaft repliziert, worauf diese eine zusätzliche Stellungnahme abgegeben hat. Auch die dem Verfahren beigezogene mitbietende Gesellschaft hat ihrerseits auf die Replik der beschwerdeführenden Gesellschaft repliziert.

4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Februar 2004 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Z2 des §2 Abs1 des OöVergG, LGBl. 59/1994 idF LGBl. 45/2000, ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G35/04, sprach er aus, dass jene Bestimmung bis zum Ablauf des 31. August 2002 verfassungswidrig war.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet:

Die Zuständigkeit des UVS, im Berufungsweg über den Nachprüfungsantrag zu entscheiden, gründet sich auf §2 Abs1 Z2 iVm §58 Abs2 OöVergG, der die Oberösterreichische Landesregierung und in der Folge den UVS zur Kontrolle der diesem Gesetz unterliegenden Auftragsvergaben berufen hat.

Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein für verfassungswidrig erkanntes Gesetz im Anlassfall nicht mehr anzuwenden.

Da im Beschwerdefall der UVS mit dem angefochtenen Bescheid vor dem 1. September 2002 (aber auch vor der Kundmachung des BG BGBl. I 99/2002) tätig wurde und den angefochtenen Bescheid u.a. auf die als verfassungswidrig qualifizierte Gesetzesstelle gestützt hat, hat er eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm im Bescheiderlassungszeitpunkt nicht zukam. Da das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt wird, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt, verletzt der angefochtene Bescheid die beschwerdeführende Gesellschaft in diesem Recht (VfGH 1.12.1999, B2418/97 ua., 11.10.2001, B2214/98; vgl. auch VwGH 26.2.2003, 2003/04/0012).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- und Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B685.2002

Dokumentnummer

JFT_09958984_02B00685_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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