RS Vfgh 1994/3/5 G67/93, G81/93, G82/93, G89/93, G90/93, G110/93, G131/93, G138/93, G244/93

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Veröffentlicht am 05.03.1994
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
UWG §9b

Leitsatz

Aufhebung der Bestimmungen des UWG über unzulässige Mengenbeschränkungen wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Unverhältnismäßigkeit des umfassenden Verbotes der Werbung mit beschränkten Abgabemengen infolge Einbeziehung der Wiederverkäufer in das Verbot; Unverhältnismäßigkeit des Verbotes der mengenmäßig beschränkten Abgabe von besonders günstig angebotenen Waren mangels Differenzierung zwischen echten Sonderangeboten und Lockvogelangeboten bzw großen und kleineren Unternehmungen

Rechtssatz

§9b des UWG, BGBl. 448/1984, idF des ArtI Z1 des Wettbewerbs-DeregulierungsG, BGBl. 147/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Vorweg ist festzuhalten, daß der Gesetzeswortlaut des §9b Z1 UWG offenbar an besonders gravierenden sprachlichen Mängeln leidet, der Sinngehalt der Regelung aber noch hinreichend erkennbar ist. Die genannte Regelung stellt darauf ab, ob jemand im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß die Abgabe von Waren je Käufer mengenmäßig beschränkt ist/wird.

Das durch Z1 des §9b UWG normierte unbedingte und umfassende Verbot der Werbung mit beschränkten Abgabemengen ist überschießend und bewirkt daher einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit.

Es verbietet diese Bestimmung den ankündigenden Unternehmern auch solche Mitteilungen und Bekanntmachungen, die für eine korrekte und wahrheitsgemäße Information der Kunden allenfalls erforderlich sind. Nun ist es Sache der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, dennoch den Interessen des Konsumentenschutzes größeres Gewicht zuzumessen und im Hinblick darauf die Grundrechtspositionen der ankündigenden Unternehmen durch ein solches unbedingtes Werbeverbot mit mengenmäßigen Abgabebeschränkungen einzuschränken. Nicht aber sind - angesichts der in der Rechtsordnung erkennbaren Wertung, besondere Konsumentenschutzmaßnahmen vornehmlich Letztverbrauchern zugute kommen zu lassen - Unternehmer, die als Wiederverkäufer ihrerseits Waren an Letztverbraucher anbieten, in einem Ausmaß schutzwürdig, das einen solchen Grundrechtseingriff rechtfertigen würde.

Die Einbeziehung der Wiederverkäufer in das in Rede stehende umfassende Werbeverbot läßt dieses daher als überschießend erscheinen.

Das ausnahmslose Verbot des §9b Z2 UWG, in bestimmter Weise beworbene Waren mengenmäßig beschränkt an Käufer abzugeben, ist unverhältnismäßig. Diese Unverhältnismäßigkeit ist darin zu erblicken, daß dieses Verbot weder zwischen echten Sonderangeboten und Lockvogelangeboten noch zwischen großen und kleineren bzw mittleren Unternehmungen differenziert.

Gewiß behindert die nun angefochtene Regelung den Unternehmer nicht, folglich auch nicht in verfassungswidriger Weise, in seiner Preiskalkulation. Sie hindert aber, wie in den Anträgen überzeugend dargetan wird, im Effekt mittlere und kleine Unternehmungen daran, auch echte Sonderangebote entsprechend zu bewerben.

Das Risiko des Verkäufers, sich mit einem Leerkaufangebot konfrontiert zu sehen, ist praktisch nicht nur dann zu erwarten, wenn der Einstandspreis unterschritten wird, sondern auch bei echten Sonderangeboten, die auf Grund spezifischen unternehmerischen Einsatzes für den Konsumenten günstig kalkuliert werden können. Gleicherweise erweist sich das Antragsvorbringen als zutreffend, daß der große Handelsbetrieb die Sonderangebote des Kleinhändlers leerkaufen kann, während der umgekehrte Fall vernachlässigbar ist.

(Einstellung des Verfahrens G19/94, B v 12.03.94:

Eine Einbeziehung des vorliegenden Antrages des OGH auf Aufhebung des §9b UWG in das zu G67/93 ua. protokollierte Gesetzesprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch im E v 05.03.94, G67/93 ua., von der ihm gemäß Art140 Abs7, zweiter Satz, B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und die Anlaßfallwirkung auch für die dem vorliegenden Antrag zugrundeliegenden Rechtssachen herbeigeführt.).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wettbewerb unlauterer, Auslegung, Konsumentenschutz, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Anlaßfall, Werbung, VfGH / Verfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, Lockangebote, Sonderangebote, Beschränkung Abgabemenge, Verständlichkeit einer Norm

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G67.1993

Dokumentnummer

JFR_10059695_93G00067_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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