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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit der Unzulässigkeit der polizeilichen Anmeldung auf postalischem Weg nach dem MeldeG 1991 und dem MeldeG 1972 wegen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz; keine sachliche Rechtfertigung für die Verpflichtung zur persönlichen Anmeldung des Meldepflichtigen bzw für eine Differenzierung zwischen einer Anmeldung durch Boten und einer postalischen AnmeldungRechtssatz
Der erste Satz des §3 Abs2 MeldeG 1991, BGBl 9/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Der erste Satz des §3 Abs2 MeldeG 1972, BGBl 30/1973, idF der MeldeG-Nov 1985, BGBl 427, war verfassungswidrig.
Der Wortlaut der Bestimmungen legt es nahe, und ihre Zielrichtung, der Behörde die Identifikation der Meldepflichtigen zu erleichtern, erfordert es geradezu, den Bestimmungen den Inhalt zuzumessen, daß sie ein persönliches Erscheinen des Meldepflichtigen bei der Meldebehörde verlangen.
Die Behörden akzeptieren jedoch auch die Anmeldung durch Bevollmächtigte oder Boten, nicht aber eine solche auf postalischem Weg.
Nun ist es aber nicht Sache der Verwaltungsorgane, derartige Möglichkeiten "einzuräumen", sondern Sache des Gesetzgebers, die Modalität der Anmeldung zu regeln. Dieser hat aber durch die Vorschreibung einer persönlichen Anmeldung durch den Meldepflichtigen eine - wie die Bundesregierung selbst einräumt - überschießende Vorschrift aufgestellt, die der sachlichen Rechtfertigung entbehrt.
Wollte man aber der wiedergegebenen Auffassung der Verwaltung folgen, so wäre dennoch für die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmungen nichts gewonnen, denn auch die Rechtfertigung der ihr zugrundeliegenden Differenzierung zwischen einer Anmeldung durch Boten einerseits und einer postalischen Anmeldung andererseits gelingt der Bundesregierung nicht.
Soweit Meldepflichtige von der Möglichkeit der postalischen Anmeldung Gebrauch machen sollten, werden wohl triftige Gründe (zu denen etwa auch die Vermeidung längerer Wartezeiten oder etwa für berufstätige Personen oder behinderte Menschen mit einer persönlichen Anmeldung verbundene besondere Belastungen zählen) dafür sprechen. Solchen Meldepflichtigen die Möglichkeit einer bestimmten für sie entlastenden Form der postalischen Anmeldung zu nehmen, um dafür eine geringfügige, keineswegs besondere Mehrbelastung der staatlichen Verwaltung zu vermeiden, ist sachlich nicht gerechtfertigt, zumal sich die Situation von der auf anderen Gebieten der öffentlichen Verwaltung in der hier maßgeblichen Beziehung nicht signifikant unterscheidet.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Meldewesen, VerwaltungsökonomieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G236.1993Dokumentnummer
JFR_10059383_93G00236_01