RS Vfgh 1994/6/30 G123/93, G124/93

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Veröffentlicht am 30.06.1994
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Index

23 Insolvenzrecht, Exekutionsrecht
23/01 Konkursordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
IESG
AO §20b, §20c, §20d
AO §23 Abs1 Z3 lita
KO §25
KO §46
KO §124 Abs3

Leitsatz

Zulässigkeit von Individualanträgen auf Aufhebung von Teilen einer Bestimmung der KO betreffs die Einstufung bestimmter Arbeitnehmerforderungen; keine Gleichheitsbedenken gegen die Herabstufung der Entgeltansprüche von mit Genehmigung des Ausgleichsgerichts gekündigten Arbeitnehmern zu Konkursforderungen im Anschlußkonkurs aufgrund der Ausdehnung der Entgeltsicherung auf die laufenden Ansprüche der gekündigten Arbeitnehmer; keine Unsachlichkeit der fraglichen Regelung im Hinblick auf die kleine Gruppe der von der Entgeltsicherung ausgeschlossenen Personen

Rechtssatz

Der Antrag auf Aufhebung des §46 Abs2 Z2 lita KO ist in bezug auf die Wortfolge "nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens wegen dieser (nach §20b oder §20c AO) durch den Schuldner oder den für ihn handelnden Ausgleichsverwalter" zulässig. Es ist den mit Ermächtigung des Ausgleichsgerichtes gekündigten antragstellenden Arbeitnehmern nicht zuzumuten, den Masseverwalter zu klagen.

Da die Gefahr der Erschöpfung der Masse jedenfalls bei der hier in Rede stehenden Höhe der in ihrer Zuordnung strittigen Arbeitnehmerforderungen auf der Hand liegt und es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes sein kann, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Vermögenslage des Gemeinschuldners zu untersuchen, ist die besondere Dringlichkeit der Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in solchen Fällen anzunehmen.

Nach dem Antragsvorbringen sind die Beschäftigungsverhältnisse der Antragsteller allerdings gerade nicht schon vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gelöst worden. Der zweite Fall des §46 Abs2 Z2 lita KO ist daher nicht gegeben. Eine Beseitigung der den ersten Fall erfassenden Wortfolge ließe einen zwar sprachlich unvollkommenen ("weder ... noch bereits vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gelöst worden war"), aber gerade noch verständlichen Text zurück. Die Zulässigkeit des Antrages beschränkt sich daher auf die zwischen den Worten "weder" und "noch" beschriebene erste Alternative.

Den zu G69/93 erhobenen Antrag auf Aufhebung ausgleichsrechtlicher Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig zurückgewiesen. Aus den Gründen dieses Beschlusses ergibt sich, daß eine Änderung der Lage in bezug auf die bereits bekämpften Bestimmungen der AO nicht eingetreten sein kann. An die Stelle der in §23 Abs1 Z3 lita AO angeordneten Rechtsfolge ist nunmehr die in §46 Abs2 Z2 lita KO beschriebene getreten, welche Regelung ohnehin zur Prüfung steht. In bezug auf die neuerlich bekämpften Bestimmungen des §20b, §20c und §20d AO ist der (neuerliche) Antrag daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 litd VfGG).

An das System der Einstufung von Entgeltansprüchen als Masseforderungen ist der Gesetzgeber wohl nicht gebunden. Er kann aus sachlichen Erwägungen allgemein oder für bestimmte Forderungen auch abweichende Lösungen treffen. Insbesondere im Hinblick auf Arbeitnehmerforderungen hat er die Grenze in der Folge oft auch anders gezogen. Die gewählte Lösung muß aber sachlich sein.

Diese Herabstufung nach Konkurs(Ausgleichs)eröffnung entstehender Forderungen, insbesondere auch auf laufendes Entgelt, zu Konkursforderungen ist im Hinblick auf deren Absicherung durch das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) erfolgt.

Durch die Neufassung des §3 Abs3 IESG ist die Entgeltsicherung auf die laufenden Ansprüche der gekündigten Arbeitnehmer ausgedehnt worden. Dem Arbeitnehmer kommt - anders als im Ausgleichsverfahren - selbst das Austrittsrecht nach §25 KO zugute, das er auch noch nach Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter in Anspruch nehmen kann. Insofern ist es unrichtig, wenn die Antragsteller behaupten, sie müßten gegen ein Entgelt in der Höhe der Konkursquote Arbeit leisten.

Was die Entgeltsicherung selbst betrifft, ist die Begrenzung gesicherter Ansprüche der Höhe nach unbedenklich. Wenn nur der Gesetzgeber weitergehenden Ansprüchen nicht nur diese Sicherung, sondern auch die Qualifikation als Masseforderungen versagt, kann dies als Ausgleich für den Vorteil der im übrigen bestehenden Entgeltsicherung verstanden werden. Die Abweichung von der sonstigen Grenzziehung zwischen Masse- und Konkursforderungen läßt sich damit rechtfertigen; ein angemessenes Entgelt, jedenfalls der kollektivvertragliche Lohn, ist damit ohne Rücksicht auf die Konkursmasse gesichert.

Die durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses sonst ausgelösten Nachteile entsprechen dem allgemeinen Konzept des Konkursrechtes.

Eine gewisse Härte bedeutet §46 Abs2 Z2 lita KO für die - allerdings kleine - Gruppe der von der Entgeltsicherung ausgeschlossenen Personen. Wie der Gerichtshof in VfSlg. 9935/1984 näher dargelegt hat, ist gerade ihre Lage in bezug auf die Insolvenz in wesentlichen Punkten eine andere als die der übrigen Arbeitnehmer. Dazu kommt, daß sich die Entlastung der Konkursmasse von Arbeitnehmerforderungen, wie sie durch die in Prüfung stehende Regelung bewirkt wird, dann gerade zugunsten der Organmitglieder und Gesellschafter für deren typischerweise das kollektivvertragliche Gehalt und die zweifache Höchstbeitragsgrundlage weit übersteigende Entgeltforderungen auswirken würde, was aber nicht der Sinn der Entlastung der Masse ist. Schließlich trifft diese Personengruppe auch eine Kürzung der Ansprüche für einige Monate im Regelfall weniger hart als gewöhnliche Arbeitnehmer.

Entscheidungstexte

  • G 123,124/93
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.06.1994 G 123,124/93

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Insolvenzrecht, Rechtskraft, res iudicata, Arbeitsrecht, Kündigungs- und Entlassungsschutz, Entgeltfortzahlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G123.1993

Dokumentnummer

JFR_10059370_93G00123_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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