TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/30 B804/04

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

StGG Art5
AVG §62 Abs4, §79a
VfGG §88

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Berichtigung eines Kostenausspruches durch den UVS; Änderung des Spruchinhaltes durch Auferlegung zusätzlicher Kosten im AVG nicht gedeckt

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.127 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im Folgenden: UVS) vom 14. Februar 2003, dem Beschwerdeführer zugestellt am 5. April 2004, wurde die von ihm erhobene Maßnahmenbeschwerde - die sich einerseits gegen seine Wegweisung von einer Kranzniederlegung am Heldenplatz und andererseits gegen seine Identitätsfeststellung und Durchsuchung anlässlich einer Kundgebung am Morzinplatz bezog - als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Gemäß §67c Abs3 AVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund gemäß §79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, die mit 654 Euro bestimmten Kosten (41 Euro Vorlageaufwand, 203 Euro Schriftsatzaufwand und 254 Euro Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

(Die genannte Summe von "654 Euro" dürfte auf einem Rechenfehler beruhen, richtigerweise handelt es sich um € 498.)

1.2. Mit Bescheid vom 9. April 2004 wurde dieser Bescheid dahingehend berichtigt, "als der Kostenausspruch des gegenständlichen Bescheides zu lauten hat wie folgt:"

"Der Beschwerdeführer hat dem Bund gemäß §79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, hinsichtlich der Amtshandlung am Heldenplatz die mit 498 Euro bestimmten Kosten (41 Euro Vorlageaufwand, 203 Euro Schriftsatzaufwand und 254 Euro Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Weiters hat der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Wien als obsiegende Partei gemäß §79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, hinsichtlich der Amtshandlung am Morzinplatz die mit 498 Euro bestimmten Kosten (41 Euro Vorlageaufwand, 203 Euro Schriftsatzaufwand und 254 Euro Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

2. Gegen diesen Berichtigungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Der UVS hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

Der UVS hat seine Entscheidung auf §62 Abs4 AVG gestützt, wonach die Behörde "Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen […] beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden […] jederzeit von Amts wegen berichtigen [kann]".

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 5379/1966 - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ausgesprochen hat, darf durch die Berichtigung der materielle Inhalt des berichtigten Bescheides nicht geändert werden.

Dass im vorliegenden Fall eine Änderung des Spruchinhalts erfolgte, ist offenkundig: Mit dem berichtigten Bescheid wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, dem Bund die mit € 654 (richtig wohl: € 498) bestimmten Kosten zu ersetzen; mit dem Berichtigungsbescheid wurde der Beschwerdeführer zusätzlich ("Weiters …") verpflichtet, der Bundespolizeidirektion Wien Kosten in Höhe von € 498 zu ersetzen.

Ein solches Vorgehen ist durch §62 Abs4 AVG nicht gedeckt, weshalb dem UVS ein mit Gesetzlosigkeit auf die Stufe zu stellender Fehler vorzuwerfen ist.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den - im verzeichneten Ausmaß - zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327 enthalten. Da es sich der Sache nach um eine Angelegenheit der Bundesvollziehung (Sicherheitspolizeirecht) handelte, war der Bund (Bundesminister für Inneres) zum Kostenersatz zu verpflichten (vgl. auch VfSlg. 16.739/2002).

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidberichtigung, Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, Kostenersatz, VfGH / Kosten, Bundesverwaltung unmittelbare, Sicherheitspolizei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B804.2004

Dokumentnummer

JFT_09958870_04B00804_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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