TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/30 B1448/02

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §68 Abs2
DVG §2, §13
Wr BesoldungsO 1994 §41
Wr DienstO 1994 §74a

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch amtswegige Abänderung eines Bescheides betreffend eine Abfertigung für eine Gemeindebedienstete in Wien; keine Zuständigkeit des Dienstrechtssenates als oberste Dienstbehörde iSd Dienstrechtsverfahrensgesetzes

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den - allein - bekämpften Spruchpunkt II. des Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Spruchpunkt II. des Bescheides wird aufgehoben.

Die Gemeinde Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin stand als Sachbearbeiterin des Bücherdienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien.

2.1. Nach Konsumierung eines Eltern-Karenzurlaubes und eines daran anschließenden einjährigen Karenzurlaubes gemäß §44 Dienstordnung 1966 [nunmehr: §56 Dienstordnung 1994 (DO 1994)] erklärte die Beschwerdeführerin ihren Dienstaustritt mit Wirkung vom 15. Dezember 1995. Mit Bescheid vom 2. Februar 1996 stellte der Magistrat der Stadt Wien daraufhin fest, dass das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin mit 15. Dezember 1995 aufgelöst sei und ihr gemäß §41 Besoldungsordnung 1994 (BO 1994) eine Abfertigung im Ausmaß des Dreifachen eines Monatsbezuges gebühre.

2.2. Diesen Bescheid änderte der Magistrat in der Folge mit - auf §13 Abs1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG) gestütztem - Bescheid vom 18. März 1996 dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin keine Abfertigung gemäß §41 BO 1994 gebühre. Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Berufungssenat der Stadt Wien mit Bescheid vom 3. September 1996 keine Folge.

2.3. Mit Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 96/12/0312, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen, von der Beschwerdeführerin mit Beschwerde gemäß Art131 B-VG angefochtenen Berufungsbescheid des Berufungssenates wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu im Wesentlichen aus, dass bei der Auslegung des Begriffes "oberste Dienstbehörde" im Sinne des §13 Abs2 DVG auf §2 Abs2 leg. cit. Rücksicht zu nehmen sei. Nach der zuletzt genannten Bestimmung sei dafür aber die Stellung als oberstes Verwaltungsorgan maßgebend. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsrechts, insbesondere des B-VG, sei die Stellung eines obersten Verwaltungsorgans dadurch gekennzeichnet, dass es keinem anderen Organ gegenüber weisungsgebunden ist, ein Instanzenzug gegen seine Entscheidungen ausgeschlossen ist und ihm gegenüber auch eine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nicht in Betracht kommt. Für den Gemeindebereich erfülle - jedenfalls grundsätzlich, soweit nicht verfassungsrechtliche Sonderbestimmungen anderes vorsehen - nur der Gemeinderat diese Voraussetzungen. Dagegen komme dem Magistrat schon deshalb nicht die Stellung als oberste Dienstbehörde zu, weil er eine weisungsgebundene Behörde ist, deren Entscheidungen (Bescheide) im Instanzenzug bekämpft werden können. (Der Berufungssenat, dessen Mitglieder in Ausübung ihres Amtes durch die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des §48b Abs6 WStV, der erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die Novelle LGBl. 1997/37, eingefügt wurde, weisungsfrei gestellt wurden, sei auch deshalb keine oberste Dienstbehörde, weil sich nicht einmal aus einer derartigen besonderen verfassungsrechtlich abgesicherten Stellung ergibt, dass die Bescheide dieser Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen). Da der Magistrat demnach zur Erlassung des Bescheides vom 18. März 1996 gemäß §13 Abs2 DVG nicht zuständig gewesen sei, wäre dessen Bescheid vom Berufungssenat ersatzlos zu beheben gewesen. Da dies verkannt worden sei, sei der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen.

3.1. In der Folge erließ der Dienstrechtssenat der Stadt Wien - im zweiten Rechtsgang - einen mit 7. August 2002 datierten Bescheid. Mit dessen - als "Berufungsbescheid" bezeichneten - Spruchpunkt I. hob der Dienstrechtssenat den Bescheid des Magistrats vom 18. März 1996 auf; der hier angefochtene - als "Bescheid" bezeichnete - Spruchpunkt II. dieser Entscheidung des Dienstrechtssenates lautet wie folgt:

"Gemäß §13 Abs1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29 idF BGBl. I Nr. 94/2000, wird der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, vom 2. Februar 1996 ... dahingehend abgeändert, dass Ihnen eine Abfertigung gemäß §41 der Besoldungsordnung 1994 (BO 1994) nicht gebührt."

3.2. Seine Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bescheides begründet der Dienstrechtssenat folgendermaßen:

"Gemäß §13 Abs1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29 idF BGBl. I Nr. 94/2000, ist in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wusste oder wissen musste, dass der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt. Zur Aufhebung und Abänderung gemäß Abs1 und gemäß §68 Abs2 AVG sowie zur Nichtigerklärung gemäß §68 Abs4 AVG ist die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts zuständig, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht, 1. im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Sinne des §68 AVG oder 2. im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand oder Dienstverhältnis angehört hat.

Nach der Formulierung des §13 Abs2 DVG 1984 ist zunächst die 'oberste Dienstbehörde', der der Bedienstete angehört oder angehört hat, berufen, in die Rechtskraft einzugreifen. Es ist daher zu prüfen, ob der Dienstrechtssenat die 'oberste Dienstbehörde' im Sinne dieser Bestimmung ist.

Gemäß §74b Abs1 der Dienstordnung 1994 - DO 1994, LGBl. für Wien Nr. 56 idF LGBl. für Wien Nr. 122/2001, besteht der Dienstrechtssenat aus dem Vorsitzenden, einem rechtskundigen Beisitzer und sieben weiteren Beisitzern. Die Mitglieder werden vom Stadtsenat für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Stellvertreter zu bestellen, der bei Verhinderung des Mitglieds an dessen Stelle tritt.

Der Dienstrechtssenat verhandelt und entscheidet in einem Dreiersenat, der aus dem Vorsitzenden, dem rechtskundigen Beisitzer und einem der weiteren Beisitzer besteht (§74b Abs5 DO 1994).

Der Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen Richter des Aktivstandes sein (§74b Abs2 DO 1994).

Die Mitglieder des Dienstrechtssenates sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden (§74c Abs4 DO 1994).

Die Bescheide des Dienstrechtssenates unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (§74a Abs2 erster Satz DO 1994).

Wie diese Bestimmungen zeigen, wurde der Dienstrechtssenat der Stadt Wien durch Landesgesetz als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinn des Art133 Z4 B-VG und somit zur Entscheidung in oberster Instanz eingerichtet (vgl. auch Erkenntnis des VfGH vom 12. Juni 2001, Zl. B917/00). Das Merkmal der Entscheidung in oberster Instanz bedeutet, dass Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag auf derselben Stufe wie die obersten Organe stehen und Behörden der obersten Organisationsstufe sind.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11. März 1959, Zl. B179/58) und der herrschenden Lehre (vgl. Grabenwarter in Korinek-Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Anm. 51 zu Art133 B-VG) schließt das Merkmal 'oberste' die Existenz einer sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aus. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1997, VfSlg. 15.058, zu verweisen, worin dieser ausgesprochen hat, dass eine ausdrückliche Anordnung, dass gegen Entscheidungen einer Art133 Z4 B-VG - Behörde Rechtsmittel nicht zulässig sind, in einem weiten Sinn zu verstehen ist und es auch auszuschließen ist, etwa den Bundesminister als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinn des §68 AVG anzusehen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Dienstrechtssenat der Stadt Wien die 'oberste Dienstbehörde' im Sinn des §13 Abs2 DVG 1984 ist.

Es obliegt somit dem Dienstrechtssenat zu prüfen, ob die in §13 Abs1 DVG 1984 geforderten Voraussetzungen für die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom 2. Februar 1996 vorliegen."

4.1. Gegen diesen Spruchpunkt II. des Bescheides des Dienstrechtssenates vom 7. August 2002 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Spruchpunktes II. begehrt wird.

4.2. Zur Begründung bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Dienstrechtssenat, der zu Folge §74a Dienstordnung 1994 (DO 1994) weitgehend nur die Kompetenzen einer Rechtsmittelbehörde habe, sei keine "oberste Dienstbehörde" im Sinne des §13 Abs2 DVG, weshalb er zur Abänderung des Bescheides des Magistrats nicht zuständig gewesen sei. Vielmehr sei - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis dargetan habe - der Gemeinderat als oberste Dienstbehörde anzusehen. Im Übrigen liege auch die weitere Voraussetzung des §13 Abs1 leg. cit. für eine Abänderung des Bescheides nicht vor, nämlich der Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften.

5.1. Der Dienstrechtssenat legte als belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, worin er die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5.2. In seiner Gegenschrift führt der Dienstrechtssenat ua. das Folgende aus:

"[Der] Rechtsansicht [der Beschwerdeführerin] schließt sich der Dienstrechtssenat aus nachstehenden Gründen nicht an:

...

Die vom Verwaltungsgerichtshof [im oben unter Pkt. I.2.3. erwähnten] Erkenntnis genannten drei Voraussetzungen für das Vorliegen einer obersten Behörde im Sinn des §13 Abs2 DVG 1984, nämlich Weisungsfreiheit, Ausschluss eines weiteren Instanzenzuges und Unabänderlichkeit der Bescheide im Verwaltungsweg, werden vom Dienstrechtssenat der Stadt Wien, wie die folgenden Ausführungen zeigen, erfüllt: Der Dienstrechtssenat der Stadt Wien wurde durch Landesgesetz (LGBl. für Wien Nr. 34/1999) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinn des Art133 Z4 B-VG und somit zur Entscheidung in oberster Instanz eingerichtet (vgl. auch Erkenntnis des VfGH vom 12. Juni 2001, Zl. B917/00). Das Merkmal der Entscheidung in oberster Instanz bedeutet, dass Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag auf der selben Stufe wie die obersten Organe stehen und Behörden der obersten Organisationsstufe sind. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11. März 1959, Zl. B179/58) und der herrschenden Lehre (vgl. Grabenwarter in Korinek-Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Anm. 51 zu Art133 B-VG) schließt das Merkmal 'oberste' die Existenz einer sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aus.

Dies wird auch durch folgenden Umstand verdeutlicht: Wie sich aus Art20 Abs2 in Verbindung mit Art133 Z4 B-VG ergibt, darf der Landesgesetzgeber vorsehen, dass die Bescheide einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen. Davon hat der Landesgesetzgeber hinsichtlich des Dienstrechtssenates in §74a Abs2 DO 1994 Gebrauch gemacht. Sähe man (der Ansicht der Beschwerdeführerin folgend) den Gemeinderat der Stadt Wien als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde für den Dienstrechtssenat an, könnte dieser die Bescheide des Dienstrechtssenates der Stadt Wien gemäß §68 Abs2 bis 4 AVG ('sachlich in Betracht kommende Oberbehörde') von Amts wegen abändern oder beheben. Damit wäre aber die verfassungsgesetzlich vorgesehene und einfachgesetzlich determinierte Unaufhebbarkeit und Unabänderlichkeit der Bescheide des Dienstrechtssenates im Verwaltungsweg nicht mehr gegeben. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1997, VfSlg. 15.058, zu verweisen, wonach eine Anordnung, dass gegen Entscheidungen einer Art133 Z4 B-VG-Behörde Rechtsmittel nicht zulässig sind, in einem weiten Sinn zu verstehen ist und es auch auszuschließen ist, etwa den Bundesminister als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinn des §68 AVG anzusehen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die hier in erster Linie anzuwendende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. §2 DVG, BGBl. 1984/29, idF BGBl. I 2000/94, sowie §13 leg. cit., idF BGBl. 1994/665, haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Zu den §§2 bis 6 AVG

§2. (1) Die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten richtet sich nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Soweit in diesen Rechtsvorschriften keine Bestimmungen über die Zuständigkeit enthalten sind, gelten die folgenden Absätze.

(2) Die obersten Verwaltungsorgane sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Solche Zuständigkeiten können mit Verordnung ganz oder zum Teil einer unmittelbar nachgeordneten Dienststelle als nachgeordneter Dienstbehörde übertragen werden, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist und die Dienststelle nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der zu übertragenden Aufgaben geeignet ist. Im Fall einer solchen Übertragung ist die nachgeordnete Dienstbehörde in erster Instanz und die oberste Dienstbehörde in zweiter Instanz zuständig.

..."

"Zu §68 AVG

§13. (1) In Dienstrechtsangelegenheiten ist eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.

(2) Zur Aufhebung und Abänderung gemäß Abs1 und gemäß §68 Abs2 AVG sowie zur Nichtigerklärung gemäß §68 Abs4 AVG ist die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts zuständig, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht,

1. im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Sinne des §68 AVG oder

2. im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand oder Dienstverhältnis

angehört hat. Hat eine nachgeordnete Dienstbehörde einen Bescheid erlassen und gehört der betreffende Bedienstete weiterhin dem Personalstand dieser nachgeordneten Dienstbehörde an, kann auch sie diesen Bescheid gemäß §68 Abs2 AVG - ausgenommen in den Fällen des Abs1 - abändern oder aufheben.

..."

1.2. Die den Dienstrechtssenat betreffenden Bestimmungen der §§74a bis 74c DO 1994, LGBl. 1994/56, idF LGBl. 1999/34 (§74b Abs4 idF LGBl. 2002/15), lauten wie folgt:

"Wirkungsbereich

§74a. (1) Dem Dienstrechtssenat obliegt

1. die Erlassung von Bescheiden gemäß §10 Abs3 bis 5 [betreffend die Feststellung des Arbeitserfolges und damit zusammenhängende dienstrechtliche Maßnahmen],

2. die Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide, die vom Magistrat in den zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörenden Angelegenheiten unter Anwendung des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, erlassen worden sind.

(2) Die Bescheide des Dienstrechtssenates unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Hat der Dienstrechtssenat aber eine Kündigung, eine Versetzung in den Ruhestand mit geminderten Ruhebezügen oder die Entlassung verfügt, ist die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig."

"Zusammensetzung

§74b. (1) Der Dienstrechtssenat besteht aus dem Vorsitzenden, einem rechtskundigen Beisitzer und sieben weiteren Beisitzern. Die Mitglieder werden vom Stadtsenat für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Stellvertreter zu bestellen, der bei Verhinderung des Mitglieds an dessen Stelle tritt.

(2) Der Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen Richter des Aktivstandes sein. Für ihre Bestellung kommt dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ein Vorschlagsrecht zu.

(3) Der rechtskundige Beisitzer und sein Stellvertreter müssen Beamte der Gemeinde Wien sein.

(4) Die sieben weiteren Beisitzer und ihre Stellvertreter müssen Beamte der Gemeinde Wien sein. Jeweils einer von ihnen und sein Stellvertreter müssen für Beamte der folgenden

Verwendungsgruppen zuständig sein:

Beisitzer 1: Verwendungsgruppen A, A 1, A 2, A 3, L1

Beisitzer 2: Verwendungsgruppen K1, K2

Beisitzer 3: Verwendungsgruppen B, L 2a, L 2b, LK

Beisitzer 4: Verwendungsgruppen K3 bis K5

Beisitzer 5: Verwendungsgruppen C, L3, 1, 2, 3P

Beisitzer 6: Verwendungsgruppen D, D1, K6, 3A

Beisitzer 7: Verwendungsgruppen E, E1, 3, 4

Für diese Beisitzer und ihre Stellvertreter kommt dem gemäß §11 des Wiener Personalvertretungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 49/1985, gebildeten Zentralausschuß ein Vorschlagsrecht zu. Jeder Beisitzer und sein Stellvertreter soll einer der Verwendungsgruppen angehören, für die er zuständig ist.

(5) Der Dienstrechtssenat verhandelt und entscheidet in einem Dreiersenat, der aus dem

1.

Vorsitzenden,

2.

dem rechtskundigen Beisitzer und

3.

einem der weiteren Beisitzer, der für Beamte jener Verwendungsgruppe zuständig ist, der der betroffene Beamte im Zeitpunkt des Anhängigwerdens des Verfahrens beim Dienstrechtssenat angehört hat,

besteht."

"Mitgliedschaft im Dienstrechtssenat

§74c. (1) Die Mitgliedschaft im Dienstrechtssenat ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß und während der Zeit einer (vorläufigen) Suspendierung.

(2) Die Mitgliedschaft im Dienstrechtssenat endet

1. mit Ablauf der Funktionsperiode,

2. mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe,

3. mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand,

4. mit dem Wegfall der Voraussetzung gemäß §74b Abs2 bis 4,

5. mit Beginn eines Urlaubes von mindestens einem Jahr,

6. mit der Außerdienststellung,

7. durch Verzicht,

8. durch Enthebung, welche der Stadtsenat zu verfügen hat, wenn das Mitglied

a)

sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann oder

b)

die ihm obliegenden Amtspflichten grob verletzt oder dauernd vernachlässigt hat.

(3) Endet die Mitgliedschaft vor Ablauf der Funktionsperiode, so ist ein neues Mitglied für den Rest der Funktionsperiode zu bestellen.

(4) Die Mitglieder des Dienstrechtssenates sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.

(5) Die Mitglieder des Dienstrechtssenates haben Anspruch auf eine dem Zeit- und Arbeitsaufwand entsprechende Vergütung, die durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen ist.

(6) Abs1 bis 5 gelten auch für die Stellvertreter der Mitglieder."

1.3. Der - mit "Abfertigung" übertitelte - §41 BO 1994, LGBl. 1994/55, bestimmt - auszugsweise - Folgendes:

"§41. (1) Dem Beamten, dessen Dienstverhältnis durch Kündigung gemäß §72 der Dienstordnung 1994 aufgelöst wird, gebührt eine Abfertigung, wenn ihn an der Kündigung kein Verschulden trifft. Die Abfertigung beträgt für jedes tatsächlich zurückgelegte Dienstjahr das Einfache des Monatsbezuges, der der besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten beim Enden des Dienstverhältnisses entspricht.

(2) Eine Abfertigung gebührt auch dem Beamten, der gemäß §73 Abs1 der Dienstordnung 1994 austritt, wenn das Dienstverhältnis

1. innerhalb von acht Wochen nach der Annahme eines Kindes an Kindesstatt oder der in der Absicht, es an Kindesstatt anzunehmen, erfolgten Übernahme eines Kindes in unentgeltliche Pflege,

2. innerhalb von zwei Jahren nach Geburt eines Kindes, wenn wegen dieses Kindes vom austretenden Beamten ein Karenzurlaub gemäß §53 oder §54 der Dienstordnung 1994 oder Teilzeitbeschäftigung gemäß §28 der Dienstordnung 1994 in Anspruch genommen wurde, oder

3. während einer Teilzeitbeschäftigung gemäß §28 der Dienstordnung 1994 endet, das Kind bei Enden des Dienstverhältnisses lebt und in jedem Fall noch nicht älter als vier Jahre ist. Gleiches gilt für die Beamtin, die austritt, wenn das Dienstverhältnis während der Schutzfrist gemäß §5 Abs1 des Mutterschutzgesetzes 1979 oder §66 der Dienstordnung 1994 oder während einer an diese Schutzfrist anschließenden Dienstabwesenheit wegen Urlaubes, Krankheit oder Unfalles endet.

(3) Die Abfertigung gemäß Abs2 beträgt nach einer Dienstzeit von 1 Jahr das Einfache, 3 Jahren das Zweifache, 5 Jahren das Dreifache, 10 Jahren das Vierfache, 15 Jahren das Sechsfache, 20 Jahren das Neunfache, 25 Jahren das Zwölffache des Monatsbezuges, der der besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten beim Enden des Dienstverhältnisses entspricht. Der Dienstzeit sind die Zeiten von durch Vertrag begründeten Dienstverhältnissen zur Gemeinde Wien zuzurechnen, wenn das frühere Dienstverhältnis vor oder anlässlich der Unterstellung unter die Dienstordnung 1994 ohne Anspruch auf Abfertigung beendet worden ist.

(4) ..."

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002).

Dies ist hier der Fall:

Gemäß §13 Abs1 DVG ist in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wusste oder wissen musste, dass der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt; zu Folge §13 Abs2 DVG ist dafür die "oberste Dienstbehörde" zuständig. Im Hinblick auf §2 Abs2 DVG ist "oberste Dienstbehörde" - grundsätzlich - das jeweils "oberste Verwaltungsorgan" innerhalb seines Wirkungsbereiches. Wie sich aus §74a Abs1 DO ergibt, umfasst der Wirkungsbereich des Dienstrechtssenates - wenn man die in Z1 leg. cit. geregelten Aufgaben außer Betracht lässt, die hier von vornherein nicht von Relevanz sein können - bloß die

"Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide, die vom Magistrat in den zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörenden Angelegenheiten unter Anwendung des [DVG] erlassen worden sind."

Schon daraus folgt, dass die Entscheidung über die Gebührlichkeit einer Abfertigung gemäß §41 BO als solche, also sofern es sich nicht um die Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen einen diesbezüglichen Bescheid des Magistrates handelt, nicht zum Wirkungsbereich des Dienstrechtssenates iSd. §2 Abs2 erster Satz DVG zählen kann.

Angesichts dessen lässt sich aber - anders als der Dienstrechtssenat in der Begründung des bekämpften Bescheides bzw. in der im verfassungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift meint - auch aus den Erkenntnissen VfSlg. 3506/1959, 15.058/1997 und 16.176/2001 nichts für den Standpunkt gewinnen, der Dienstrechtssenat sei im hier vorliegenden Zusammenhang die "oberste Dienstbehörde" iSd. §13 Abs2 iVm. §2 Abs2 DVG. Dass der Dienstrechtssenat in den ihm landesgesetzlich übertragenen Angelegenheiten - als eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag - in oberster Instanz entscheidet, seine Entscheidungen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und - von den im vorliegenden Zusammenhang von vornherein nicht in Betracht kommenden Fällen des §74a Abs2 DO abgesehen - gegen die Entscheidungen des Dienstrechtssenates auch die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig ist, ändert nämlich nichts an der vorstehenden Qualifikation.

3. Der Dienstrechtssenat hat daher eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen. Der angefochtene Spruchpunkt II. des Bescheides verletzt die Beschwerdeführerin sohin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Spruchpunkt II. des Bescheides war sohin aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist USt. in der Höhe von EUR 327,-- und die entrichtete Eingabengebühr (§17a VfGG) in der Höhe von EUR 180,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Dienstrecht, Abfertigung, Dienstrechtsverfahren, Verwaltungsverfahren, Abänderung und Behebung von amtswegen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1448.2002

Dokumentnummer

JFT_09958870_02B01448_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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