RS Vfgh 1996/6/27 B131/95

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Index

31 Bundeshaushalt
31/02 Verfügungen über Bundesvermögen

Norm

StGG Art5
BAO §212a
BAO §254

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch verfassungswidrige Auslegung der BAO hinsichtlich der Aussetzung der Einhebung einer Abgabe aufgrund Unterlassung von Erwägungen über die möglichen Erfolgsaussichten der verfassungsrechtlich motivierten Beschwerdebehauptungen; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich einer Abschätzung auch solcher Behauptungen im Hinblick auf ihre Erfolgsaussicht geboten

Rechtssatz

Das von der Finanzverwaltung angenommene Verständnis des §212a Abs2 lita BAO (keine Aussetzung der Einhebung bei bloßer Behauptung der Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlagen - siehe auch Erlaß des BMF, AÖF 53/1988) führt in der Tat dazu, daß ein Rechtsschutzsuchender, der die Verfassungsmäßigkeit der ihm auferlegten Abgabenlast bekämpften möchte (und damit einen zentralen, vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.196/1986 ausdrücklich hervorgehobenen Aspekt rechtlicher Bedingtheit in Frage stellt), generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet wird, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Hätte die in Rede stehende Bestimmung tatsächlich diesen Inhalt, verlöre die Rechtsschutzeinrichtung das erforderliche Maß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber und wäre verfassungswidrig.

Die Vorschrift des §212a Abs2 lita BAO läßt sich aber auch in verfassungskonformer Weise derart auslegen, daß die Behauptung der Verfassungswidrigkeit der die Abgabenvorschreibung tragenden Bestimmung von der Behörde - ungeachtet der Bindung von Verwaltungsbehörden an ordnungsgemäß kundgemachte Gesetze - kraft der ausdrücklichen Anordnung in §212a Abs2 lita BAO in diesem Begleitverfahren ebenso wie jede andere Berufungsbehauptung im Hinblick auf ihre Erfolgsaussicht abzuschätzen ist (vgl. zur Abschätzungsnotwendigkeit im allgemeinen Stoll, aaO, S. 2273; zur Zulässigkeit bloß verfassungsrechtlicher Argumentation in Berufungsverfahren VfGH 12.06.95, B1741/94, mwH). Diese Auffassung wurde auch im Gefolge der Erlassung der in Rede stehenden Vorschrift in der Literatur vertreten (vgl. - insofern übereinstimmend - Wieser, FJ 1/1988, S. 1, und Zorn, FJ 2/1988, S. 24 f.).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Rechtsschutz, Wirkung aufschiebende, Finanzverfahren, Aussetzung der Einhebung (Finanzverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B131.1995

Dokumentnummer

JFR_10039373_95B00131_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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