RS Vfgh 1996/12/4 G51/96, G52/96, G53/96, G54/96

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Veröffentlicht am 04.12.1996
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art23b
GehG 1956 §13 Abs9a, Abs9b
BDG 1979 §19

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Regelung über Außerdienststellung und Entfall der Bezüge von Hochschullehrern infolge Mitgliedschaft im Europäischen Parlament wegen Nichtberücksichtigung der Dienstbezüge aus Lehre und Forschung und bloßen Abstellens auf die Prüfungstaxen; keine teilweise Außerdienststellung von Hochschullehrern

Rechtssatz

Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich einiger Wortfolgen in §13 Abs9a GehG 1956 und §19 BDG 1979.

Der normative Gehalt des Art23b B-VG kann nur unter Einbeziehung seines Abs2 ermittelt werden, aus dem sich ergibt, daß Hochschullehrer ihre Tätigkeit in Forschung und Lehre sowie die Prüfungstätigkeit auch während der Zugehörigkeit zum Europäischen Parlament fortsetzen können und nach Maßgabe der erbrachten Leistungen Dienstbezüge (bis höchstens 25 % der Bezüge eines Hochschullehrers) erhalten. Sind die im Prüfungsbeschluß dargelegten Bedenken begründet, stellt die uneingeschränkte Anordnung der Außerdienststellung (§19 Abs1 BDG 1979) unter Entfall der Dienstbezüge (§13 Abs9a GehG) nicht die Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung, sondern vielmehr deren Verletzung dar. Kommt der Gesetzgeber aber einem verfassungsrechtlichen Gebot nur unter Verletzung der Verfassung nach, so kann der Aufhebung der verfassungswidrigen Bestimmung nicht mit dem Hinweis begegnet werden, daß auch nach Aufhebung ein verfassungswidriger Zustand bestehen bleibt. Die für den Umfang der Aufhebung maßgebliche Abwägung (VfSlg. 6674/1972 und die seither ständige Rechtsprechung) kann nicht dazu führen, daß das primäre Ziel der Normenprüfung, die Beseitigung der rechtswidrigen Norm, überhaupt aufgegeben wird.

Unmittelbare Anwendbarkeit des Art23b B-VG; untrennbare Einheit des §13 Abs9a, 9b GehG 1956 mit §19 BDG 1979.

Die Wortfolge "des Europäischen Parlaments oder" im §19 Z2 BDG 1979 idF ArtI Z1 StrukturanpassungsG, BGBl. Nr. 297/1995, sowie die Wortfolge "des Europäischen Parlaments oder" im §13 Abs9a GehG 1956, BGBl. Nr. 54, idF ArtII Z10a StrukturanpassungsG waren verfassungswidrig.

Wenn Art23b Abs2 B-VG den Hochschullehrern ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zum Europäischen Parlament die Fortsetzung ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre einschließlich der Prüfungstätigkeit gestattet und vorsieht, daß sie dafür in eingeschränktem Ausmaß Dienstbezüge erhalten, können unter diesen Dienstbezügen nur jene gemeint sein, deren Entfall Art23b Abs1 ansonsten vorsieht. Es ist daher jede gesetzliche Regelung verfassungswidrig, die ausschließt, daß Hochschullehrer die ihrer tatsächlichen Leistung angemessenen Dienstbezüge bis höchstens 25 % der Bezüge erhalten.

§13 Abs9a GehG 1956 in der geprüften Fassung sah für alle Beamten einschließlich der Hochschullehrer den Entfall der Dienstbezüge vor. Da außer Dienst gestellten Hochschullehrern, die ihre Tätigkeit nach Maßgabe des Art23b Abs2 B-VG fortsetzen, keine Lehraufträge erteilt werden (vgl. §156 BDG 1979), bildete §13 Abs9b GehG 1956 in der geprüften Fassung eine Grundlage praktisch nur für die neben den Dienstbezügen gebührenden, vom Bestand oder der teilweisen Fortsetzung eines Dienstverhältnisses gar nicht abhängigen Prüfungstaxen. Für den gesamten Bereich der Forschung und Lehre schloß §13 Abs9a GehG 1956 überhaupt jeglichen Dienstbezug aus. Er verstieß daher gegen Art23b Abs2 B-VG.

Die Feststellung, daß §13 Abs9a GehG 1956 - soweit er sich auf Mitglieder des Europäischen Parlamentes bezog - verfassungswidrig war, ohne gleichzeitige Feststellung, daß auch der einschlägige Teil des §19 BDG 1979 verfassungswidrig war, hätte die unerwünschte Folge, daß dem außer Dienst gestellten Beamten gleichwohl die Dienstbezüge gebührten. Außerdem nahm §19 BDG nicht auf den Umstand bedacht, daß Hochschullehrer ungeachtet ihrer Außerdienststellung ihre Tätigkeit in Forschung und Lehre und die Prüfungstätigkeit fortsetzen können. Die Unvollständigkeit der Regelung des §13 Abs9b GehG 1956, die auf Forschung und Lehre aufgrund des Dienstverhältnisses nicht Bedacht nahm, erlaubte es nicht, aus dieser Bestimmung den nötigen zutreffenden Rückschluß auf den im bloßen Entfall der einschlägigen Pflichten bestehenden teilweisen Charakter der Außerdienststellung der Hochschullehrer zu ziehen, wie dies Art23b Abs2 B-VG in bezug auf Abs1 dieser Verfassungsbestimmung ermöglicht.

(Anlaßfall: E v 10.12.96, B2481/95 ua - Aufhebung des angefochtenen Bescheides und des bekämpften Bescheidteiles).

Entscheidungstexte

  • G 51-54/96
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 04.12.1996 G 51-54/96

Schlagworte

Dienstrecht, Bezüge Entfall, Außerdienststellung, Hochschullehrer, VfGH / Prüfungsgegenstand, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G51.1996

Dokumentnummer

JFR_10038796_96G00051_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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