RS Vfgh 1997/1/24 G388/96, G389/96, G390/96, G391/96

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Veröffentlicht am 24.01.1997
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs5 dritter Satz
B-VG Art140 Abs6
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
KStG 1988 §24 Abs4
VfGHGO §38 Abs1
StrukturanpassungsG 1996 Art41 Z12

Leitsatz

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch die Neuregelung der Mindestkörperschaftsteuer im StrukturanpassungsG 1996 wegen überproportionaler Belastung von Kapitalgesellschaften mit einem durchschnittlichen Mindesteinkommen unter S 147.000,--p.a.; keine sachliche Rechtfertigung aufgrund der rechtspolitisch legitimen Zielsetzung der Verhinderung von Mißbräuchen; Ausdehnung der Anlaßfallwirkung auf alle Bescheide betreffend Festsetzung der Körperschaftsteuer-Vorauszahlung aufgrund des KStG 1988 idF des StrukturanpassungsG 1996

Rechtssatz

§24 Abs4 KStG 1988, BGBl. Nr. 401/1988, idF des Art41 Z12 des StrukturanpassungsG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

§24 Abs4 KStG 1988 tritt mit Wirkung ab 01.01.96 in jener Fassung wieder in Kraft, die diese Bestimmung durch ArtIV Z4 AbgÄG 1994, BGBl. Nr. 680/1994, erhalten hat.

Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, es dürfte sachlich nicht gerechtfertigt sein, Unternehmungen, die eine Kapitalrendite von rund 30 Prozent nicht erwirtschaften, überproportional zu belasten, kann jedenfalls mit dem Argument nicht entkräftet werden, man dürfe nicht auf die Rendite eines Jahres, sondern müsse auf die der gesamten Lebenszeit des Unternehmens abstellen. Denn auch bei der (an sich gebotenen) längerfristigen Betrachtung der Einkommensentwicklung führt die Regelung für einen keineswegs vernachlässigbaren Teil von Kapitalgesellschaften (eben für alle jene, die im langjährigen Durchschnitt ein Einkommen von weniger als S 147.000,-- erzielen oder deren Einkommen nach einkommensstarken Jahren unter diese Grenze fällt) zu einer überproportionalen Belastung.

Ein sachlicher Zusammenhang zwischen geringerem Einkommen und vergleichsweise höherer Einkommensteuer ist nicht erkennbar.

Es liegt noch im Rahmen der Grenzen rechtspolitischer Gestaltungsfreiheit, eine Mindestbesteuerung vorzusehen, die davon ausgeht, daß eine Kapitalgesellschaft eine Mindestrendite in einer Höhe erwirtschaftet, wie sie etwa auch der Verzinsung von längerfristig in Wertpapieren veranlagtem Kapital entspricht. Nicht mehr gerechtfertigt werden kann es aber, die Steuerbelastung so anzusetzen, daß davon Kapitalgesellschaften immer dann überproportional getroffen werden, wenn sie ein Mindesteinkommen von S 147.000,-- p.a., also im gewählten Beispiel eine Rendite von 30 Prozent nicht erreichen. Denn eine derartige steuerliche Belastung ist mit der rechtlichen Verfassung der betroffenen Gesellschaften nicht mehr in Einklang zu bringen.

Die - zweifellos legitime - Zielsetzung, Mißbräuchen durch GesmbHs entgegenzuwirken, vermag die pauschale Einführung einer alle einkommensschwachen Kapitalgesellschaften überproportional belastenden Mindestkörperschaftsteuer nicht zu rechtfertigen.

Ausdehnung der Anlaßfallwirkung.

Die Ermächtigung zu einem vom Regelfall abweichenden Ausspruch über die Ausdehnung der Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist nicht näher begrenzt.

Die Wirkung der Aufhebung wird - über die nach Art140 Abs7 B-VG schon von Verfassungs wegen eintretende Wirkung für die vier Fälle, aus deren Anlaß das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde, hinaus - auch auf schon rechtskräftig entschiedene Fälle ausgedehnt und damit - abgesehen von den in den Anlaßfällen bekämpften Bescheiden - auf alle jene Bescheide erstreckt, mit denen, gestützt auf §24 Abs4 KStG 1988 idF 1996, eine Körperschaftsteuer-Vorauszahlung festgesetzt wurde. Dies mit der Konsequenz, daß diese Bescheide nicht nur ihre Rechtsgrundlage verlieren, sondern selbst das Schicksal der sie tragenden Rechtsvorschrift teilen, mit anderen Worten, als aufgehoben zu gelten haben. Damit erübrigt sich auch eine Erledigung der anhängigen Beschwerden gegen solche Bescheide, sodaß weder über die in ihnen gestellten Anträge auf Bescheidaufhebung noch über die allenfalls gestellten weiteren Anträge (wie z.B. auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung, auf Kostenersatz oder auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof) zu entscheiden ist.

Der Verfassungsgerichtshof sah sich zu dieser weitgehenden Ausschöpfung der ihm durch Art140 Abs7 B-VG eingeräumten Ermächtigung zur Ausdehnung der Wirkung der Gesetzesaufhebung im Interesse eines raschen, effizienten und unmittelbaren Rechtsschutzes veranlaßt, da eine Einzelbehandlung und -erledigung der bei ihm anhängigen gleichartigen Beschwerden Jahre gedauert und die Behandlung der übrigen, im Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerden und Anträge um viele Monate verzögert hätte, was angesichts der Bedeutung der im Rechtsstaat essentiellen Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes nicht hingenommen werden könnte. Bei der erforderlichen abwägenden Beurteilung mußte angesichts dieses besonderen Rechtsschutzinteresses das Interesse an der gesonderten Erledigung jedes einzelnen der über 11.000 anhängigen Fälle (einschließlich der dort gestellten Kostenbegehren) zurücktreten, mag dies auch für einzelne Beschwerdeführer eine Härte bedeuten. In der Sache selbst würde die Einzelbehandlung der anhängigen Beschwerden gegen die auf §24 Abs4 KStG 1988 idF 1996 gestützte Vorschreibung von Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen angesichts der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur erweiterten Anlaßfallwirkung (vgl. z.B. VfSlg. 10.067/1984, 13.566/1993) ohnehin zum selben Ergebnis führen.

Eine Prüfung der das rückwirkende Inkrafttreten der Regelung des §24 Abs4 KStG idF 1996 anordnenden Bestimmung der ersten beiden Sätze des §26a Abs5 KStG 1988 idF des Art41 Z13 des StrukturanpassungsG 1996 erübrigt sich, da diese Bestimmung angesichts der Aufhebung des §24 Abs4 leg.cit. und des Ausspruches, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, keine eigenständige Bedeutung mehr hat. Insoweit ist das Gesetzesprüfungsverfahren daher einzustellen.

Wiederinkrafttreten des - verfassungsrechtlich unbedenklichen - §24 Abs4 KStG 1988 idF AbgÄG 1994.

Einem Wiederinkrafttreten der früheren Regelungen steht nichts im Wege, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof zu einem Ausspruch, daß frühere gesetzliche Regelungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, nicht veranlaßt sah und gemäß §38 Abs1 VfGHGO im Spruch das Wiederinkrafttreten der am 31.12.95 geltenden Fassung des §24 Abs4 KStG 1988 zum Ausdruck brachte.

Durch das Wirksamwerden der früheren Regelung zum 01.01.96 ist eine kontinuierliche Besteuerung der Kapitalgesellschaften mit Mindestkörperschaftsteuer in der Höhe von S 15.000,-- p.a., und zwar sowohl für das Steuerjahr 1996 wie auch für die Zukunft gesichert, sodaß von einem Ausspruch nach Art140 Abs5 dritter Satz B-VG abgesehen werden konnte.

(Anlaßfälle: E v 24.01.97, B2909/96, B2947/96, B2959/96, B2962/96 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide).

Entscheidungstexte

  • G 388-391/96
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 24.01.1997 G 388-391/96

Schlagworte

Körperschaftsteuer, Einkommensteuer, VfGH / Anlaßverfahren, Rechtsschutz, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, Mindestkörperschaftsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G388.1996

Dokumentnummer

JFR_10029876_96G00388_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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