RS Vfgh 1997/2/26 B2728/96

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Versammlungsrecht
EMRK Art3
EMRK Art11 Abs2
PersFrSchG 1988 Art1 ff
VersammlungsG §2 Abs1
VersammlungsG §14
VStG §35 Z3

Leitsatz

Keine Verletzung der Versammlungsfreiheit und des Rechts auf persönliche Freiheit durch die Auflösung einer Baustellen-Blockade von Gegnern des Kraftwerksbaus in Lambach; keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die Anhaltung der Beschwerdeführerin; keine Mißhandlungen bei Entfernung der (angeketteten) Beschwerdeführerin vom Versammlungsort; teilweise Abtretung der Beschwerde

Rechtssatz

Zulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Bescheid des UVS betreffend Freiheitsentzug der Beschwerdeführerin im Zuge einer Versammlungsauflösung.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde insgesamt dahin zu verstehen, daß sie sich (nur) insoweit gegen den bekämpften Bescheid des UVS richtet, als mit diesem die an ihn von der Beschwerdeführerin gerichtete Maßnahmebeschwerde wegen ihrer Festnahme und Anhaltung sowie der näheren Umstände ihrer Verbringung insgesamt als unbegründet ab- bzw zurückgewiesen wurde.

Wenn die Feststellung des UVS, die bei ihm in Beschwerde gezogene Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei in Übereinstimmung mit dem VersammlungsG erfolgt, rechtsunrichtig ist, wird damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt (VfGH 30.11.95, B262-267/95; vgl auch VfGH 30.11.95, B2229/94).

Die hier einschreitenden Organe der Bezirkshauptmannschaft mußten nach dem Bild, das sich ihnen an Ort und Stelle bot, annehmen, daß eine Blockade von Bauarbeiten beabsichtigt war. Die Auflösung der - nicht gemäß §2 Abs1 VersammlungsG angezeigten - Versammlung war im Interesse von im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgütern (zumindest der Aufrechterhaltung der Ordnung) notwendig.

Die Auflösung der Versammlung entsprach dem VersammlungsG und die Beschwerdeführerin wurde durch die gemäß §14 Abs2 VersammlungsG im Zuge der Auflösung dieser Versammlung erfolgte Festnahme und Anhaltung daher nicht etwa im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Da die ua durch die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin in Vollzug gesetzte Auflösung der nicht angemeldeten Versammlung rechtmäßig war, kann darin eine Verletzung der Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) nicht erblickt werden.

Der UVS stützt seine Feststellung, daß die bei ihm bekämpfte Freiheitsentziehung der Beschwerdeführerin rechtmäßig war, auf §14 Abs1 VersammlungsG und §35 Z3 VStG.

Daß im konkreten Fall die Anhaltung der Beschwerdeführerin im Anschluß an die mit der Auflösung der Versammlung verknüpften Amtshandlungen (Aufnahme der Personalien etc) nicht über Gebühr ausgedehnt wurden, ist unter den festgestellten Umständen zumindest vertretbar.

Keine Verletzung von Art3 EMRK.

Das Einschreiten für die Organe war dadurch erschwert, daß sich die Beschwerdeführerin selbst an eine Betonröhre gekettet hatte, die schmerzhaft gegen ihre Oberarme drückte. Der Verfassungsgerichtshof kann bei Würdigung aller konkreten Umstände der belangten Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegentreten, wenn sie das Verhalten der Exekutivorgane in bezug auf die Beschwerdeführerin trotz des für die Beschwerdeführerin äußerst unangenehmen Effektes insgesamt noch als maßhaltend beurteilte.

Die bekämpften behördlichen Maßnahmen erschöpften sich nicht bloß in der Vollziehung des VersammlungsG; soweit dies jedoch der Fall war, war der Abtretungsantrag abzuweisen, weil das Versammlungswesen seine Regelung im gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz geltenden Art12 StGG findet, weshalb für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum bleibt (vgl VfSlg 11095/1986, 12155/1989, VfGH 30.11.95, B1495/94, 29.02.96, B2229/94).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung eines Bescheides, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Versammlungsrecht, Verwaltungsstrafrecht, Festnehmung, Mißhandlung, VfGH / Abtretung, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B2728.1996

Dokumentnummer

JFR_10029774_96B02728_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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