TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/1 B1734/01

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Veröffentlicht am 01.03.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,85 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Übergabsvertrag vom 27./28. Dezember 2000 übergab die Mutter der Beschwerdeführer ein näher bezeichnetes Grundstück in Mariathal je zur Hälfte an ihre beiden Söhne.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. November 2001 wurde diesem Vertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt. Begründend wird im Bescheid ausgeführt, dass die Genehmigungsvoraussetzung des §6 Abs1 litb Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 schon deshalb nicht gegeben sei, weil die Erwerber im Verfahren gar nicht behauptet hätten, das Grundstück im Rahmen eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaften zu wollen. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht liege jedoch nicht vor.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie sich dem Vorbringen der Beschwerdeführer anschließt.

II. 1. Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, G79-81/04, hat der Verfassungsgerichtshof im Gesetz vom 3. Juli 1996 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996), LGBl. 61/1996 idF LGBl. 75/1999, §6 Abs1 litb und c, in Abs2 die Wortfolge "im Sinne des Abs1 litb", Abs3 und Abs7 als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannten Normen bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 15. Dezember 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 28. Dezember 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den im verzeichneten Ausmaß zugesprochenen Kosten (die auf Basis der zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung noch geltenden Schilling-Währung zu berechnen waren) sind Umsatzsteuer in Höhe von € 327,03 sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 181,68 enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1734.2001

Dokumentnummer

JFT_09949699_01B01734_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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