RS Vfgh 1997/10/2 V78/97

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 02.10.1997
beobachten
merken

Index

L4 Innere Verwaltung
L4610 Tierschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
Verordnung über gefährliche Hunde. LGBl Stmk 70/1993
AVG §52
Stmk Tierschutz- und TierhalteG §6b

Leitsatz

Aufhebung einer Verordnung über gefährliche Hunde wegen eines Verfahrensfehlers bei Verordnungserlassung; keine Einholung eines gesetzlich vorgeschriebenen Gutachtens der Veterinärmedizinischen Universität vor Festlegung gefährlicher Hunderassen und Kreuzungen

Rechtssatz

Die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 28.06.93 über gefährliche Hunde, LGBl 70/1993, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Landesregierung ist gemäß §6b Abs2 Stmk Tierschutz- und TierhalteG verhalten, ausdrücklich ein Gutachten anzufordern, und zwar nicht bei einem bestimmten (von ihr ausgewählten) Institut, sondern bei der Veterinärmedizinischen Universität, deren Rektor die Entscheidung obliegt, wem er die Erstattung des Gutachtens überläßt.

Im Hinblick darauf, daß das Gesetz keine näheren Determinanten dafür enthält, wie die von der Verordnung zu erfassenden Hunderassen (bzw Kreuzungen mit diesen Rassen) zu bestimmen sind, kommt der präzisen Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens - also dem Einholen eines bestimmten Gutachtens - ganz besondere Bedeutung zu; die Mißachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift stellt eine Verfahrensverletzung dar, die die Verordnung gesetzwidrig macht (vgl zB VfSlg 11990/1989; zum Grundgedanken s zB auch VfSlg 12308/1990). Wenngleich auf das der Verordnungserlassung vorangehende Verfahren nicht das AVG anzuwenden und das Gutachten nicht ein solches nach §52 AVG ist, so ist doch auch hier von einer fachkundigen Person - wissenschaftlich belegt und begründet - ein fundierter Befund zu erheben und darauf aufbauend ein Gutachten zu erstellen, aus dem sich schlüssig ergibt, welche Hunderassen als (besonders) gefährlich iS des §6b Abs2 des Stmk Tierschutz- und TierhalteG einzustufen sind.

Sowohl aufgrund des Inhalts der Stellungnahme eines Instituts der Veterinärmedizinischen Universität als auch im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte ist es ausgeschlossen, sie als Gutachten iS des §6b Abs2 Stmk Tierschutz- und TierhalteG zu werten.

Verfassungsmäßigkeit des von §6b Abs2 Stmk Tierschutz- und TierhalteG angestrebten Zieles.

Der Umstand, daß das Anliegen des Gesetzes berechtigt ist, erlaubt aber nicht die Verletzung von Normen, die das Verfahren bei Erlassung der (zur Vollziehbarkeit des Gesetzes unumgänglichen) Verordnung regeln.

Wenn das Gesetz zwingend gebietet, daß vor Verordnungserlassung "jedenfalls ein Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität" einzuholen ist, kann ein solches Gutachten nicht durch Stellungnahmen anderer (gleichfalls sachkundiger) Stellen ersetzt werden; derartige andere Äußerungen können nur zum gesetzlich vorgeschriebenen Gutachten hinzutreten.

Da nicht bloß die präjudizielle Wendung, sondern in gleicher Weise die übrigen Verordnungsbestimmungen dem Art18 Abs1 und Abs2 B-VG widersprechen, war gemäß Art139 Abs3 lita B-VG die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben (vgl zB VfGH 06.03.96 V168/95).

(Anlaßfall: E v 03.10.97, B1010/96 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verordnungserlassung, Tierschutz, Hunde, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:V78.1997

Dokumentnummer

JFR_10028998_97V00078_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten