TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/3 V64/04

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Veröffentlicht am 03.03.2005
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Index

83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
ImmissionsschutzG-Luft §11, §14
Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl 79/2004, betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der A 12 Inntalautobahn (3) LKW-NachtfahrverbotsV, §3

Leitsatz

Abweisung des Antrags der Vorarlberger Landesregierung auf Aufhebung der 3. LKW-NachtfahrverbotsV hinsichtlich der Ausdehnung des Nachtfahrverbotes für schwere LKWs auf der Inntalautobahn auf die Zeit ab 20 Uhr im Winter; gerechtfertigte Annahme einer zielführenden Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität; Erforderlichkeit einer neuerlichen Prüfung durch den Landeshauptmann hinsichtlich der Wirkung des Nachtfahrverbotes und der Berücksichtigung der Bedürfnisse der Wirtschaft nach den Erfahrungen des Winters

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Vorarlberger Landesregierung beantragt gemäß Art139 Abs1 Satz 2 B-VG die Aufhebung des zweiten Satzes im §3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Oktober 2004, LGBl. 79, mit der in Tirol (aufgrund des Immissionsschutzgesetzes-Luft) verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen werden.

Die verordneten Maßnahmen betreffen das näher begrenzte Sanierungsgebiet A 12 Inntalautobahn zwischen Kundl und Ampass; §3 lautet (angefochtener Satz hervorgehoben):

"In dem nach §2 festgelegten Sanierungsgebiet ist an Werktagen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. In der Zeit zwischen 1. November und 30. April eines jeden Jahres ist an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. Einer bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf es nicht, das Verbot wirkt direkt."

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Umfang der Aufhebung anders abzugrenzen erachtet, stellt die Landesregierung sowohl engere wie auch weitere Eventualanträge bis hin zur Aufhebung des ganzen §3.

Die Gesetzwidrigkeit der Verordnung erblickt sie in Mängeln bei der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen und im Fehlen einer fachlichen Begründung für die zeitliche Ausdehnung des (bisher nur ab 22.00 Uhr verordnet gewesenen) Nachtfahrverbots, der Verschlechterung der Immissionslage und der Gefahr der Grenzwertüberschreitungen in Bezug auf die Immissionsspitzen bei nicht nennenswerter Verringerung des Jahresmittelwertes und in der Missachtung gesetzlich festgelegter Grundsätze, insbesondere jenes der Verhältnismäßigkeit, aber auch der gebotenen Belastung des Hauptverursachers, der Berücksichtigung aller Emittenten oder Emittentengruppen und der Wahrung öffentlicher Interessen (an der Verkehrssicherheit und der Nichtgefährdung langfristiger Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland).

Die antragstellende Landesregierung betont, nicht das schon bisher geltende Nachtfahrverbot, sondern nur dessen Ausdehnung auf die Zeit ab 20.00 Uhr bekämpfen zu wollen, und sieht eine Gesetzwidrigkeit auch nur in Ansehung dieser Verschärfung gegeben.

Sie geht von folgender "fachlichen Begründung für die Maßnahmen" in den Erläuterungen zur angegriffenen Verordnung aus:

"Das 'Herausziehen' von NOX-Emissionen aus der Nacht möglichst weit in den Tag (und damit in bessere Verdünnungsverhältnisse) ist ein notwendiger Schritt um den Sockel hoher nächtlicher NO2-Immissionen möglichst gering zu halten. Eine Verlängerung des Nachtfahrverbotes um zwei Stunden durch die Festsetzung des Beginns mit 20.00 Uhr ist daher aus meteorologischen Gesichtspunkten geboten (siehe dazu auch Studie 'Lufthygienische Auswirkungen einer Erweiterung des Nachtfahrverbotes auf der Unterinntalautobahn A 12, Dr. J. T (Oekoscience AG, Zürich).

Einer Verlängerung des Nachfahrverbotes in die Morgenstunden hinein erwies sich aus verkehrstechnischer Sicht als nicht durchführbar, da es durch das Zusammentreffen von Pendlerverkehr und dem vom Nachtfahrverbot betroffenen Schwerverkehr zu ungünstigen Verkehrsverflechtungen kommen würde. Die Beschränkung des mit Beginn auf 20.00 Uhr ausgedehnten Fahrverbotes auf die Zeit zwischen 01.11 und 30.04 eines jeden Jahres beruht auf die Tatsache, dass die gemessenen Grenzwertüberschreitungen überwiegend im Winterhalbjahr aufgetreten sind."

Sie sieht darin nur eine Behauptung, die durch die verwiesenen, nur mit dem Nachtfahrverbot zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr beschäftigt gewesenen Studien nicht gedeckt sei, zumal andere Gutachten schon die Auswirkungen des damaligen Nachtfahrverbots als gering eingestuft hätten, und fährt fort:

"Die bekämpften Verordnungsbestimmungen stützen sich offenbar (auch) auf die Studie 'Lufthygienische Auswirkungen einer Erweiterung der Nachtfahrverbotes auf der Unterinntalautobahn A12' der Ökoscience AG vom 23.06.2004 [im Folgenden kurz auch 'Studie Ökoscience vom 23.06.2004']. Diese Studie wurde in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf, der dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugrunde lag, nicht einmal erwähnt und erst später durch einen ergänzenden allgemeinen Hinweis in die Erläuterungen aufgenommen. Auch das dem lufthygienischen Gutachten zum damaligen Zeitpunkt allenfalls in einer Rohfassung zugrunde liegende Gutachten über 'Verkehrliche Auswirkungen einer zeitlichen Ausdehnung des LKW-Nachtfahrverbotes auf die Anschlussstelle Innsbruck Ost und die Verzweigung A 12/A 13' des Ingenieurbüro Dipl.Ing. Dr. H K Ziviltechnikergesellschaft KEG vom August 2004 [im Folgenden kurz auch 'Verkehrsstudie K vom August 2004'] wird nicht (ausdrücklich) erwähnt. Die Studie Ökoscience vom 23.06.2004 bildet aus nachstehenden Gründen dennoch keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die vorgenommene Ausdehnung des Nachtfahrverbotes nach §3 der Verordnung:

a) Zunächst fällt auf, dass die in dieser Studie untersuchten Szenarien (siehe Pkt. 3 der Studie) sich vom Nachtfahrverbot nach §3 der Verordnung wesentlich unterscheiden (siehe im einzelnen die Ausführungen unter Punkt 3.3.2.2). Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich daher nicht ohne weiteres auf das verordnete Nachtfahrverbot übertragen. Aus den Erläuterungen ergibt sich auch keinerlei Hinweis auf Ermittlungen sowie Überlegungen, ob und inwieweit sich das letztlich verordnete Nachtfahrverbot auf die in dieser Studie untersuchten Szenarien stützen kann.

b) Weiters sind die in Tabelle 2.2 der Studie Ökoscience vom 23.06.2004 (S. 2) ausgewiesenen Emissionsfaktoren, die den nachfolgenden Berechnungen der Immissionen zugrunde liegen, nicht schlüssig nachvollziehbar (und sind daher die Ergebnisse der darauf aufbauenden Immissionsberechnungen in Frage zu stellen). Zum einen stimmen diese Werte mit den Ergebnissen der Studie der TU Graz (Report FVT vom 03.09.2003) nicht überein bzw. sind nach Auskunft der TU Graz im Dezember 2003 keine derartigen Emissionsfaktoren übermittelt worden. Hinzu kommt, dass diese Emissionsfaktoren offensichtlich keine Stauerscheinungen berücksichtigen, obschon derartige Verkehrszustände lt. Verkehrsstudie K vom August 2004 zu erwarten sind. Die Emissionen bei Stau liegen um das 2 - 2.5 fache höher als die in der Studie Oekoscience vom 23.06.2004 ausgewiesenen Werte. Darüber hinaus ist die Datengrundlage für die Bestimmung der Emissionsfaktoren von PAB (PKW mit Anhänger und Busse) unbekannt bzw. im Bericht von Oekoscience nicht ausgewiesen.

...

Grundsätzlich kommt auch die TU Graz in Bezug auf die Verteilung der NOx Emissionen auf andere Werte als Oekoscience: Laut Studie Oekoscience vom 23.06.2004 stammen 63,3 % der NOx-Emissionen aus dem schweren Güterverkehr; die TU Graz weist in Report FVT vom 03.09.2003 für LKW und Sattel- bzw. Lastzüge einen Anteil von 57 % der NOx Emissionen aus.

Da die in der Verordnung angeordnete Maßnahme allein beim schweren Güterverkehr ansetzt und der Anteil des schweren Güterverkehrs an den gesamten NOx-Emissionen aus den oben angeführten Gründen geringer ist als von der Behörde angenommen, sind auch die Auswirkungen der verordneten Maßnahme (Ausdehnung des LKW-Nachtfahrverbotes) auf den Jahresmittelwert als noch geringer anzusetzen bzw. messtechnisch gar nicht mehr nachzuweisen.

c) Hinzu kommt, dass in diesen Berechnungen die durch die Ausdehnung des Nachtfahrverbotes hervorgerufenen Staueffekte nicht berücksichtigt wurden, obwohl diese zu weit höheren Emissionen führen. Diese zusätzlichen Emissionen bei Verkehrsspitzen werden einen spürbaren Einfluss auf die Immissionsbelastung ausüben, was sich sowohl beim Jahresmittelwert als auch beim Halbstundenmittelwert negativ im Sinne einer Erhöhung auswirken kann. Anzunehmen ist insbesondere, dass dadurch die bereits derzeit auftretenden Immissionspitzenwerte (bereits ausgewiesene Überschreitungen des HMW) weiter verschlechtert werden.

d) Selbst unter Heranziehung der von Ökoscience verwendeten Emissionsfaktoren und der darauf aufbauenden Immissionsprognosen ergeben sich keine nennenswerten Reduktionen beim N02-Jahresmittelwert; bei den N02-Spitzenwerten (Halbstundenmittelwert) ergeben sich jedoch signifikante Verschlechterungen:

Nachdem das nunmehr verordnete Nachtfahrverbot (Ausdehnung werktags von 22.00 Uhr auf 20.00 Uhr im Winterhalbjahr) mit seinen Auswirkungen nicht eigens untersucht wurde (siehe bereits oben a), wird im Folgenden auf die dem verordneten Nachtfahrverbot am nächsten kommenden Varianten abgestellt.

Variante '2 AM' mit ganzjährigem Nachtfahrverbot von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr außer Montag (siehe Studie Ökoscience vom 23.06.2004, Tab. 4.5 und 4.6, S. 13 f.) weist, trotz völlig unrealistischer Annahmen zur Verkehrsumlagerung von den Abend- in die Morgenstunden, einen Rückgang des N02-Jahresmittelwertes von lediglich 0.9 µg/m3 auf (Reduktion von 68,6 auf 67,7); dies entspricht einer Reduktion um 1,3 %.

Variante '2 A' mit ganzjährigem Nachtfahrverbot von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr außer Montag unter realitätsnäherer Verkehrsumlagerung (siehe Studie Ökoscience vom 23.06.2004, Tab. 4.3 und 4.4, S. 11 f.), weist einen Rückgang des N02-Jahresmittelwertes von lediglich 0.5 - 0,6 µg/m3 auf (Reduktion von 68,6 auf 68,1 bzw. 68,0); dies entspricht einer Reduktion um lediglich 0,8 - 0,9 %.

Das Ausweisen einer derart geringen Immissionsminderung beim N02-Jahresmittelwert im Ausmaß von 0,5 bis 0,9 µg/m3 als positive Wirkung des ausgedehnten Nachtfahrverbotes darzustellen, muss daher kritisch hinterfragt werden:

Zum einen gilt das ausgedehnte Nachtfahrverbot laut Verordnung nur im Winterhalbjahr und nicht ganzjährig, wie in den oben angeführten Berechnungen angenommen, sodass die errechneten Auswirkungen auf den Jahresmittelwert als noch deutlich geringer anzusetzen sind. Zum anderen lassen nicht eliminierbare Einflüsse auf die Immissionsmessung, insbesondere solche der Messtechnik, es als beinahe ausgeschlossen erscheinen, Minderungen in diesem geringen Ausmaß als Tatsache zu werten. Eine messtechnische Verifizierung für eine Minderung im Ausmaß von 0,5 bis 0,9 µg/m3 im Jahresmittel wird nicht zu erbringen sein. Laut Studie der TU Graz (Winterstudie vom 07.05.2004, S. 40) liegen schon die Auswirkungen des bisherigen Nachtfahrverbotes unterhalb der messtechnischen Nachweisgrenze.

In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Rückschluss von NOx-Emissionen und -Immissionen auf die N02-Immissionsbelastung über eine - nicht näher statistisch bewertete - Mittelungsfunktion erfolgt, deren anzunehmende statistische Ungenauigkeit einen massiven Einfluß auf die N02 Prognose ausübt (siehe z.B. Abb.5.3 in 'Beiträge zu einer immissionsklimatisch abgestützten Lenkung der Verkehrsströme auf der Inntalautobahn' der Ökoscience AG von 2001). Dieser Effekt kann unter Zugrundelegung einfacher statistischer Überlegungen eine Ungenauigkeit erzeugen, die deutlich über dem dargestellten Wirkungsausmaß liegt.

Die in der Studie 'Lufthygienische Auswirkungen einer Erweiterung der Nachtfahrverbotes auf der Unterinntalautobahn A12' der Ökoscience AG vom 23.06.2004 angegebenen Reduktionen im Jahresmittelwert können daher aus den oben genannten Gründen nur dahingehend interpretiert werden, dass kein Effekt auf den N02-Jahresmittelwert nachweisbar ist."

Auch wenn eine Verlagerung der NOx-Emissionen möglichst in den Tag hinein aus meteorologischer Sicht grundsätzlich richtig wäre, komme es auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer an. Die Verkehrsstudie komme aber zu einer Erhöhung der NO2 Spitzenwerte, und zwar unter realitätsnäheren Annahmen um 5,3 bis 6,4%.

Den vorliegenden Studien könne nicht entnommen werden, inwieweit das LKW-Verkehrsaufkommen reduziert werden kann oder eine ökologisch verträglichere Verkehrsverlegung eintreten soll. Es sei im Gegenteil davon auszugehen, dass in den Spitzenstunden die Verkehrsdichte weiter zunimmt sowie Stauhäufigkeiten bzw. Stauzeiten ansteigen, was höhere zusätzliche Emissionen zur Folge habe, zumal die Schadstoffemissionen in solchen Verkehrssituationen im Vergleich zum fließenden Verkehr überproportional anstiegen.

Auch für eine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Verlängerung des Verbotes und der Notwendigkeit ergänzender Maßnahmen, insbesondere auch PKW betreffend, fehlten die Grundlagen.

Für die bisher vorliegenden Untersuchungen kommt die Vorarlberger Landesregierung daher zu nachstehenden Schlussfolgerungen:

"Nach dem 1. Evaluierungsbericht der Tiroler Landesregierung vom 5.3.2003 werden nächtliche Vorteile des Nachtfahrverbotes tagsüber großteils kompensiert. Verbesserungen in der Schadstoffbelastung an der Messstelle Vomp/A12 beim N02-Jahresmittelwert sind höchstens im kleinen Prozentbereich zu erwarten. Demgegenüber steht allerdings, dass in den Morgenstunden eine neue Immissionsspitze produziert wird, die höher als vor Einführung des Nachtfahrverbots ist. Bei Ausdehnung des Nachtfahrverbotes in den Abendstunden ist, auch wenn dies im Evaluierungsbericht nicht angesprochen wird, eine weitere Verschärfung der Immissionsspitzen zu erwarten.

Laut Ökoscience-Studie vom Februar 2004 hat der direkt aus den tatsächlich vorliegenden Messungen ermittelte N02-Jahresmittelwert des Jahres 2003 trotz Nachtfahrverbot deutlich zugenommen, was jedoch auf außerordentliche meteorologische Bedingungen zurückgeführt wurde. Ökoscience hat daher die Immissionszunahme ohne Nachtfahrverbot mit 4 bis 6 % nur modellmäßig (theoretisch) nachgewiesen. Die Gutachten der TU Graz (Sommerstudie vom 03.09.2003 und Winterstudie vom 07.05.2004) gehen im Gegensatz dazu davon aus, dass keine oder nur marginale nachweisbare Auswirkungen des Nachtfahrverbots auf die mittleren Immissionskonzentrationen für N02 - weder durch entsprechende Modellrechnungen noch durch Auswertungen der Luftgütedaten - festzustellen sind.

Ein allfälliger positiver Effekt des bestehenden Nachtfahrverbotes auf die Reduzierung des Jahresmittelwertes bzw. die Sinnhaftigkeit des bisherigen Nachtfahrverbotes wird von uns nicht in Frage gestellt. Wie dargelegt wurde, kann jedoch bei Ausdehnung des Nachtfahrverbotes im Winterhalbjahr (werktags von 22.00 bis 5.00 Uhr auf 20.00 bis 05.00 Uhr) keine positive Wirkung auf den Jahresmittelwert nachgewiesen werden. Die Verschlechterung bei den Immissionsspitzen (Halbstundenmittelwert) durch die verordnete Ausdehnung des Nachtfahrverbotes wurde demgegenüber jedoch eindeutig nachgewiesen.

Einer (zumindest theoretisch bzw. rechnerisch ermittelten) Entlastung des N02-Jahresmittelwerts durch ein Lkw-Nachtfahrverbot steht schon bisher in den Morgenstunden eine Immissionsspitze gegenüber, die höher ist als ohne Nachtfahrverbot. Dieser Umstand geht aus allen Gutachten hervor. Der morgendliche Überschuss an Schadstoffen wird vor allem in den Wintermonaten mit dem Abbau eventueller Inversionen und der Zunahme der Windgeschwindigkeit nur langsam verringert. Die Vorteile des bestehenden Nachtfahrverbotes in der Nacht werden dadurch tagsüber teilweise kompensiert. Bei einer Ausdehnung des Nachtfahrverbotes in den Abendstunden gelten die Feststellungen bezüglich der Immissionsspitzen analog. Bisher nicht diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, dass Immissionsspitzen am Abend in den meteorologisch ungünstigsten Nachtstunden abgebaut werden müssen und dadurch auch negative Auswirkungen auf den N02-Jahresmittelwert bedingt sein können.

Die Ökoscience-Studie vom 23.06.2004, welche die beabsichtigte Maßnahme untermauern soll, weist in den verschiedenen Szenarien für die Erweiterung des Nachtfahrverbotes eine weitere, jedoch sehr geringe Reduktion der N02 - Jahresmittelwerte und für die N02-Spitzen eine deutliche Zunahme aus.

Diese Studie ist in einigen Annahmen und Datengrundlagen nicht schlüssig, sodass auch die Ergebnisse nicht nachvollziehbar sind. Vor allem sind auch allfällige Störungen im Verkehrsfluss bzw. durch Stauerscheinungen bedingte Erhöhungen im Schadstoffausstoss nicht berücksichtigt. Solche Verkehrszustände erhöhen die Emissionsfaktoren um das 2 bis 2,5-fache und wirken sich auf die Immissionspitzen besonders negativ aus. Die tägliche Abendverkehrsspitze wird sich mit jenen Lkw überlagern, die vor Beginn des Nachtfahrverbotes das Sanierungsgebiet noch passieren wollen. Wie in der Verkehrsstudie K vom August 2004 (S. 34) beschrieben, ist zu erwarten, dass ein Großteil des Lkw-Verkehrs, der bisher im Zeitraum 20:00 bis 22:00 Uhr unterwegs war, zwangsweise auf 17:30/18:00 Uhr bis 20:00 Uhr ausweichen wird. Gemeinsam mit der Abendverkehrsspitze ergibt sich eine Verkehrsbelastung, die im Bereich der Qualitätsstufe E (schon kleine Störungen im Verkehrsfluss reichen aus, um Staus oder sogar einen Verkehrsstillstand hervorzurufen) liegen. Dadurch wird eine Immissionsspitze analog wie in den Morgenstunden produziert. Mögliche Überschreitungen des Kurzzeitgrenzwertes (Halbstundenmittelwert 200 µg N02/m3) sind die Folge. Darüber hinaus muss diese Immissionsspitzenbelastung in den meteorologisch ungünstigsten Nachtstunden abgebaut werden, was sich ungünstig auf den NO2-Jahresmittelwert auswirken kann. Den Hintergrund für die Wahl des Nachtfahrverbotes als geeignetes Mittel zur Zielerreichung bildet nach den Erläuterungen (Punkt 1.5, S. 5) folgende Überlegung: 'Emissionen bei ungünstigen Ausbreitungsbedingungen (nachts) werden in Phasen mit günstigeren Ausbreitungsbedingungen (tagsüber) verlegt'. Die nunmehr vorgesehene Ausdehnung des Nachtfahrverbotes am Abend bewirkt das Gegenteil, da eine zusätzliche Emmissions- und daraus resultierende Immissionsspitze am Abend auftritt.

...

Nach Einführung des Nachtfahrverbotes, BGBl. II Nr. 349/2002 (in Kraft getreten am 1.10.2002), hat die Anzahl der Spitzen signifikant zugenommen. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass alle Überschreitungen des Kurzzeitgrenzwertes und über drei Viertel der Überschreitungen des Zielwertes zum Schutz der menschlichen Gesundheit von Jänner bis April und im Dezember aufgetreten sind. Die außergewöhnliche meteorologische Situation des Jahres 2003 (starke Ozonbildung) kann daher dafür nicht verantwortlich gemacht werden.

Die durch eine Ausdehnung des Nachtfahrverbotes zu erwartenden ausgeprägteren Immissionsspitzen, die gegebenenfalls auch über dem Immissionsgrenzwert (Halbstundenmittelwert HWM) für Stickstoffdioxid nach Anlage 1 des IG-L liegen werden, sind mit den Zielen des IG-L, wonach eine Verringerung der Immission von Luftschadstoffen zu erreichen ist (vgl. insb. §§1 und 10 Abs1 IG-L), nicht in Einklang zu bringen. Die Ausdehnung des Nachtverbotes ist daher auch aus diesen Gründen als gesetzwidrig anzusehen."

Dem stünden bedeutende direkte und indirekte Kosten für die betroffenen Unternehmen vor allem der Nahrungsmittel-, Elektro-, Maschinen-, Holz- und Textilindustrie Vorarlbergs gegenüber:

"Betroffen sind alle Unternehmen, die nach Tirol bzw. über Tirol nach Salzburg und in die anderen Bundesländer liefern und umgekehrt. Die Vorarlberger Wirtschaft ist aufgrund der großen Distanzen zu den Wirtschaftszentren in den anderen Bundesländern besonders betroffen. Ein Ausweichen im Bereich des Sanierungsgebietes auf zur A 12 Inntalautobahn parallel führende Straßen ist teils aus praktischen, teils aus rechtlichen Gründen (Fahrverbote) unmöglich. Von der Ausdehnung des Nachtfahrverbotes besonders hart betroffen sind in Vorarlberg Unternehmen aus dem Bezirk Bludenz, da diese auf eine funktionierende Wirtschaftsverbindung über den Arlberg via Innsbruck nach Salzburg existentiell angewiesen sind. Diese müssten größere Umwege in Kauf nehmen, wenn sie aufgrund des ausgedehnten Nachtfahrverbotes gezwungen sind, über Deutschland nach Ostösterreich zu fahren. Schon allein diese zusätzlichen Erschwernisse und die dadurch verursachten Mehrkosten, z.B. für Bludenz-Bürs nach Salzburg, von rund 41 Euro bzw. - unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Fahrzeit von ca. 1 Stunde - von rund 96 Euro pro Fahrt sind unverhältnismäßig (siehe Kostendarstellung in der Anlage). In den genannten Differenzbeträgen ist auch die Arlbergmaut (im LKW-Road-Pricing als 'Zuschlag' berücksichtigt) bereits inkludiert. Bei Termintransporten von Vorarlberg nach Wörgl, die infolge des ausgedehnten Nachtfahrverbotes ebenfalls über Hörbranz-Lindau (via München-Kiefersfelden-Kufstein) abgewickelt werden, müsste Wörgl mit großem Umweg 'von hinten' angefahren werden. Es fallen ca. 140 an zusätzlichen Kilometern und mindesten zwei zusätzliche Fahrstunden im Vergleich zur direkten Fahrt via Arlberg an. Es entstehen in einem solchen Fall sogar Mehrkosten in Höhe von rund 277 Euro pro Fahrt an (siehe Kostendarstellung in der Anlage). Aufgrund des sehr harten Wettbewerbs sind dadurch Kundenbeziehungen der Vorarlberger Produzenten und Händler ernsthaft bedroht.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass Beförderungen von Österreich (z.B. Vorarlberg) nach Österreich (z.B. Salzburg) über Deutschland, also Beförderungen, bei denen sich der Ausgangspunkt und der Bestimmungsort nicht in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten befinden, vom Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten nicht umfasst sind. Im Falle der Einführung eines Zählkartensystems mit Kontingentierung für derartige Fahrten durch Deutschland - dies scheint nach der Verordnung 881/92 durchaus zulässig zu sein - gibt es aufgrund des Nachtfahrverbotes in Tirol für Vorarlberger Unternehmen keine sichergestellte Möglichkeit mehr, um im Winterhalbjahr an Werktagen in der Nacht nach Ostösterreich zu gelangen. Im Falle einer Einführung eines Zählkartensystems (Kontingentierung) durch Deutschland wäre die Wirtschaft, insbesondere in Vorarlberg, massiv betroffen. Langfristige Wirtschaftsbeziehungen zwischen den betroffenen Vertragspartnern würden dadurch gefährdet. Auch aus diesem Grunde ist die Ausdehnung des Nachtfahrverbotes unverhältnismäßig.

Erfolgen die Warentransporte von Vorarlberg über Tirol nach Ostösterreich, so müssen diese so früh durchgeführt werden, dass die A 12 in Tirol im Bereich des Sanierungsgebietes jedenfalls noch vor 20.00 Uhr durchfahren werden kann. Eine Ausdehnung des Nachtfahrverbotes erfordert somit von Vorarlberger Unternehmen, welche über Tirol nach Ostösterreich liefern, wesentlich frühere Ladeschlusszeiten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass pro Empfänger auch noch ein gesetzlich vorgeschriebener CMR-Frachtbrief erstellt werden muss (vgl. §17 Güterbeförderungsgesetz). Eine Vorverlegung des Nachtfahrverbots von 22.00 auf 20.00 Uhr bedeutet, dass Lkw aus Vorarlberg vor 16.00 Uhr (statt bisher 18.00 Uhr) abfahren müssen, um die A 12 in Tirol im Sanierungsgebiet noch rechtzeitig durchfahren zu können. Dieser Ladeschluss (beim Kunden) ist aber nur dann möglich, wenn es sich um eine Komplettladung handelt. Stückgüter und Teilladungen - und dabei handelt es sich ja tatsächlich um JIT(just in time)-Sendungen - müssen zuerst von Abholfahrzeugen im Lande gesammelt und auf einem Speditionsterminal konsolidiert werden, bevor sie in den LKW-Fernzug verladen werden können. Dies bedeutet also, dass unter diesen Voraussetzungen Ladeschluss beim Kunden bereits um 13.00 bis 14.00 Uhr sein müsste. Dieser vorzeitige Ladeschluss ist aber geradezu unmöglich, da die Kunden dann unter Berücksichtigung ihrer Kommissioniertätigkeiten Bestellungen vom Tag nicht mehr zum Versand bringen könnten und damit eine Lieferzeitverlängerung von 24 auf 48 Stunden entstehen würde. Damit wäre aber die Konkurrenzfähigkeit von Vorarlberger Unternehmen im Vergleich zu innerösterreichischen oder süddeutschen Produzenten nicht mehr gegeben bzw. erheblich verschlechtert.

Die Vorarlberger Transporteure setzen zahlreiche LKW-Fahrer aus Tirol bzw. Salzburg ein. Die LKW werden so disponiert, dass deren Fahrer in ihrem Wohnort in Tirol oder Salzburg übernachten und nach Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten in der Früh weiterfahren können. Die Übernachtung an deren Wohnort wird durch die Ausdehnung des Nachtfahrverbotes erschwert oder verunmöglicht.

Weiters stört die Verlängerung des Nachtfahrverbotes den Umlauf Vorarlberg - Ostösterreich pro Woche und LKW (sog. Rundläufe) empfindlich. Unter Einhaltung der gesetzlichen Einsatz-, Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten sowie Lenkpausen ist es derzeit möglich, zwei volle Rundläufe Vorarlberg-Wien durchzuführen. Der Umweg über Hörbranz-München bedeutet pro Woche aber mindestens vier bis acht Stunden zusätzliche Fahrzeit. Damit sind zwei volle Rundläufe nicht mehr möglich. Dies gilt nicht nur für Fahrten nach Wien, sondern betrifft auch alle Fahrten in die südlichen österreichischen Bundesländer und umgekehrt. Der Verlust einer halben Rotation ist mit mindestens 700 Euro pro Woche anzusetzen. Dabei ist aber nicht berücksichtigt, dass z.B. ein LKW-Lenker aus Vorarlberg ein Wochenende in Wien oder Graz verbringen bzw. mit einem Zeitaufwand von 16 bis 20 Stunden mit der Bahn an- oder abreisen müsste. Die wirtschaftliche Führung eines Transportunternehmens ist unter solchen Umständen bei den derzeit gegebenen Marktverhältnissen auf Dauer nicht bzw. nur mehr schwer möglich. Werden diese zusätzlichen Kosten auf die Kunden verumlagt, wird die Konkurrenzfähigkeit insbesondere der Vorarlberger Wirtschaft erheblich verschlechtert.

An der Unverhältnismäßigkeit der verordneten Ausdehnung des Nachtfahrverbotes vermag auch die in §4 Z. 4 der Verordnung vorgesehene Ausnahme für LKW der Euroklassen IV und V nichts zu ändern. Es ist schon im Hinblick auf den äußerst geringen Beitrag der Ausdehnung des Nachtfahrverbotes zur Zielerreichung wirtschaftlich nicht zumutbar, kurzfristig neue LKW der Euroklassen IV oder V anzuschaffen, um vom ausgedehnten Nachtfahrverbot nicht mehr betroffen zu sein."

Die mit der Maßnahme verbundenen erheblichen Kosten bei den betroffenen Unternehmen stünden außer Verhältnis zu dem mit ihr angestrebten Erfolg bzw. dem bescheidenen Beitrag, den sie zur Zielerreichung leisten könne.

Richtigerweise hätten viel wirksamere Geschwindigkeitsbeschränkungen (auch) für PKW angeordnet werden müssen. Die Ausdehnung des Nachtfahrverbots verschlechtere die Verkehrssicherheit in den Abendstunden. Schließlich könnten Gegenmaßnahmen in Deutschland ausgelöst werden, welche die längerfristigen Wirtschaftsbeziehungen gefährden würden.

II. Der Landeshauptmann von Tirol verteidigt die angegriffene Verordnung und hält die eingeholten Gutachten für tragfähig. Zu den Auswirkungen des bisherigen Nachtfahrverbots meint er:

"Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in allen Untersuchungen, die sich mit der Immissionssituation und den Ausbreitungsbedingungen im Unterinntal befassen, unbestritten festgestellt wurde, dass die Ausbreitungsbedingungen (Inversionshäufigkeit, mittlere Windgeschwindigkeit, Zirkulation der Luft) während der Nacht sowie während des Winterhalbjahres ungünstiger sind als am Tag bzw. im Sommer. Daher ist es logisch und schlüssig, dass Emissionen während der Nachtstunden bzw. des Winterhalbjahres sich auf die Immissionen besonders ungünstig auswirken. Es ist also nicht gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt die Schadstoffe emittiert werden. Die gleiche Fahrtenzahl an LKW (und somit die gleichen Emissionen) würde z.B. wesentlich höhere Immissionskonzentrationen nach sich ziehen, wenn sie nur während der Nachtstunden im Winterhalbjahr durchgeführt werden, als wenn sie über das Jahr verteilt abgewickelt werden.

Werden die Nachtfahrten zu einem großen Teil von der Nacht in den Tag verlagert, so fallen die entsprechenden Emissionen zu Zeiten an, wo die Ausbreitungsbedingungen im Mittel besser sind, sie also weniger bodennahe Immissionen verursachen. Aus diesem Grund wurde ja auch seitens der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der Verordnung des sektoralen LKW-Fahrverbotes als Alternative u.a. die zeitliche Ausdehnung des LKW-Nachtfahrverbots vorgeschlagen. Eine zeitliche Einschränkung des LKW-Verkehrs wurde im Vergleich zum sektoralen LKW-Fahrverbot (Fahrverbot für bestimmte bahnaffine Güter) als gelinderes Mittel angesehen. Eine Immissionsverbesserung kann durch Reduktion der Emissionen oder eben durch eine Verschiebung der Emissionen in Zeitbereiche erzielt werden, in denen die Luft besser durchmischt wird. Der Gesamteffekt des erweiterten Nachtfahrverbots gegenüber der Situation ohne Nachtfahrverbot entspricht der gleichen Immissionsreduktion wie eine Verminderung um 330.000 schwere Güterfahrzeuge pro Jahr - bei einer gleichmäßig über den Tag verteilten Reduktion des schweren Güterverkehrs."

Die allenfalls staugefährdeten Bereiche lägen außerhalb des Sanierungsgebietes. Diskrepanzen bei den zur Berechnung herangezogenen Immissionsfaktoren würden durch die seit Jahresbeginn 2004 eingetretene Zunahme des Schwerverkehrs um etwa 15 % wesentlich überstiegen. Schon das bisherige Nachtfahrverbot habe nicht zu einer Verlagerung des Verkehrs in die Abendstunden geführt; die Nachrechnung der Ausdehnung bloß auf das Winterhalbjahr ergebe immerhin eine Reduktion um 0,7 %. Dazu kämen noch allfällige Verlagerungen auf die Bahn oder zurück auf die Route durch die Schweiz. Zusätzliche Maßnahmen seien getroffen oder geplant. Ein demnächst aufzunehmender Testbetrieb prüfe die Möglichkeit, die Höchstgeschwindigkeiten immissionsabhängig zu steuern.

Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit infolge der Kosten für Vorarlberger Unternehmen lasse völlig außer Acht, dass gemäß §14 Abs2 Z9 Immissionsschutzgesetz-Luft die Möglichkeit besteht, um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung anzusuchen. Dabei sei zu prüfen, ob im Einzelfall ein überwiegendes öffentliches oder erhebliches persönliches Interesse bestehe; die betroffenen Betriebe der Vorarlberger Wirtschaft müssten eben um eine Ausnahmegenehmigung ansuchen. Im Übrigen seien Euro IV- und V-LKW auf ausdrücklichen Wunsch der Wirtschaftskammer Tirol vom Verbot insgesamt ausgenommen.

Anders als die zunächst geplante Ausdehnung des Verbots (auch) in die frühen Morgenstunden sei jene in die Abendstunden punkto Verkehrssicherheit nach Ansicht des Gutachters noch vertretbar.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft beantragt gleichfalls, die Beschwerde (gemeint: den Antrag) abzuweisen.

III. Der Antrag ist zulässig. Die zur Prüfung gestellte Verordnung wurde durch den Landeshauptmann in seiner Funktion als Bundesbehörde erlassen. Zur Beseitigung der behaupteten Gesetzwidrigkeit genügt die Aufhebung des zweiten Satzes in §3 der Verordnung.

Der Antrag ist aber nicht begründet.

1. Mit dem Nachtfahrverbot auf der A 12 zwischen Kundl und Ampass hat sich der Verfassungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 27. November 2003, B 251 bis 265/03 (zur ersten Verordnung) und vom 2. Dezember 2004, B1612/03 (zur zweiten Verordnung) befasst. Was die schon in diesen - das ganzjährige Nachtfahrverbot zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr betreffenden - Verfahren vorgelegenen Befunde und Gutachten betrifft, wird - um Wiederholungen abermals zu vermeiden - auf die Begründung dieser Erkenntnisse verwiesen. Das zweite ist übrigens erst nach Einlangen des vorliegenden Antrages ergangen.

Der Antrag bekämpft nicht das im ersten Satz der Verordnung 2004 weiterhin verfügte ganzjährige Nachtfahrverbot, sondern nur dessen zeitweise Erweiterung auf die Zeit ab 20 Uhr. Diese Gesetzwidrigkeit kann nur mit Gründen gerügt werden, die - allenfalls in Verbindung mit auch gegen das ganzjährige Verbot sprechenden - allein diese Erweiterung treffen. Es stünde der Landesregierung nicht frei, eine darüber hinaus reichende Gesetzwidrigkeit geltend zu machen, zugleich aber durch eine Beschränkung des Antrags auf bloße Teile der gesetzwidrigen Regelung ein jeweils gewünschtes Ergebnis herbeizuführen. Vielmehr muss der Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen - wie die Landesregierung richtig erkennt - auch im Falle eines abstrakten Normenprüfungsverfahrens, bei dem es auf die Präjudizialität für einen Anlassfall nicht ankommt, mit der behaupteten und festzustellenden Rechtswidrigkeit übereinstimmen.

Das bedeutet aber, dass der Verfassungsgerichtshof sich im vorliegenden Fall nur mit jenen Bedenken zu beschäftigen hat, die sich auf die Gesetzmäßigkeit gerade und nur der Erweiterung des Nachtfahrverbots auf die Zeit von 20 bis 22 Uhr auswirken. Dabei sind freilich nicht nur die tatsächlichen Auswirkungen des unbekämpft gebliebenen Verbots von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr, sondern auch die tragenden Gründe für dieses zu berücksichtigen.

2. Die das bisherige Nachtfahrverbot rechtfertigenden Gründe gehen nun aber dahin, dass die Verlegung von Emissionen von der Nacht auf den Tag der Verringerung der (Folgen der) Immissionen und der Verbesserung der Luftqualität (oder zumindest der Hintanhaltung einer weiteren Verschlechterung) dient. Die für diese Annahme sprechenden Gutachten lassen erkennen, dass eine Ausweitung des Nachtfahrverbots in die früheren Abend- oder späteren Morgenstunden eine weitere Verbesserung bringen würde.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Verordnung stützen die "fachliche Begründung für die Maßnahmen", gegen die sich der Antrag wendet, zwar nur auf schon bekannte frühere Studien und Gutachten; eine besondere Begründung für die Erweiterung enthalten sie nicht. Doch hat der Landeshauptmann ein Gutachten des Ingenieurbüros Dipl.Ing. Dr. K über die verkehrlichen Auswirkungen einer Ausdehnung des Verbots und ein Gutachten der Oekoscience AG (Dr. J T) über die lufthygienischen Auswirkungen eingeholt.

Das lufthygienische Gutachten vom 23. Juni 2004, das unter anderem die Varianten ganzjähriges Nachtfahrverbot 20.00 bis 06.00 Uhr (Variante 2) und Sommers 20.00 bis 06.00 Uhr, Winters 20.00 bis 9.00 Uhr (Variante 6) - Montags immer nur bis 05.00 Uhr - prüfte, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen (S. 15/16):

"Das bestehende Nachtfahrverbot hat einen positiven Effekt auf die Immissionssituation gehabt, und zwar sowohl bei den Mittelals auch bei den Spitzenwerten: Die Mittelwerte von NOx und NO2 wären ohne NFV um 5-7 % höher gewesen, Die mittleren Spitzenwerte (95 %- und 99 %-Perzentile) hätten ohne NFV beim NOx um einen ähnlichen Prozentsatz abgenommen, beim NO2 hingegen ebenfalls zugenommen.

Die untersuchten Szenarien einer Erweiterung des NFV zeigen bei den Immissionsmittelwerten generell eine weitere Reduktion, bei den NO2-Spitzen aber eine Zunahme.

Die Verschärfung des NFV im Winterhalbjahr (NFV bis 9 Uhr, Variante '6') würde beim NOx sowohl beim Mittelwert als auch bei den Spitzenwerten eine deutlich Reduktion herbeiführen, eine leichte Reduktion beim NO2-Mittel und praktisch keine Reaktion bei den NO2-Spitzenwerten (im Vergleich zu Variante '2' der NFV-Erweiterung).

Innerhalb der Grundszenarien 2 und 6 machen die unterschiedlichen Verteilungen des umgelagerten Verkehrs in die Tagesstunden hinein bei den Immissionen nur wenig aus, wenngleich die Emissionsspitzen darauf deutlich reagieren. Alle 6 Unterszenarien gehen aber doch von einer Umlagerung über den gesamten Tag aus.

Bei den Untervarianten '2M' und '2A' wurden die zu erwartenden Effekte untersucht, wenn das bestehende NFV nur am Morgen von 5-6 Uhr ('M') bzw. nur am Abend von 20-22 Uhr ('A') erweitert wird. Dabei wäre gem. den Ganglinien (Tabelle 3.1) die Reduktion des Morgenverkehrs vor allem in den Vormittag und die Reduktion des Abendverkehrs vor allem in den frühen Abend verlegt worden. Die Summe der Immissionsreduktionen aus '2M' und '2A' macht bei den Mittelwerten gerade etwa die Reduktion beim Gesamtszenarium '2' aus, bei den Spitzenwerten gilt dies natürlich nicht. Beim NOx ist kein grosser Unterschied zwischen Morgen- und Abendreduktion zu erkennen, beim NO2 führt die Abendreduktion zu einer etwas grösseren Verminderung beim Mittelwert, jedoch nehmen die Spitzenwerte mehr zu.

Das beste Ergebnis bzgl. NO2 wird erzielt, wenn das NFV nur am Abend erweitert wird (20-22 Uhr), die Umlagerung des reduzierten Verkehrs aber gem. Ganglinie 'Umlagerung der Morgenreduktion' (s. Tabelle 3.1) erfolgt, also vor allem in den Vormittag. Für die Realitätsnähe dieser Untervariante '2AM' spricht, dass auch schon bei Einführung des bestehenden Nachtfahrverbotes es offenkundig zu keiner zusätzlichen Verkehrsspitze am Abend vor Einsetzen des NFV gekommen ist. Endgültig muss diese Frage aber von verkehrstechnischer Seite geklärt werden. In diesem Falle ergibt sich eine Reduktion bei den Mittelwerten von NOx und NO2 von gut 1 %. Die Spitzenwerte bei den Primärschadstoffen wie NOx steigen an, beim NO2 jedoch nur wenig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Erweiterung des NFV am Morgen keinen deutlichen lufthygienischen Effekt erwarten lässt. Eine NFV-Erweiterung am Abend lässt demgegenüber einen besseren Effekt erwarten, vor allem wenn sich der Verkehr nicht überwiegend in die Tagesstunden kurz vor dem Einsetzen des NFV um 20 Uhr verlagert."

Der Verkehrssachverständigte beendet im Gutachten vom August 2004 sein Fazit so (S. 49):

"Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Hinblick auf die Verkehrsqualität von einer Verlängerung des derzeitigen Lkw-Nachtfahrverbotes am Montagmorgen in Fahrtrichtung Innsbruck klar abgeraten werden muss. Dies gilt für eine Ausdehnung bis 06.00 Uhr ebenso wie bis 08.00 Uhr oder noch später. An den übrigen Tagen der Woche erscheint eine Ausdehnung des Lkw-Nachtfahrverbotes um eine Stunde, also bis 06.00 Uhr morgens vertretbar. Bei jeder Variante des Nachtfahrverbotes, die zu einer Mehrbelastung der Autobahnanschlussstelle Innsbruck Ost während der Abendspitze führt, wie z.B. einer Vorverlegung des Beginnes auf 20.00 Uhr, ist sehr sorgfältig abzuwägen, ob die erreichbaren Verbesserungen bei der Luftqualität die Verschlechterung der derzeit schon unbefriedigenden Verkehrsqualität auch tatsächlich rechtfertigen."

Die antragstellende Landesregierung bestreitet nicht, dass gegen eine Verlängerung in die Morgenstunden verkehrspolitische Gründe, insbesondere solche der Verkehrssicherheit sprechen. Was die beabsichtigten Auswirkungen der auf die Winterzeit beschränkten Erweiterung auf den Abend betrifft, sind die Zweifel und Auseinandersetzungen der Gutachter ebenso zu würdigen wie für das Nachtfahrverbot überhaupt. Insofern trifft die frühere Beurteilung auch hier zu. Der Landeshauptmann konnte daher - gestützt auf die beiden zu den Erweiterungsmöglichkeiten eingeholten zusätzlichen Gutachten - vorläufig annehmen, dass die verordnete, nicht alle Möglichkeiten ausschöpfende Beschränkung gleichwohl noch eine zielführende Maßnahme sein würde. Die Vorarlberger Landesregierung legt keine neuen Erkenntnisse dar, die bereits im Zeitpunkt der Verordnungserlassung eine andere Entscheidung dieses Punktes geboten hätte.

3. Den entscheidenden Fehler der Verordnung sieht der Antrag im behaupteten Missverhältnis zwischen dem - wenn überhaupt messbar eintretenden - geringen Effekt der Maßnahme und den eintretenden gewichtigen Nachteilen und sieht solche Nachteile in erster Linie in der Betroffenheit der Vorarlberger Unternehmen, deren Verbindung mit Restösterreich wettbewerbsschädigend verschlechtert würde. In der Tat darf der Landeshauptmann nach §11 Z4 ImmissionsschutzG-Luft keine Maßnahmen vorschreiben, die

"unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Maßnahmen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Anordnungen angestrebten Erfolg steht".

Wenn der Landeshauptmann - wie übrigens auch der Bundesminister in seiner Äußerung - in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung verweist, die §14 Abs2 Z9 ImmissionsschutzG-Luft

"für Fahrzeuge, für deren Benutzung ein im Einzelfall zu prüfendes, überwiegendes öffentliches oder erhebliches persönliches Interesse besteht",

zeigt er damit keinen tauglichen Weg auf. Denn es ist offenkundig - und dem Verfassungsgerichtshof aus eigener Anschauung (im Verfahren B1612/03) bekannt - , dass eine solche Ausnahmegenehmigung nicht aus bloß wirtschaftlichen Interessen erteilt werden kann (wie denn auch der Landeshauptmann selbst in den Erläuterungen zu den über jene der Verordnung hinausgehenden gesetzlichen Ausnahmen S. 15 klarstellt:

"Ein allenfalls erhebliches wirtschaftliches Interesse stellt jedenfalls kein erhebliches persönliches Interesse in diesem Sinne dar. Eine juristische Person kann kein persönliches Interesse an der Erteilung einer Ausnahmebewilligung haben"). Immerhin hat sich neben der Bundeskammer auch die Wirtschaftskammer Tirol schon im Begutachtungsverfahren eindringlich und unter beispielsweiser Zitierung von Äußerungen betroffener Unternehmen gegen eine Erweiterung des Nachtfahrverbots ausgesprochen.

Indessen hat der Landeshauptmann schwerwiegende Interessen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in einer umweltpolitisch fast aussichtslos erscheinenden Lage gegen die behaupteten wirtschaftlichen Folgen abzuwägen, die nicht nur Vorarlberger Unternehmen, diese allerdings möglicherweise härter treffen als andere. Diese Auswirkungen sind wegen der Unüberschaubarkeit der logistischen Möglichkeiten nach Ausmaß und Gewicht noch weniger vorhersehbar als die tatsächlichen Auswirkungen der Maßnahme auf die Luftqualität. In welcher Weise sich das Publikum auf das erweiterte Nachtfahrverbot einstellen kann und einstellt, lässt sich einigermaßen verlässlich insgesamt erst im Nachhinein feststellen. Unter diesen Umständen kann der Verfassungsgerichtshof dem Landeshauptmann nicht entgegentreten, wenn er diese Nachteile zunächst geringer eingeschätzt hat als das Bedürfnis nach einer Annäherung an die fallenden Grenzwerte für Stickstoffdioxyd. Er wird sich freilich nach den Erfahrungen des ersten Winters mit dann substantiiert vorgetragenen Bedürfnissen neuerlich zu beschäftigen und die Möglichkeiten ihrer Berücksichtigung - etwa im Rahmen von besonderen Ausnahmebestimmungen - in gemeinschaftsrechtskonformer Weise zu prüfen haben.

Gleiches gilt vom Vorwurf, die Verordnung setze die höchst zulässige Geschwindigkeit von PKW nicht herab. Sollten sich die bisher von sachverständiger Seite geäußerten Zweifel an den Wirkungen des Nachtfahrverbots verdichten oder empfindliche Beeinträchtigungen der Vorarlberger Wirtschaft nicht vermeiden lassen, wird sich der Landeshauptmann eingehender als bisher mit der Frage befassen müssen, ob das Verursacherprinzip (§11 Z2 und 3 ImmissionsschutzG-Luft) nicht auch eine gleichzeitige Maßnahme in dieser Richtung gebietet.

Das zur Erlassung der Verordnung führende Verfahren war hingegen nach den gegebenen Umständen ausreichend; die Verordnung ist nicht gesetzwidrig.

Der Antrag ist daher abzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Anpassungspflicht (des Normgebers), Straßenpolizei, Fahrverbot, Umweltschutz, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V64.2004

Dokumentnummer

JFT_09949697_04V00064_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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