TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/8 B10/03

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Veröffentlicht am 08.03.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Nö GVG 1989 §2, §24
VfGG §88

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäftes aufgrund der Annahme der Nichtigkeit des zu genehmigenden Rechtsgeschäftes und infolgedessen mangelnder Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörden

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Vertreters die mit Euro 2.142 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Kaufvertrag vom Dezember 2001 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft von der Republik Österreich (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft etc.) eine größere Anzahl von Liegenschaften in den Forstrevieren Großau, Staff und Furtherbach mit dem Forsthaus Großau um rund 7 Mio. Euro.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für Baden versagte diesem Rechtsgeschäft wegen überwiegendem Interesse an einer Aufteilung auf anderweitige Interessenten und angenommener Wiederveräußerungsabsicht (§3 Abs1 iVm. Abs2 litb, c und d GVG) die grundverkehrsbehördliche Zustimmung, die Grundverkehrs-Landeskommission hob diese Erledigung mit dem angefochtenen Bescheid auf und wies den Antrag zurück, weil zwei Bestimmungen des Kaufvertrages gegen das Grundverkehrsgesetz verstießen, sodass das Geschäft nichtig und die Grundverkehrsbehörde zur Genehmigung nicht zuständig sei: Nach Punkt 8 gelte die tatsächliche Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes mit Unterfertigung des Vertrages als vollzogen und nach Punkt 10.8 seien Kaufpreisleistung und tatsächliche Übergabe vor grundverkehrsbehördlicher Genehmigung gewünscht.

Die gegen den Zurückweisungsbescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, ein faires Verfahren, Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Freiheit des Liegenschaftsverkehrs:

Die belangte Behörde habe die Nichtigkeit für die Parteien überraschend angenommen und Punkt 10.4 des Kaufvertrages übersehen, wonach der Vertrag zu seiner Wirksamkeit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe; bei Punkt 8 des Vertrages handle es sich lediglich um eine Stichtagsregelung. Zu Unrecht, weil unsachlich und zum Nachteil anderer Erwerber verlange das Grundverkehrsgesetz für Rechtsgeschäfte zwischen Angehörigen keine Genehmigung (§2 Abs2 litc GVG) und die Grundverkehrs-Landeskommission sei kein (verfassungsrechtlich aber gebotenes) Tribunal, weil die Mitglieder von der Landwirtschaftskammer bestellt würden, die ihrerseits Amtspartei (§22 litb GVG) und dazu noch Genossenschafter der land- und forstwirtschaftlichen Boden- und Grunderwerbsgenossenschaft sei, die im vorliegenden Verfahren als Interessent aufgetreten sei, sodass begründete Zweifel an der Unabhängigkeit dieser Mitglieder bestünden.

Die belangte Grundverkehrs-Landeskommission tritt den Ausführungen der Beschwerde entgegen und beantragt deren Abweisung.

II. Die - zulässige - Beschwerde ist begründet:

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt unter anderem auch vor, wenn die Behörde zu Unrecht ihre Zuständigkeit verneint. Das ist hier der Fall:

1. Die belangte Behörde legt schon im angefochtenen Bescheid ausdrücklich dar (S. 35), dass der ihr vorliegende Kaufvertrag kein Umgehungs- oder Scheingeschäft ist. Der Verfassungsgerichtshof hat daher keinen Anlass, auf die für diese Fragen einschlägige Rechtsprechung einzugehen.

Die Behörde hält vielmehr den Kaufvertrag - den unter dem Gesichtspunkt der angezogenen Mängel auf die Frage der Teil- oder Gesamtnichtigkeit zu prüfen sie sich ausdrücklich weigert - für zumindest insoweit nichtig, als er den Rechtsgrund für den beabsichtigten Eigentumsübergang darstellen soll, und leitet daraus "jedenfalls eine verwaltungsbehördliche Unbeachtlichkeit des gegenständlichen Grundverkehrsgesuches" ab. Diese Ansicht verkennt Inhalt und Zweck des Genehmigungsvorbehaltes des Grundverkehrsrechts:

Enthält das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft Bestimmungen, die dem Grundverkehrsgesetz widersprechen, ist die Genehmigung zu versagen. Dies zu tun sieht sich die Behörde offenbar deshalb gehindert, weil die von ihr als gesetzwidrig erachteten Vertragsklauseln nicht den vom Grundverkehrsrecht angestrebten Zweck der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes berühren, sondern nur Regelungen, die eine Umgehung des Genehmigungsvorbehaltes durch tatsächliches Verhalten verhindern sollen. Die gerügte Vereinbarung mit der sofortigen Übergabe und Übernahme würde sich nämlich im Falle der Genehmigungsfähigkeit des Rechtsgeschäfts nachträglich als bedeutungslos erweisen.

2. Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass das strafbewehrte Verbot, eine Liegenschaft zu nutzen, obwohl die erforderliche Zustimmung nicht erteilt wurde (§24 Abs1 litc GVG), im Kernbereich der Zielsetzung des nö. Grundverkehrsrechts liegt. Seiner Durchsetzung steht - solange die Zustimmung nicht erteilt wurde - aber ohnehin nichts im Weg. Das verbotene Verhalten ist ein tatsächliches, nicht erst in Aussicht genommenes oder vereinbartes, weshalb auch der bloße Abschluss eines Vertrages über eine Nutzung vor Genehmigung nicht verboten und strafbar ist.

Dass ein Kaufvertrag mit einer solchen Klausel vor Genehmigung nicht gültig und daher nicht wirksam ist, ergibt sich schon aus §2 Abs1 GVG. Insoweit enthält Punkt 10.4 des Vertrages keine mit den gerügten Vertragspunkten in auflösungsbedürftigem Widerspruch stehende selbständige Regelung; diese können vielmehr bei gesetzestreuem Verhalten nur die Bedeutung einer Stichtagsregelung erlangen. Da der gesamte Kaufvertrag mangels Zustimmung noch unwirksam ist, besteht auch kein Bedarf, gerade jene Klauseln als nichtig und den ganzen Vertrag vernichtend anzusehen (und solcherart einen Zustand noch weiter zu verlängern, in dem die Parteien an der Durchführung des Vertrages gehindert sind). Hätten sie die gerügten Klauseln nicht in den Vertrag aufgenommen, dafür aber die Liegenschaften schon tatsächlich übergeben, hätten sie sich zwar strafbar gemacht, der Vertrag hätte aber keinen Grund zur Beanstandung geboten.

Letztendlich liefe die Ansicht der Behörde darauf hinaus - und ein solcher Gesetzesinhalt wäre in der Tat unsachlich und gleichheitswidrig - , dass ein grundverkehrsbehördlich genehmigungsfähiges Rechtsgeschäft allein deshalb nicht behandelt werden dürfte, weil zugleich ein tatsächliches Verhalten gegen das Grundverkehrsrecht verstößt (was übrigens im vorliegenden Fall offenkundig gar nicht geprüft wurde).

Zu Unrecht hat die Behörde auf eine Vertragsklausel abgestellt, die ein verpöntes Verhalten zum Inhalt einer Vereinbarung zu machen sucht, welche die Wirkung eines Vertrages aber kraft Gesetzes erst zu einem Zeitpunkt entfalten kann, zu dem sie als bloße (rückwirkende) Stichtagsregelung keinen Verstoß gegen das Grundverkehrsrecht mehr bilden kann. Da sie deshalb zu Unrecht eine Entscheidung in der Sache verweigert hat, wurde die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 letzter Satz VfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag sind Euro 327 an Umsatzsteuer und Euro 180 an Eingabengebühren gemäß §17a VfGG enthalten. Dem mitbeteiligten Bund war der Schriftsatz nicht abverlangt.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Grundverkehrsrecht, Rechtsgeschäft nichtiges, Umgehungsgeschäft, VfGH / Beteiligter, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B10.2003

Dokumentnummer

JFT_09949692_03B00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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